Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 24 c-Moll KV 491
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Werkhintergrund:
Mozart ist der Schöpfer des modernen Klavierkonzertes. In keinem anderen Genre hat ein einzelner Komponist die gesamte Entwicklung so nachhaltig beeinflusst und so Bedeutendes geschaffen wie er. Dabei gelang es ihm im Verlauf von nur wenigen Jahren, die Ebene konventioneller Gebrauchsmusik endgültig zu überwinden und individuell geprägte Kunstwerke zu komponieren, die bis heute kein Verfallsdatum tragen, sondern auf mysteriöse Weise jung geblieben sind. Mit seinen 23 Klavierkonzerten, die den vier Pasticci der Kinderzeit folgen, leistete Mozart auch die quantitative Vorarbeit für den späteren enormen Bedeutungszuwachs der Gattung.
Alfred Einstein (Exkurs: nicht zu verwechseln mit dem Physiker Albert Einstein, zu dem der Musikwissenschaftler in seiner Berliner Zeit eine Freundschaft entwickelte, dessen Nachbar er Anfang 1928 wurde und mit dem er am gemeinsam besuchten Luitpold-Gymnasium im Schulchor gesungen hatte. Albert Einstein setzte sich später bei den Einreiseämtern für Alfred Einsteins USA-Emigration ein und die beiden sahen sich gelegentlich in Princeton. Die weithin kolportierte Behauptung einer Vetternschaft Alfreds und Albert Einsteins lässt sich jedoch nicht nachweisen, wenngleich eine entfernte Verwandtschaft naheliegt. Exkurs Ende) Alfred Einstein also feierte Mozarts späte, in Wien geschriebenen Klavierkonzerte sogar als „Krönung und Gipfel seines instrumentalen Schaffens überhaupt“ und stellte sie sogar über seine Sinfonien: „Im Klavierkonzert hat Mozart sozusagen das letzte Wort der Verschmelzung des Konzertanten und des Sinfonischen gesagt“ schreibt Einstein in seinem damals bahnbrechenden Mozart-Buch von 1945, „eine Verschmelzung zu einer höheren Einheit, über die kein Fortschritt möglich war, weil das Vollkommene eben vollkommen ist.“
In seinen Klavierkonzerten erreicht Mozart tatsächlich jene, wie Bruno Walter es nannte „ideale“ Synthese von Kompliziertheit und Klarheit“, einerseits, von solistisch-individuellen Gestus und symphonisch durchgearbeiteter Struktur andererseits. Die entscheidenden Schritte hierzu vollzieht er in den überaus fruchtbaren und erfolgreichen ersten Wiener Jahren, in denen er zwischen 1784 und 1786 zwölf Klavierkonzerte komponiert und sie größtenteils in eigenen „Akademien“ selbst dem Publikum vorstellt. Zuvor bereits, als er gerade sein erstes Wiener Klavierkonzert in A-Dur KV 414 fertiggestellt hatte, erläutert er dem Vater die neue Konzeption: „Die Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht“, schreibt er am 28. Dezember 1782, „sind sehr Brillant – angenehm in den ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hier und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – dass die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen ohne zu wissen warum.“
1781 hatte sich Mozart nach dem berühmten „Geheiß ins Gesäß“ durch den Grafen Arco in das wagemutige Experiment einer freien Künstlerexistenz in Wien gestürzt.
Noch ein Exkurs: Hintergrund des „Arschtritts“:
„Heute kündigen wir Arbeitsverträge und brechen auf zu neuen Ufern. Zu Zeiten absolutistischer Regenten war es dagegen ziemlich riskant, aus einem fürstlichen Dienstverhältnis ausscheiden zu wollen. So kam der Gewaltausbruch des rabiaten Aristokraten nicht aus heiterem Himmel, er war der Höhepunkt eines Konfliktes, bei dem sich zwei Seiten unversöhnlich gegenüberstanden:
Auf der einen Seite Graf Arco, seines Zeichens Oberstküchenmeister des Salzburger Fürsterzbischofs Colloredo, in dieser Funktion zuständig für die Disziplin der Dienerschaft. Auf der anderen Seite der fürsterzbischöfliche Kapellmeister Wolfgang Amadeus Mozart, der nicht länger willens war, sich untertänig in die Hierarchie der Lakaien und Zuckerbäcker einzufügen.
Mozart fühlte sich deplatziert. Er litt an der Ignoranz und Enge des Salzburger Hofs. War er doch einst als Wolferl in ganz Europa von gekrönten Häuptern gefeiert worden! Deshalb strebte das erwachsen gewordene Wunderkind nach Unabhängigkeit und künstlerischer Selbstbestimmung. Nur waren dies keine Kriterien, die ein Rokoko-Fürst von Gottes Gnaden gelten ließ.
Frustriert wagte Mozart den Widerstand. Bereits im Januar 1781 hatte er nach einer umjubelten Uraufführung des “Idomeneo“ in München seinen Urlaub eigenmächtig verlängert. Als der Salzburger Hof im Frühjahr 1781 nach Wien reiste, um die Inthronisation von Joseph II zu begehen, folgten weitere Verletzungen der Dienstpflicht.
Colloredo verbietet seinen Musikern jedwede Nebenbeschäftigung, Mozart tritt bei einem Konzert der “Tonkünstlersozietät“ auf, Colloredo quartiert sein Gefolge im “Deutschen Haus“ ein, Mozart zieht zur Witwe Weber, auf deren Tochter Konstanze er ein Auge geworfen hat, wutentbrannt befiehlt Colloredo seinem ungehorsamen Kapellmeister die Rückkehr nach Salzburg, “Lausbub“ Mozart erhält angeblich keinen Platz in der ausgebuchten Postkutsche.
Im Mai kommt es zu einem heftigen Wortwechsel zwischen dem fuchsteufelswilden Fürsterzbischof und seinem “elenden Lump“ von Komponisten, empört reicht Mozart ein “Memorial“, ein schriftliches Entlassungsgesuch, ein, auf das sein Dienstherr jedoch nicht reagiert. Immer wieder bedrängt Wolfgang Amadeus seinen direkten Vorgesetzten, Graf Arco, zunächst ohne Erfolg. Bis zum 8. Juni 1781. Da verliert der entnervte Oberstküchenmeister die Contenance. Die Auseinandersetzung eskaliert in einem “handgreiflichen Diskurs“.
“Da schmeißt er mich zur Türe hinaus und gibt mir einen Tritt in den Hintern“, schreibt Wolfgang Amadeus an seinen entsetzten Vater. Ein Tritt in den Allerwertesten. Eindeutiger kann man eine fristlose Kündigung wirklich nicht zum Ausdruck bringen.“ Exkurs Ende. (Bayern 2: „Das Kalenderblatt“, 2018)
Aus unerträglicher Gängelei und Bevormundung am Salzburger Hof des Fürsterzbischofs Graf Hieronymus Colloredo war er dadurch freigekommen. Aber was hatte er sich eingetauscht?
„Mit den Schauspielen wechseln musikalische Akademien ab, welche verschiedene Virtuosen auf ihre eigene Faust und zu ihrem eigenen Besten geben. Unter diesen zeichnet sich Herr Mozart besonders aus. Er ist ungemein beliebt, und sein Ausdruck verdient Bewunderung. Er ist auch gefällig genug, sich recht oft hören zu lassen. Seine Ernte ist nicht auf die Fastenzeit beschränkt, er thut es im Advent, und, wenn es sonst dem Publikum beliebt, auch im Sommer.“ Die zwar riskanten, aber zunächst erfolgreichen Akademien, wie sie die Wiener Zeitschrift „Pfeffer und Salz“ im April 1786 beschrieb, schienen Wolfgang Amadeus Mozart in seiner Hoffnung zu bestätigen, dass seine neue Wirkungsstätte „gewiß das Clavierland“ sei. Auch als Pädagoge in Adels- und Bürgerfamilien war er gefragt. Das behagte ihm schon weniger, schien aber unumgänglich, um eine ganz spezielle „Freiheit“ zu kompensieren: die Freiheit von jeglichem gesicherten Einkommen. Denn auch dies hatte die bürgerliche Existenz des Freiberuflers nach sich gezogen: Alle Versuche Mozarts, eine feste Anstellung zu finden, scheiterten beharrlich. Der schlechte Ruf eilte ihm anscheinend schon voraus. So wurde aus der Freiheit unversehens der knallharte Zwang zum Geldverdienen. Nicht weniger als zwölf repräsentative Klavierkonzerte zwischen Februar 1784 und Dezember 1786 verdanken dieser Notwendigkeit ihre Entstehung. Sie markieren einen einzigartigen Höhepunkt in Mozarts Künstlerdasein als Komponist wie als Pianist.
Das Klavierkonzert als Gattung erfuhr durch Mozart eine bis dahin ungekannte Aufwertung und Dramatisierung. Hier trat ein Musiker auf den Plan, dessen Klavierkonzerte nicht nur gelegentliche Kompositionsversuche eines reisenden Virtuosen waren, der aber auch nicht (wie spätere Kollegen) hochstehende Werke aufschrieb, ohne sie selbst adäquat spielen zu können. Im Gegenteil, bei Mozart paarte sich die Genialität des Erfinders mit jener des Interpreten auf unerhörte Weise. Darüber hinaus verlieh er dem Konzerttyp ganz neue Züge. Aus dem Klavier als virtuosem Stichwortgeber für eine so wenig störende wie substanzlose Orchesterbegleitung entwickelte er in seiner Wiener Zeit das Klavierkonzert sinfonischen Gepräges. So steht namentlich das c-Moll-Konzert KV 491 mit seiner reichen Orchesterbesetzung und seinem gewichtigen Dialog zwischen Klavier und Orchester – der im ersten Satz vor allem mit „Ausredenlassen“ zu tun hat – Pate für Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll (1802)." (aus dem digitalen Programmheft des RSB anlässlich eines Konzertes mit Rudolf Buchbinder vom 24.9.2023 von Steffen Georgi)
Attila Csampai meint dazu: „Mozarts Klavierkonzerte sind Musterbeispiele für den ästhetischen Begriff des Objektiv-Schönen: einer vom Betrachter (wie vom Schöpfer) völlig losgelösten, hermetischen Gegenwelt der „demokratischen“ Kommunikation zwischen Klaviersolist und Orchesterstimmen und einer aus „freien“ Lebensimpulsen gespeisten Seelenseismographie. In keinem anderen instrumentalen Genre ist auch die Verwandtschaft zur Oper so evident: Die Klavierkonzerte spannen eine rein instrumentale und darum fiktive Gegenwelt zu seinen Opern auf, bilden gleichsam eine ideale Bühne menschlicher Kommunikation, verheimlichen aber nicht die Schattenseiten des Daseins, die Ängste, Leiden und Bedrohungen der menschlichen Seele („Seele“ ist ein gerne verwendetes Wort bei Attila Csampai, niemand weiß, was sie (oder es) ist, aber jeder weiß trotzdem ungefähr oder sogar ziemlich genau, was damit gemeint ist.) Diese dunklen Seiten behandelt Mozart vor allem in seinen beiden Moll-Konzerten, die wie Abgründe des wirklichen Lebens den riesigen Garten Eden seiner 25 Dur-Konzerte säumen.“
Das c-Moll-Konzert KV 491, das Mozart am 24. März 1786 vollendet, ist das vorletzte eines unglaublichen Wiener Dutzends und das letzte, das er selbst im Burgtheater, wenige Wochen vor der Premiere des „Figaro“ dem Wiener Publikum vorstellt. Die beiden Werke tragen die benachbarten Nummern im Köchel-Verzeichnis, KV 491 das Klavierkonzert, KV 492 die Oper. Obwohl sie zur gleichen Zeit komponiert wurden, weisen die beiden Werke einen starken Kontrast auf: Die Oper ist fast vollständig in Dur gehalten, während das Konzert eines von Mozarts wenigen Werken in Moll ist. Der Pianist und Musikwissenschaftler Robert D. Levin vermutet, dass das Konzert zusammen mit den beiden vorangegangenen Konzerten möglicherweise als Ventil für eine dunklere Seite von Mozarts Kreativität zur Zeit der Komposition der komischen Oper gedient hat.
KV 491 entsteht, wie auch das mit Streichungen und Änderungen übersäte, Mozart-untypische Autograph belegt, unter größtem Zeitdruck und manifestiert trotzdem eine strukturelle Dichte und sinfonische Dimensionen wie kein anderes seiner Konzerte. Er fährt dazu den denkbar größten Orchesterapparat auf, nämlich Klarinetten und Oboen, Hörner und Trompeten, dazu Fagotte, Flöte und Pauken.
In dem neuen Typ eines „Sinfonie-Konzertes“ kann der Pianist – also zunächst Mozart selbst – mit zahlreichen virtuosen Passagen glänzen, doch heben zunehmend „Gespräche“ zwischen Klavier und Orchester den kommunikativen Austausch auf ein neues Niveau. Der Beförderung des Orchesters zum sinfonischen Apparat korrespondiert die oft bewunderte, differenzierte Ausarbeitung der Holzbläserstimmen.
„Die Klavierkonzerte KV 482, 488 und 491 verfügen,“ so wieder Steffen Georgi, „über eine ausgesprochen üppige Bläserbesetzung. Nur in diesen drei Klavierkonzerten verwendet Mozart zwei Klarinetten und reichert damit die Harmoniestimmen um eine exklusive Klangfarbe an. Der Grund war wie so oft zunächst ein praktischer. Kaiser Joseph II. hatte nach 1780 den Holzbläsern seiner Wiener Hofkapelle erlaubt, sich separat und mit eigens für sie komponiertem Repertoire hören zu lassen. Mozart war mit etlichen der hervorragenden Musiker seiner Zeit befreundet und schrieb ihnen gern diverse Serenaden und sogenannte „Harmoniemusiken“, für die Holzbläser u.a. die berühmte Gran Partita KV 361 (1781). Angewandt in den Klavierkonzerten, versprach der Einsatz der Bläser nicht nur größere Klangfülle, sondern auch größere Popularität in der damaligen Hauptstadt der europäischen Musik, in Wien. Darüber hinaus ist die Konzertform dem Opernkomponisten Mozart ein ideales Medium, dramatische Konflikte auf der Ebene absoluter Musik zu gestalten. Der Konzertsatz verschmilzt die Möglichkeiten der Sonatenhauptsatzform mit den Reizen der Arienform. So steigert das ausgedehnte Orchesterritornell zu Beginn eines jeden der drei genannten Konzerte die gespannte Erwartung des Solisten, „inszeniert“ ihn gleichsam.“
Er notiert die nun zahlreicher gewordenen Stimmen auf einem seltenen Notenpapier mit 16 Zeilen, doch die Zeit reicht offenbar nicht aus, um Kadenzen auszuschreiben – er hat sie wohl improvisiert und so unzählige nachschöpferische Pianisten zu eigenen, oft mehr oder weniger „missratenen“ (wer könnte sich mit Mozart messen?) Kreationen inspiriert. Als Visitenkarte ist die Kadenz jedoch allemal tauglich.
Entscheidend ist aber der tragische Unterton, das düstere Pathos, das sich in der Todestonart c-Moll und in dem von schneidenden Dissonanzen geprägten, zerrissenen Unisono-Thema des Kopfsatzes so unerbittlich ausformt und die harmonische Bewegung immer wieder zur Grundtonart zurückzwingt. Diese Tonart spielt in der Musikgeschichte spätestens mit Beethoven eine besondere Rolle. Aber auch schon Mozart kann und will sich dem dramatisch-herben Charakter von c-Moll nicht entziehen. Die Übermacht des Dunklen und Bedrohlichen unterscheidet dieses zweite Moll-Konzert Mozarts so gründlich von allen anderen, selbst vom leidenschaftlich aufwallenden d-Moll-Konzert KV 466. Das war natürlich die geeignete „Nahrung“ für das nachfolgende „romantische“ Jahrhundert: Beide Konzerte avancierten zu Prototypen des romantischen Klavierkonzerts und zählen bis heute, wie unter anderem die Anzahl an Einspielungen zeigt, zu Mozarts populärsten Werken. Im c-Moll-Konzert findet eine klare Verschiebung der Kräfteverhältnisse, der musikalischen Gesamtbalance zugunsten des Orchesters statt.
Mozart trat bei der Uraufführung als Solist auf und dirigierte das Orchester vom Klavier aus. Viele Pianisten eifern ihm darin heute noch nach, mit durchaus unterschiedlichem Erfolg.
Im Jahr 1800 verkaufte, so ist es im britischen Wikipedia-Beitrag zum Werk zu lesen, Mozarts Witwe Constanze die Originalpartitur des Werks an den Verleger Johann Anton André in Offenbach am Main. Im 19. Jahrhundert ging sie durch mehrere Privathände, bevor Sir George Donaldson, ein schottischer Philanthrop, sie 1894 dem Royal College of Music schenkte. Das College bewahrt das Manuskript noch heute auf. Die Originalpartitur enthält keine Tempoangaben; das Tempo der einzelnen Sätze ist nur aus Mozarts Eintragungen in sein Werkverzeichnis bekannt. In die Partitur wurden sie nachträglich von fremder Hand eingetragen. Die Orchesterstimmen der Originalpartitur sind klar notiert. Die Solostimme hingegen ist oft unvollständig: An vielen Stellen notierte Mozart in der Partitur nur die Randteile von Tonleitern oder gebrochenen Akkorden. Dies lässt darauf schließen, dass Mozart bei der Aufführung des Werks die Solostimme größtenteils improvisierte. Die Partitur enthält auch späte Ergänzungen, darunter das zweite Thema der Orchesterexposition des ersten Satzes. In der Partitur finden sich vereinzelte Notationsfehler, die der Musikwissenschaftler Friedrich Blume darauf zurückführte, dass Mozart „offensichtlich in großer Eile und unter innerer Anspannung“ geschrieben habe. Friedrich Blume verfasste auch das Vorwort zu einer älteren Ausgabe der Partitur bei Edition Peters (1935), die dem Autor u.a. vorlag.
Das Konzert ist in die folgenden drei Sätze gegliedert:
Allegro in c-Moll, (3/4)
Larghetto in Es-Dur, (2/2)
Allegretto (Variationen) in c-Moll, (2/2), mit der achten Variation und Coda in (6/8)
Das Konzert ist mit einer Flöte, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, zwei Hörner, zwei Trompeten, Pauken und Streicher besetzt. Dies ist die größte Instrumentenbesetzung, die Mozart für eines seiner Konzerte vorgesehen hat.
Es ist eines von nur zwei Klavierkonzerten Mozarts, die sowohl für Oboen als auch für Klarinetten besetzt sind (das andere, sein Konzert für zwei Klaviere KV 365, enthält Klarinetten nur in der überarbeiteten Fassung). Die Klarinette war damals kein konventionelles Orchesterinstrument. Robert D. Levin schreibt dazu: „Der Reichtum des Bläserklangs, der durch die Einbeziehung von Oboen und Klarinetten entsteht, ist das zentrale klangliche Merkmal [des Konzerts]: Immer wieder, in allen drei Sätzen drängen die Bläser die Streicher völlig zur Seite.“
Das Soloinstrument des Konzerts ist als „Cembalo“ notiert. Dieser Begriff bezeichnet oft ein Cembalo, doch in diesem Konzert verwendete Mozart ihn als Oberbegriff für das Fortepiano, einen Vorgänger des modernen Klaviers aus dem 18. Jahrhundert, der unter anderem über mehr Dynamik als das Cembalo verfügten sollte.
1. Allegro
Der erste Satz ist länger und komplexer als alle anderen, die Mozart zuvor in der Gattung des Konzerts komponiert hatte. Es steht im ¾-Takt; unter Mozarts 27 Klavierkonzerten sind Nr. 4 in G-Dur, Nr. 11 in F-Dur und Nr. 14 in Es - Dur die einzigen, die im Dreiertakt beginnen.
Der erste Satz folgt dem üblichen Aufbau eines Konzertsatzes in Sonatenhauptsatzform der Klassik. Er beginnt mit einer Orchesterexposition, gefolgt von einer Soloexposition, einer Durchführung, einer Reprise, einer Kadenz und einer Coda. Innerhalb dieses konventionellen Aufbaus nimmt Mozart umfangreiche strukturelle Neuerungen vor.
Exposition:
So ist bereits der ausgedehnte Kopfsatz beherrscht von einem überaus ernsten Gestus. Die pausendurchsetzte Fragmentierung des ersten Themas mitsamt den übermäßigen bzw. verminderten Intervallen sowie die chromatisch abwärts gerichteten Sequenzen runden sich zu keinem melodischen Bogen, sie wirken zerfasert, zersplittert. Was anfangs noch wie eine geheimnisvolle Einleitung von Streichern und Fagotten klingt, offenbart sein thematisches und emotionales Potential in dem mit dramatischer Wucht folgenden Orchestertutti. Zugleich zeigt sich, dass auch das Bassgerüst des Themas, eine chromatisch fallende Quarte, dem Charakter eines Lamentos zuneigt.
Kann das Klaviersolo ein Gegengewicht setzen? Es scheint zunächst so, doch dann wird es harmonisch und melodisch vom Fluss des Hauptthemas eingeholt, schließlich förmlich aufgesogen. Selbst das phantasievoll variierende Passagenspiel des Klaviers – es erinnert an die „Freyen Fantasien“ und Klavierkonzerte Carl Philipp Emanuel Bachs – folgt mit harmoniefremden und chromatischen Intervallen dem herben Geist des gewaltigen Kopfsatzes.
Die 99 Takte lange Orchesterexposition präsentiert zwei Gruppen thematischen Materials, eine primäre und eine sekundäre, beide in der Tonika c-Moll. Das Orchester eröffnet das Hauptthema unisono, jedoch nicht kraftvoll: Die dynamische Bezeichnung ist piano. Das Thema ist tonal mehrdeutig und beharrt erst in seiner Schlusskadenz im dreizehnten Takt auf der Grundtonart c-Moll. Es ist zudem stark chromatisch: In seinen 13 Takten verwendet es alle 12 Töne der chromatischen Tonleiter!
Die Soloexposition folgt ihrem orchestralen Gegenstück, und hier wird die Konvention von Anfang an verworfen: Das Klavier setzt nicht mit dem Hauptthema ein. Stattdessen gibt es eine 18-taktige Solopassage. Erst danach erklingt das Hauptthema, getragen vom Orchester. Das Klavier greift es dann ab dem siebten Takt auf. Eine weitere Abweichung von der Konvention besteht darin, dass die Soloexposition das Seitenthema der Orchesterexposition nicht wiederholt. Stattdessen erscheint eine Abfolge von neuen Seitenthemen. Der Musikwissenschaftler Donald Tovey betrachtete diese Einführung neuen Materials als „völlig subversiv gegenüber der Doktrin, dass die Funktion des einleitenden Tutti [der Orchesterexposition] darin bestehe, die Aussage des Solos vorherzusagen.“
Hundert Takte nach Beginn der Soloexposition, die nun in der Durparallele Es steht, spielt das Klavier einen Kadenz-Triller, der das Orchester vom Dominantseptakkord zur Tonika führt. Dies suggeriert dem Hörer, die Soloexposition sei zu Ende, doch Mozart gibt den Holzbläsern stattdessen ein neues Thema. Die Exposition dauert noch etwa weitere 60 Takte, bevor ein weiterer Kadenz-Triller den eigentlichen Abschluss einleitet und ein Ritornell auslöst, das die Exposition mit der Durchführung verbindet. Der Pianist und Musikwissenschaftler Charles Rosen (wir kennen bereits seine Einspielung (CBS-Sony) als Pianist des 2. Klavierkonzerts f-Moll von Chopin, siehe dort) argumentiert, Mozart habe auf diese Weise eine „Doppelexposition“ geschaffen. Rosen vermutet auch, dass dies erklärt, warum Mozart die Orchesterexposition während des Kompositionsprozesses erheblich verlängerte; er brauchte eine längere Orchesterexposition, um ihr „doppelndes“ Solo-Pendant auszugleichen.
Durchführung:
Die Durchführung beginnt mit einem wiederholten Einsatz des Klaviers zur Soloexposition, diesmal in der Paralleltonart Es-Dur. Das Konzert Nr. 20 ist das einzige andere Konzert Mozarts, in dem Soloexposition und Durchführung mit demselben Material beginnen. Im Konzert Nr. 24 entfaltet sich das Material in der Durchführung anders als in der Soloexposition: Das eröffnende Solomotiv mit seiner halben Kadenz wird viermal wiederholt, mit einem Eingriff der Holzbläser, als würden sie eine Frage nach der anderen stellen. Die letzte Frage wird in c-Moll gestellt und von einer absteigenden Tonleiter des Klaviers beantwortet, die zu einer orchestralen Darbietung des Hauptthemas des Satzes in f-Moll führt.
Anschließend wird das Orchesterthema entwickelt: Das Motiv des vierten und fünften Taktes des Themas steigt durch den Quintenzirkel hinab, begleitet von einer kunstvollen Klavierfiguration. Danach schreitet die Durchführung zu einem stürmischen Schlagabtausch zwischen Klavier und Orchester fort, den einer der britischen Mozart-Experte des 20. Jahrhunderts, Cuthbert Girdlestone, als „eine der wenigen Gelegenheiten bei Mozart, wo die Leidenschaft wirklich entfesselt zu sein scheint“, und den Tovey als eine Passage von „schöner, strenger Massivität“ beschreibt. Der Schlagabtausch mündet in einer Passage, in der das Klavier eine Diskantlinie aus Sechzehntelnoten spielt, über die die Bläser Echos des Hauptthemas hinzufügen. Diese Übergangspassage moduliert schließlich zur Grundtonart c-Moll und leitet den Beginn der Reprise mit der konventionellen Wiederholung des Hauptthemas des Satzes durch das Orchester ein.
Reprise, Kadenz und Coda
Die große Bandbreite des thematischen Materials in den Orchester- und Soloexpositionen stellt eine Herausforderung für die Reprise dar. Mozart gelingt es, alle Themen in der Grundtonart c-Moll zu rekapitulieren. Die notwendigerweise komprimierten Themen werden in anderer Reihenfolge präsentiert und enthalten in ihrer neuen Form nur wenige virtuose Momente für den Solisten. Das letzte rekapitulierte Thema ist das Seitenthema der Orchesterexposition, das seit etwa 400 Takten nicht mehr erklungen ist und nun von einer Triolenpassage des Klaviers geschmückt wird. Die Reprise schließt mit arpeggierten Sechzehnteln des Klaviers, bevor ein Kadenz-Triller in ein Ritornell mündet. Das Ritornell wiederum mündet in eine Fermate, die die Kadenz des Solisten einleitet.
Mozart hat für diesen Satz keine Kadenz niedergeschrieben, zumindest gibt es dafür keinen Hinweis. Niemand hat sie bisher eingespielt, ein weiterer Hinweis, dass es keine gibt. Viele spätere Komponisten darunter Johann Nepomuk Hummel, Charles Gounod, Johannes Brahms, Ferruccio Busoni, Alfred Schnittke, Salvatore Sciarrino, Richard Strauss, Camille Saint-Saens, Humperdinck, J.B. Cramer, Reynaldo Hahn, Soulima Strawinsky und Gabriel Fauré, haben eigene Kadenzen komponiert (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Von den Pianisten z.B. Leopold Godowsky, Andras Schiff, André Previn, Friedrich Wührer, Paul Badura Skoda, Daniel Barenboim, Rudolf Serkin, Vladimir Ashkenazy, Karl Engel, Martin Stadtfeld, Wilhelm Kempff, Mitsuko Uchida, Rudolf Buchbinder, Karl-Heinz Pick, Edwin Fischer, Lili Kraus, Artur Schnabel, Franz Vorraber, Murray Perahia, Christian Zacharias, Geza Anda, Alfred Brendel u.v.a.. Als einziges Konzert Mozarts schreibt die Partitur dem Solisten nicht vor, die Kadenz mit einem Kadenz-Triller zu beenden. Das Weglassen des üblichen Trillers war wahrscheinlich Absicht, da Mozart die Kadenz direkt an die Coda anschließen ließ, ohne dass ein solcher Triller erklingt. Die am häufigsten verwendete Kadenz in unserer Liste ist die von Johann Nepomuk Hummel. Sie gefällt anscheinend den meisten Pianisten, die es sich nicht antun wollen, sich mit dem Genie zu messen, also selbst eine zu komponieren. Sie ist gefällig und weist stilistisch wenig oder sogar keine Brüche auf (je nachdem wie empfindlich man sein will), Hummel war ja auch Schüler von Mozart. An zweiter Stelle folgt die Kadenz von Camille Saint-Saens, die hingegen weit in die Romantik weist. Sie ist umstritten, gerade weil sie sich stilistisch so weit von Mozart entfernt, bleibt aber trotzdem oder gerade deshalb unsere Lieblings-Kadenz. Der „Hammer“ ist die Kadenz von Artur Schnabel in der Aufnahme von 1950. Sie wirkt stilistisch wie ein Fremdkörper, möchte aber auch gar nichts anderes sein. In ihrer Radikalität in der emotionalen Umsetzung von Mozarts Musik des erstens Satzes in die Moderne ist sie seither, so wie wir hören konnten, weder nochmals verwendet noch annähernd wieder erreicht worden. Nur wenige Male, wenn wir uns recht erinnern, ist eine Kadenz eines Pianisten von einem anderen Pianisten übernommen worden. Die meisten bemühen sich selbst einen passablen Beitrag beizusteuern, was ja eigentlich löblich ist. Beethoven hat zu KV 491 (leider) keine Kadenz geschrieben, die, die das behaupten verwechseln nur die beiden Moll-Konzerte KV 466 und 491.
Die konventionelle Mozart-Coda endet dann mit einem Orchestertutti und ohne ausgeschriebene Solistenstimme. In diesem Satz bricht Mozart mit dieser Konvention: Der Solist unterbricht das Tutti mit einer virtuosen Passage aus Sechzehntelnoten und begleitet das Orchester bis zu den abschließenden c-Moll-Akkorden im Pianissimo.
In diesem Satz setzt das Klavier dem massiven Bedrohungspotential des ersten Orchesterritormells nur ein recht schwaches, sanft klagendes Motiv entgegen und leistet auch im restlichen Verlauf keinen großen Widerstand. Es behauptet sich nur durch seinen zärtlichen Lyrismus, durch die reine „Seelenenergie“ (ein Begriff Attila Csampais) seiner wogenden Sechzehntel-Ketten, in die es die dunklen Mächte immer mehr einspinnt und sozusagen „humanisiert“.
Die beiden folgenden Sätze dauern zusammen kaum länger als das Eingangs-Allegro. Der später von fremder Hand mit „Larghetto“ überschriebene zweite Satz ist eine anmutige Romanze, deren bescheiden-schlichtes Thema im Wechselgesang zwischen dem feinen Holzbläsersatz und dem mit den Streichern vereinten Klavier erblüht.
2. Larghetto
Alfred Einstein sagte über den zweiten Satz des Konzerts, er bewege sich „in Regionen reinster und bewegender Ruhe und besitze eine transzendente Einfachheit des Ausdrucks“. Der Satz mit der Bezeichnung Larghetto steht in Es-Dur und ist im Viervierteltakt (alla breve) gehalten. Trompeten und Pauken spielen keine Rolle; sie kehren erst im dritten Satz zurück.
Der Satz beginnt damit, dass der Solist das viertaktige Hauptthema allein spielt; anschließend wird es vom Orchester wiederholt. Dieses Thema ist, in den Worten von Michael Steinberg, von „extremer Einfachheit“. Besser wäre es „erhabene“ Einfachheit verbunden mit kindlich anmutender Empfindungstiefe dazu zu sagen. Donald Tovey bezeichnet den vierten Takt, der extrem kahl und ohne jegliche Verzierung ist, als „naiv“, ist jedoch der Ansicht, dass Mozart dies beabsichtigt hatte (selbstverständlich, der Mann überlässt nichts dem Zufall). Mozarts erste Skizze des Satzes war viel komplexer. Wahrscheinlich vereinfachte er das Thema, um einen stärkeren Kontrast zur dunklen Intensität des ersten Satzes zu erzielen. Nachdem das Orchester das Hauptthema wiederholt hat, gibt es eine sehr einfache Überleitungspassage, die Girdlestone als „nur eine Skizze“ bezeichnet, die vom Solisten verziert werden soll, mit der Begründung, dass „sie so zu spielen, wie sie gedruckt ist, ein Verrat an Mozart“ sei. Kaum ein Pianist ließ sich jedoch durch diese Einschätzung dazu verleiten, Mozart nicht zu verraten. Nur in jüngeren Einspielungen kommt man der Forderung Girdlestones nach, vielleicht ohne diese überhaupt zu kennen.
Nach der Überleitung spielt der Solist das viertaktige Thema ein zweites Mal, bevor das Orchester einen neuen Abschnitt des Satzes in c-Moll beginnt. Eine kurze Rückkehr des Hauptthemas mit verändertem Rhythmus trennt den c-Moll-Abschnitt von einem Abschnitt in As-Dur. Nach diesem neuen Abschnitt kehrt das Hauptthema zurück und markiert das Ende des Satzes, wobei sein Rhythmus erneut verändert wird. Nun wird das Thema vom Solisten zweimal gespielt, wobei die beiden Auftritte durch dieselbe einfache Überleitung wie zu Beginn des Satzes verbunden sind. Girdlestone argumentiert, dass der Solist hier „seine Fantasie einsetzen muss, um [die einfache Überleitung] ein zweites Mal auszuschmücken“. Die Gesamtstruktur des Satzes ist somit ABACA, wodurch der Satz in Rondo-Form vorliegt.
In der Mittelangabe des Hauptthemas (zwischen den Abschnitten c-Moll und As-Dur) kommt es zu einem Notationsfehler, der bei einer wörtlichen Aufführung der Partitur zu einem harmonischen Konflikt zwischen Klavier und Bläsern führt was auf ein Versehen des Komponisten zurückzuführen ist. Mozart hat die Klavier- und Bläserstimmen vermutlich zu unterschiedlichen Zeiten geschrieben. Alfred Brendel, der das Konzert mehrfach aufgenommen hat, argumentiert, dass Interpreten sich nicht wörtlich an die Partitur halten, sondern Mozarts Fehler korrigieren sollten. Brendel führt weiterhin an, dass die Taktangabe des gesamten Satzes ein weiterer Notationsfehler sei: Im gekürzten Viervierteltakt gespielt, der zwei Schläge pro Takt statt vier vorsieht, sei der Satz seiner Ansicht nach zu schnell. Tatsächlich sind im Ergebnis die Spieldauern dieses Satzes innerhalb unserer Liste sehr unterschiedlich. Nicht jede(r) sieht es so wie Alfred Brendel.
Jedenfalls (wenn die Interpreten nicht zu viel falsch machen) wird ein zutiefst idyllisches, serenadenhaftes Arkadien heraufbeschworen. Je nach Tempo mehr oder weniger romanzenhaft.
Die Form des Satzes ist übrigens nahezu identisch mit der des zweiten Satzes von Mozarts Klaviersonate B-Dur, KV 570.
Das Finale verweigert sich dem üblichen, tänzerisch ausgelassenen Charakter eines Rondos. Sein Marschthema versucht, in mehreren Variationen die c-Moll-Umklammerung abzuschütteln. Doch der Durchbruch zum erlösenden Dur gelingt nicht.
3. Allegretto:
Der dritte Satz enthält ein Thema in c-Moll, gefolgt von acht Variationen darüber. Hutchings bezeichnete ihn als „Mozarts besten Versuch in Variationsform und zugleich als sein bestes Konzertfinale.“
Die Moll-Kräfte erscheinen nun gegenüber dem ersten Satz schon etwas geschwächt und bilden mit den sozusagen lebensstiftenden Gegenkräften ein geheimnisvolles Wechselspiel unterschiedlicher Farben, Charaktere und Stimmungen. Schließlich bleiben in einer enigmatischen, mit vielen Trugschlüssen durchsetzen Coda alle Fragen offen. Moll bleibt. Vielmehr: die ständige Hell-Dunkel-Irritation, die „heitere Trauer“ oder die „bedrückte Heiterkeit“ bleibt auch hier ein Wesenszug des Mozartischen Spätwerks.
Die Tempoangabe des Satzes lautet Allegretto. Charles Rosen meint, dies erfordere ein marschähnliches Tempo und argumentiert, der Satz werde „im Allgemeinen zu schnell gespielt, in der Annahme, ein schnelles Tempo verleihe ihm eine dem Eröffnungssatz entsprechende Kraft.“ Die Pianistin Angela Hewitt sieht in dem Satz keinen Marsch, sondern einen „finsteren Tanz“.
Der Satz beginnt mit dem Vortrag des Themas durch die ersten Violinen, begleitet von Streichern und Holzbläsern. Das Thema besteht aus zwei achttaktigen Phrasen, die jeweils wiederholt werden: Die erste Phrase moduliert von c-Moll zur Dominante g-Moll; die zweite Phrase moduliert zurück nach c-Moll. Der Solist spielt bei der Darstellung des Themas keine Rolle und tritt erst in Variation I auf. Hier verziert das Klavier das Thema über einer strengen Streicherbegleitung.
Die Variationen II bis VI werden von Girdlestone und Hutchings unabhängig voneinander als „doppelte“ Variationen bezeichnet. Innerhalb jeder Variation wird jede der achttaktigen Phrasen des Themas bei ihrer Wiederholung weiter variiert (A X A Y B X B Y). Die Variationen IV und VI stehen in Dur. Tovey bezeichnet die erstere (in A ♭) als „heiter“ und die letztere (in C) als „anmutig“. Zwischen den beiden Dur-Variationen kehrt Variation V nach c-Moll zurück; Girdlestone beschreibt diese Variation als „eine der bewegendsten“. Variation VII ist halb so lang wie die vorhergehenden Variationen, da sie die Wiederholung jeder achttaktigen Phrase auslässt. Diese Variation schließt mit einer zusätzlichen dreitaktigen Passage, die in einem Dominantakkord gipfelt und den Beginn einer Kadenz ankündigt. Sie wird allermeist sehr kurzgehalten oder gar weggelassen.
Nach der Kadenz eröffnet der Solist die achte und letzte Variation allein, das Orchester setzt nach 19 Takten ein. Mit der letzten Variation ändert sich auch das Taktmaß: vom gekürzten Viervierteltakt zum zusammengesetzten Zweiertakt. Sowohl die letzte Variation als auch die folgende Coda enthalten zahlreiche neapolitanische Sextakkorde. Girdlestone verwies auf die „eindringliche“ Wirkung dieser Akkorde und erklärte, die Coda verkünde schließlich „verzweifelt den Triumph der Moll-Tonleiter“.
Ludwig van Beethoven bewunderte das Konzert und es könnte sein drittes Klavierkonzert, mit dem sich KV 491 so manch eine LP oder CD teilt und das ebenfalls in c-Moll steht, beeinflusst haben. Nachdem Beethoven das Werk bei einer Probe gehört hatte, soll er gegenüber einem Kollegen (manche behaupten, es wäre Carl Czerny gewesen, andere meinen es wäre ein gewisser Cramer gewesen, ein Londoner Komponist, Pianist und Musikverleger der übrigens auch eine Kadenz zum ersten Satz beigesteuert hat) bemerkt haben: „So etwas werden wir nie können.“ Bzw. „Wir werden nie im Stande sein etwas Ähnliches zu schaffen.“ Auch Johannes Brahms bewunderte das Konzert, ermutigte Clara Schumann, es zu spielen, und schrieb seine eigene Kadenz für den ersten Satz, die wir übrigens unter keiner der uns bekannten Kadenzen entdecken konnten. Brahms bezeichnete das Werk als „ein Meisterwerk der Kunst und voller inspirierter Ideen.“
Unter den modernen und zum 20. Jahrhunderts zählenden Gelehrten ist Cuthbert Girdlestone der Ansicht, das Konzert sei „in jeder Hinsicht eines von [Mozarts] größten; wir würden gern sagen: das größte, wenn es nicht unmöglich wäre, zwischen vier oder fünf von ihnen zu wählen.“ Mit Bezug auf den „düsteren, tragischen und leidenschaftlichen“ Charakter des Konzerts stellt Alfred Einstein fest, dass es „schwer ist, sich den Gesichtsausdruck des Wiener Publikums vorzustellen“, als Mozart das Werk uraufführte. Mozart zeigte, was er kann und überforderte damit seine Zuhörerschaft ganz erheblich. Die kleine Analyse zuvor unterstreicht dies nur, widerlegt es kaum. Er nutze vielleicht seine neue Freiheit und zeigte einmal, was wirklich in ihm vorging. Schließlich wurden seine „Akademien“ kaum noch besucht und auch diese Einnahmequelle brach ihm weg. (Siehe dazu unseren "Werkhintergrund" zum B-Dur Konzert Nr. 27 KV 595)
Der Musikwissenschaftler Simon P. Keefe schreibt in einer Exegese sämtlicher Klavierkonzerte Mozarts, dass Nr. 24 „ein Höhepunkt und Kulminationswerk in Mozarts Klavierkonzertwerk ist, das fest mit seinen Vorgängern verbunden ist und sie gleichzeitig entscheidend übertrifft.“ Das Urteil des Mozart-Forschers Alexander Hyatt King lautet, das Konzert sei „nicht nur das erhabenste der gesamten Reihe, sondern auch eines der großartigsten Klavierkonzerte, die je komponiert wurden“. Arthur Hutchings ist der Ansicht: „Welchen Wert wir auch immer einem einzelnen Satz aus den Mozart-Konzerten beimessen, wir werden kein Werk finden, das als Konzert größer wäre als dieses KV 491, denn Mozart hat nie ein Werk geschrieben, dessen Teile so sicher die eines ‚einen gewaltigen Ganzen‘ wären.“
Wolfgang Hildesheimer merkt zur Wahl der Tonart an: „Mozarts Moll-Werke sind ja so selten, dass uns ihr plötzliches Erscheinen aufhorchen und nach einem bestimmten Beweggrund fahnden lässt: Warum gerade hier? Wohlgemerkt: Wir suchen nicht nach dem Anlass, nicht nach einem äußeren Ereignis, sondern nach dem disponierenden Entscheid innerhalb der Sequenz seiner Werke. Selbstverständlich suchen wir vergeblich. Ist es tatsächlich Entscheid für das `Tragische´? Da wir keine Definition für ein musikalisches Äquivalent dessen haben, was wir in Worten `das Tragische´ nennen, lässt sich diese Frage (auch für die beiden Klavierkonzerte in d- bzw. c-Moll) nicht beantworten.“
Das am 24. März 1786 als letztes der fast zweijährigen Klavierkonzertserie vollendete Konzert in c-Moll KV 491 spielt Mozart erstmals am 7. April während seiner zugleich letzten Subskriptions-Akademie im Burgtheater. Nebenbei gedeiht der „Figaro“ – weit mehr als die späte Rache für den gräflichen Fußtritt in Salzburg –, Mozarts brisanter Paukenschlag mitten ins Gesicht des gesamten Adels. Die Uraufführung von „Le nozze di Figaro“ am 1. Mai im Burgtheater unter Mozarts Leitung findet kaum Zuspruch.
Schon bald wenden sich die Zuhörer von ihm ab. Sie fühlen sich von Werken wie den beiden Moll-Konzerten KV 466 und 491, den Mittelsätzen aus KV 482 und 488, den komplexen, Haydn zugeeigneten Streichquartetten („doch wohl zu stark gewürzt“), schließlich vom heiklen „Figaro“ brüskiert. Ende 1786 ist Mozart fünf Jahre in Wien ansässig, und „es war von hier an, dass der Virtuose Mozart an Boden verlor und als solcher bald in Vergessenheit geriet.
„... allmählich muss sich seinem Bewusstsein mitgeteilt haben, dass er nicht mehr gebraucht werde...“ (Wolfgang Hildesheimer)
"Diese Welt", schrieb Horace Walpole bereits 1776 und es passt trotzdem "ist eine Komödie zu denen, die denken, eine Tragödie für diejenigen, die fühlen."
Gibt es einen Fortschritt in der Kunst? Sicherlich nicht, was ihre Höchstleistungen betrifft: Ein Picasso ist nicht schöner als ein Michelangelo, nur anders schön. Gleiches gilt für Pindar und Proust, Purcell und Puccini. Was die nachschaffende Kunst musikalischer Interpretation angeht, ist allerdings eine Einschränkung zu machen. Hier sind hörbare Fort-, aber auch Rückschritte möglich. Denn sie hängt ab von Wissen um die Komposition und ihren Kontext. Dieses Wissen kann verlorengehen, wie dies etwa für die romantische Pianistik nach Horowitz gelten dürfte. Wissen kann aber auch gewonnen werden, wie etwa die Erforschung historischer Aufführungspraktiken gezeigt hat. In beiden Fällen gilt: Hat man die entscheidenden Unterschiede einmal begriffen, kann man nicht mehr ohne weiteres zurückkehren zu alter Naivität.
Die Rolle, die Mozart in diesem aufgewühlten Szenario dem Klaviersolisten zuweist, ist anspruchsvoll und zugleich ziemlich undankbar. Es ist nicht die eines brillanten oder auch nur eleganten Helden, sondern eines empfindsamen, stets defensiven Individuums, das mit Behutsamkeit und „purer Seelenkraft“ den dunklen Mächten trotzt, also durch innere Stärke und das strömende Charisma seiner wahrhaftigen Empfindung selbst dieses Schattenreich verzaubert und vermenschlicht. Auftrumpfende Virtuosen sind hier genauso fehl am Platz wie schrille Selbstdarsteller, zumal Mozart alles Wichtige, alles Bedeutsame mit einfachen Mitteln ausformuliert – und genau dies bereitet vielen Pianisten große Mühe. Der hohe intellektuelle Anspruch Mozarts nach gestalterischer Intelligenz, Souveränität und „Geschmack“ lässt einige wenige extreme Positionen umso deutlicher hervortreten. Wer sich hier in Szene setzt oder auch nur versucht, die Schlichtheit des Ausdrucks mit Gefühl, Bedeutung oder Pathos aufzuladen, der hat das Thema eigentlich schon verfehlt. Wer zu wenig „macht“ hat genauso verloren.
Und abschließend (zwar bereits bei unserem Versuch zu KV 595 erwähnt, es ist aber einfach zu griffig und treffend, um es nicht zu wiederholen):
Alfred Brendel: Dem Mozartspieler ist "eine Last an Vollkommenheit auferlegt, die über seine Kräfte geht."
Arthur Schnabel (eigentlich in Bezug auf die Klaviersonaten Mozarts): „Für Kinder zu leicht, für Pianisten zu schwer.“
Ferenc Fricsay (in seiner Schrift „Über Bartok und Mozart“): „Seine Musik, die viel klarer und deutlicher als alle andere Musik die Wahrheit widerspiegelt, hat immer eine Reflexion des Überirdischen und einer idealen Traumwelt vermittelt. Wahrheit und Ideal gingen in Mozarts Seele stets nebeneinander, jedes auf seinem Weg, sodass sie sich nie miteinander mischen, nie in Kampf geraten konnten. So können wir es erklären, dass Mozarts Musik immer etwas transzendental, von einer allem Erdgebundenen fremden Sphäre zu uns spricht, in einer „himmlischen Harmonie“. Und wenn es manchmal auch Tränen gibt – unter ihnen schimmert immer ein Lächeln!“

Mozart ungefähr zur Zeit der Komposition des Klavierkonzertes c-Moll (1786) mit 30 Jahren, allerdings idealisiert, denn sein Gesicht war vernarbt.
Überblick: Es wurden 130 Aufnahmen des Konzertes gehört. Der besseren Übersicht und Vergleichbarkeit wegen haben wir sie in sieben Gruppen aufgeteilt. Die ausführlichen Rezensionen folgen wie immer im Anschluss.
1. Die klassischen Aufnahmen in Stereo-Technik: 48
2. Der Pianist als sein eigener Dirigent (wie einst Mozart selbst): 21
3. Einspielungen die den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis folgen und „Originalinstrumente“ der Mozart-Zeit nutzen: 8
4. Einspielungen, die mehr oder weniger stark Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis mit in ihr Spiel einfließen lassen, jedoch „modernes“ Instrumentarium nutzen: 14
5. Historische Aufnahmen in Mono-Technik: 17
6. Einspielungen von Robert Casadesus, der das Konzert als sein „Lieblingsstück“ bezeichnete und entsprechend oft spielte: 10
7. Live-Konzerte, mitgeschnitten bei Rundfunk-Sendungen, bisher auf Tonträger nicht veröffentlicht: 11
1. Die klassischen Aufnahmen in Stereo-Technik:
5
Clifford Curzon
Istvan Kertesz
London Symphony Orchestra
Decca
1967
13:08 4:41 8:45 29:34
5
Christian Zacharias
Günter Wand
NDR-Sinfonieorchester (heute NDR-Elbphilharmonie-Orchester)
EMI
1986
13:34 7:40 9:26 30:40
5
Alfred Brendel
Neville Marriner
Academy of Saint Martin in the Fields
Philips
1973
13:12 7:11 9:00 29:23
5
Alfred Brendel
Sir Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Philipps
1998
13:21 7:00 9:03 29:24
5
Alfred Brendel
Bernard Haitink
Concertgebouw-Orchester Amsterdam
RCO Live
1984, live
13:29 7:43 8:51 30:03
5
Glenn Gould
Walter Süsskind
CBC Symphony Orchestra
CBS-Sony
1961
14:24 8:08 8:54 31:26
5
Ivan Moravec
Neville Marriner
Academy of St. Martin in the Fields
Hänssler, Piano Classics
1995
14:09 8:09 8:31 30:49
5
Eric Heidsieck
Hans Graf
Mozarteum-Orchester Salzburg
Victor Entertainment, Wiederauflage einer JVC
2009
14:26 8:32 9:12 32:10
5
Walter Klien
Peter Maag
Orchester der Wiener Volksoper
Vox
1969
13:46 7:16 9:17 30:19
4-5
Clara Haskil
Igor Markewitsch
Orchestre des Concerts Lamoureux, Paris
Philips
1960
13:09 7:13 8:56 29:18
4-5
Annie Fischer
Efrem Kurtz
New Philharmonia Orchestra London
EMI
1966
13:46 8:21 8:22 30:29
4-5
Clifford Curzon
Rafael Kubelik
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Audite
1970, live
13:29 7:56 9:33 30:58
4-5
Rudolf Firkusny
Ernest Bour
Sinfonieorchester des SWF, Baden-Baden
Intercord, Disky
1970er Jahre
12:36 7:30 9:04 29:10
4-5
Wilhelm Kempff
Ferdinand Leitner
Bamberger Symphoniker
DG, Praga
1960
13:09 7:00 10:13 30:22
4-5
Mitsuko Uchida
Jeffrey Tate
English Chamber Orchestra
Philips
1988
14:05 8:12 9:08 31:25
4-5
Artur Rubinstein
Josef Krips
RCA Symphony Orchestra
RCA
1958
14:36 8:19 9:06 32:01
4-5
Lili Kraus
Stephan Simon
Wiener Festspiel-Orchester
Sony
1965/66
12:54 7:25 8:48 29:07
4-5
François Chaplin
Jean François Verdier
Orchestre Victor Hugo Franche-Comté
Aparté
2017
13:46 7:27 9:18 30:31
4-5
Orli Shaham
David Robertson
Saint Louis Symphony Orchestra
Canary
2018
13:10 7:02 8:38 28:50
4-5
Piers Lane
Johannes Fritzsch
Queensland Symphony Orchestra
ABC
2013
13:50 8:02 8:38 30:30
4-5
Eric Le Sage
François Leleux
Gävle Symphony Orchestra
Alpha Classics
2021
13:51 6:09 8:38 28:38
4-5
Valerie Tryon
Robert Trory
London Symphony Orchestra
APR
2009
Hummel: 13:54 Godowsky:14:33 7:38 9:07 30:39 31:18
4-5
Jenö Jando
Mátyás Antal
Concentus Hungaricus
Naxos
1989
12:47 7:30 8:32 28:49
4-5
Derek Han
Paul Freeman
Philharmonia Orchestra London
Brilliant
1992
13:26 7:36 8:20 29:22
4-5
Ralph Kirkpatrick
Geraint Jones
Geraint Jones Orchestra
EMI
1956
13:09 8:03 9:08 30:20
4
Clifford Curzon
Bernard Haitink
London Philharmonic Orchestra
BBC Music
1979, live
13:14 7:45 9:30 30:29
4
André Previn
Sir Adrian Boult
London Symphony Orchestra
EMI
1973
14:20 7:33 9:27 31:20
4
Émile Naoumoff
Alain Lombard
Orchestre National Bordeaux-Aquitaine
Forlane
1990
14:09 8:37 9:16 31:52
4
Alessio Bax
Simon Over
Southbank Sinfonia
Signum Classics
2012
13:11 7:12 8:42 29:05
4
Ingrid Haebler
Colin Davis
London Symphony Orchestra
Philis
1966
13:19 7:07 8:59 29:25
4
Alicia de Larrocha
Sir Colin Davis
English Chamber Orchestra
RCA
1991
14:28 7:38 9:10 31:17
4
Jewgeni Kissin
Sir Colin Davis
London Symphony Orchestra
EMI
2006
13:28 7:50 8:38 29:56
4
Kyoko Tabe
Jesus Lopez-Cobos
Orchestre de Chambre de Lausanne
Denon
1995
14:01 7:31 8:51 30:23
4
Alicia de Larrocha
Sir Georg Solti
Chamber Orchestra of Europe
Decca
1985
14:46 7:46 9:02 31:34
4
Michel Dalberto
René Klopfenstein
Camerata Academica Salzburg
VDE - Gallo
1971, live
13:43 7:41 9:07 30:31
3-4
Rudolf Serkin
Claudio Abbado
London Symphony Orchestra
DG
1986
14:20 8:35 9:19 32:14
3-4
Eugene Istomin
Gerard Schwarz
Seattle Symphony Orchestra
Reference Recordings
P 1996
14:46 7:25 9:02 31:13
3-4
Annerose Schmidt
Kurt Masur
Dresdner Philharmonie
Eterna, Berlin Classics
1971
13:17 7:08 10:19 30:41
3-4
Annie Fischer
Marc Andreae
Swiss Italian Radio Orchestra
Doremi
Ca. 1978, live
14:26 8:32 8:40 31:38
3-4
Hans-Jürg Strub
Christian Erny
Württembergische Philharmonie Reutlingen
Ars
2024
14:16 6:59 9:14 30:29
3-4
Julian Trevelyan
Christian Zacharias
ORF Radio-Sinfonieorchester Wien
Alpha
2021
14:18 7:09 9:40 31:07
3-4
Roberte Mamou
Gerard Oskamp
Berliner Symphoniker
Ligia, Musica Riservata, Aurophon
1992
14:00 7:25 9:23 32:48
3-4
Ben Kim
Michael Waterman
Concertgebouw Chamber Orchestra
Challenge
2022
14:18 8:00 9:01 31:19
3-4
Justus Frantz
Wolfgang Gönnenwein
Orchester der Ludwigsburger Festspiele
Bayer Records
1987
13:58 7:47 8:43 30:28
3-4
Karl Engel
Leopold Hager
Mozarteum-Orchester Salzburg
Teldec
1975
12:33 7:46 9:13 29:32
3-4
Ana-Marija Markovina
Federico Longo
Sofia Soloists
cmn, Music Society
2002
14:13 7:43 8:40 30:36
3-4
Natalja Trull
Sergei Skripka
Moscow State Symphony Orchestra
Essential Media Group
P 2008
12:57 7:24 8:43 29:04
3
Ketevan Badridze
Djansug Kachidze
Tiflis Symphony Orchestra
HDC, Mazur Media, Excelsior
P 1996
13:45 7:26 8:55 30:06
2. Der Pianist als sein eigener Dirigent (wie einst Mozart selbst):
5*
Lars Vogt
Orchestre de Chambre de Paris
Ondine
2021
13:39 6:35 8:50 29:04
5*
Piotr Anderszewski
Sinfonia Varsovia
Virgin
2001
13:48 7:51 8:58 30:37
4-5
Richard Goode
Orpheus Chamber Orchestra
Nonesuch
1999
13:47 7:23 9:14 30:24
4-5
Murray Perahia
English Chamber Orchestra
CBS-Sony
1976
13:22 8:27 8:49 30:38
4-5
Paul Badura-Skoda
Prager Kammerorchester
Transart
2001
13:47 7:04 8:31 29:22
4-5
André Previn
Wiener Philharmoniker
Philips
1984
14:47 7:27 9:24 31:38
4-5
Leif Ove Andsnes
Mahler Chamber Orchestra
Sony
2021, live
13:18 6:51 8:55 29:04
4-5
Géza Anda
Camerata Academica des Salzburger Mozarteums
DG
1966
12:37 6:57 8:30 28:04
4-5
Stefan Vladar
Camerata Salzburg
Harmonia Mundi
2006
12:34 6:26 8:00 27:00
4-5
Martin Tirimo
Prager Kammerorchester
Genuin, Heritage, Regis, MMS
2004
13:43 7:07 9:01 29:51
4-5
Howard Shelley
London Mozart Players
Chandos
1993
13:53 8:31 8:38 31:02
4
Daniel Barenboim
English Chamber Orchestra
EMI
1971
14:05 8:37 9:16 31:58
4
Christian Zacharias
Orchestre de Chambre de Lausanne
MDG
2011
13:58 6:51 9:26 30:15
4
Mitsuko Uchida
Cleveland Orchestra
Decca
2008, live
14:42 8:02 9:51 32:35
4
Howard Shelley
City of London Sinfonia
MCA, IMP, Alto
P 1986
13:37 7:43 8:39 29:59
3-4
David Greilsamer
Suedama Ensemble
Naive
2009
12:09 6:24 8:47 27:15
3-4
Mikael Pletnev
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Virgin, Erato
1991
13:18 8:19 9:10 30:47
3-4
Maurizio Pollini
Wiener Philharmoniker
DG
2007, live
12:26 8:10 9:07 29:43
3-4
Rudolf Buchbinder
Wiener Symphoniker
Calig, Hänssler
1997, live
13:03 7:06 8:25 28:34
3-4
Daniel Barenboim
Berliner Philharmoniker
Teldec
1988
13:56 8:11 9:28 31:35
3-4
Vladimir Ashkenazy
Philharmonia Orchestra London
Decca
1979
14:16 8:11 9:21 31:48
3. Einspielungen die den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis folgen und „Originalinstrumente“ der Mozart-Zeit nutzen:
5
Malcolm Bilson
John Eliot Gardiner
English Baroque Soloists
DG
1988
14:06 7:50 9:23 31:19
4-5
Viviana Sofronitski
Tadeusz Karolak
Musica Antiqua Collegium Varsoviense
Pro Musica, Camerata, Et´cetera
2006
12:58 6:48 8:19 28:05
4-5
Robert Levin
Richard Egarr
Academy of Ancient Music
AAM Records
2021
12:40 6:56 9:14 28:50
4-5
Jos van Immerseel
Anima Eterna
Channel Classics
1990
13:39 7:09 9:11 29:59
4-5
Ronald Brautigam
Michael Alexander Willens
Kölner Akademie
BIS
2011
12:01 5:57 8:29 26:27
4
Melvyn Tan
Sir Roger Norrington
London Classical Players
EMI, Virgin, Warner
1990
12:35 6:20 8:48 27:43
4
John Gibbons
Frans Brüggen
Orchestra oft he 18th Century
Philipps
1986, live
14:34 8:00 9:22 31:56
4
Arthur Schoonderwoerd
Christofori
Accent
2015
12:19 5:39 8:59 26:57
4. Einspielungen, die mehr oder weniger stark Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis mit in ihr Spiel einfließen lassen, jedoch „modernes“ Instrumentarium nutzen:
5
Jean-Efflam Bavouzet
Gabor Takacs-Nagy
Manchester Camerata
Chandos
2022
14:17 7:17 9:01 30:35
5
Jewgeni Sudbin
Osmo Vänskä
Minnesota Orchestra
BIS
2012
13:33 7:25 9:09 30:07
5
Franz Vorraber
Morten Schuldt-Jensen
Leipziger Kammerorchester
Thorophon, Bella Musica
2003, live
13:08 6:18 8:20 27:46
5
Martin Helmchen
Gordan Nikolic
Netherlands Chamber Orchestra
Pentatone
2007
14:07 7:35 9:11 30:53
5
Imogen Cooper
Bradley Creswick
Northern Sinfonia
Avie
2007
13:38 7:37 9:13 30:58
5
Jean-Claude Pennetier
Christoph Poppen
Orchestre Philharmonique de Radio France
Mirare
2016
13:20 6:44 8:52 28:56
4-5
Andras Schiff
Sandor Vegh
Camerata Academica des Salzburger Mozarteums
Decca
1988
13:35 7:40 8:54 30:09
4-5
Angela Hewitt
Hannu Lintu
National Arts Orchestra, Ottawa
Hyperion
2013
13:46 7:14 9:10 30:10
4-5
Charles Richard-Hamelin
Jonathan Cohen
Les Violons du Roy
Analekta
P 2019
13:47 7:16 9:10 30:13
4
John O´Conor
Sir Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Telarc
1991
12:12 7:04 8:52 28:08
4
Carmen Piazzini
Michail Gantvarg
Leningrad Soloists
Col legno, Hera, Membran
1990
13:15 6:46 8:49 28:50
4
Martin Stadtfeld
Bruno Weil
Sinfonieorchester des NDR
Sony
2005
14:37 6:20 8:39 29:36
4
Lang Lang
Nikolaus Harnoncourt
Wiener Philharmoniker
Sony
2014
15:22 7:43 9:43 32:48
4
Matthias Kirschnereit
Frank Beermann
Bamberger Symphoniker
Arte Nova
2005
14:25 7:06 9:23 30:54
5. Historische Aufnahmen in Mono-Technik:
5
Artur Schnabel
Walter Süsskind
Philharmonia Orchestra London
EMI, Music and Arts, Arabesque
1950
13:04 8:32 9:10 30:46
5
Solomon (Cutner)
Herbert Menges
Philharmonia Orchestra London
EMI
1955
12:29 8:11 8:31 29:11
5
Clara Haskil
André Cluytens
Orchestre de RTF (heute: Orchestre National de France)
INA, Tahra, Documents, Amadeo
1955, live
13:10 8:07 7:51 29:08
5
Edwin Fischer
Lawrence Collingwood
London Philharmonic Orchestra
EMI, Piano Library, Altair
1937
12:52 6:36 8:10 27:38
4-5
Walter Gieseking
Herbert von Karajan
Philharmonia Orchestra London
EMI
1953
12:58 9:34 9:05 31:37
4-5
Clara Haskil
Victor Desarzens
Orchestre de Chambre de Lausanne
Claves
1956
12:56 7:16 7:40 27:52
4-5
Friedrich Gulda
Igor Markewitsch
RIAS Sinfonieorchester, Berlin
Audite
1953
13:26 7:26 8:17 29:10
4-5
Friedrich Gulda
Joseph Keilberth
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (damals noch Südfunk-Sinfonieorchester, heute SWR Sinfonieorchester)
SWR
1959, live
14:53 8:48 8:36 32:17
4-5
Paul Badura-Skoda
Carl Schuricht
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart
SWR Classic Archive
1962, live
13:51 7:47 8:31 30:09
4-5
Clifford Curzon
Josef Krips
London Symphony Orchestra
Decca
1953
13:03 7:34 8:24 29:01
4-5
Edwin Fischer
Danish Chamber Orchestra
Urania
1954, live
14:04 6:58 8:39 29:41
4
Paul Badura-Skoda
Felix Prohaska
Wiener Symphoniker
Westminster-BnF
1951
12:51 6:58 8:46 28:25
4
Glenn Gould
Leonard Bernstein
New York Philharmonic Orchestra
IDIS, WHRA, Urania
1959, live
14:23 7:26 8:35 30:44
4
Carl Seemann
Ferdinand Leitner
Berliner Philharmoniker
DG
1952
12:54 7:26 8:37 28:57
4
Grant Johannesen
Otto Ackermann
Netherland Philharmonic Orchestra
MMS (Musical Masterpiece Society = Concert Hall), Mezzoforte
Späte 40er – frühe 50er Jahre
12:27 7:12 8:16 27:55
4
Kathleen Long
Eduard van Beinum
Concertgebouw-Orchester, Amsterdam
Decca
1948
13:36 7:11 9:04 29:51
2-3
Rudolf Serkin
Michel Singher
Oberlin Chamber Orchestra
Doremi
1985, live
14:03 8:25 10:11 32:39
6. Einspielungen von Robert Casadesus, der das Konzert als sein „Lieblingsstück“ bezeichnete und entsprechend oft spielte.
5
Robert Casadesus
George Szell
Cleveland Orchestra
CBS-Sony
1961
12:57 7:50 8:40 29:27
5
Robert Casadesus
George Szell
Columbia Symphony Orchestra
CBS-Hänssler
1954
11:48 6:56 8:04 26:48
5
Robert Casadesus
George Szell
Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester (heute: WDR Sinfonieorchester Köln)
Archipel
1960, Live
12:24 7:26 8:18 28:08
Medici Arts
1960, Studio
12:24 7:20 8:09 27:53
5
Robert Casadesus
Dmitri Mitropoulos
Wiener Philharmoniker
Orfeo
1956, live
12:13 7:46 8:20 28:19
5
Robert Casadesus
Herbert von Karajan
Schweizerisches Festspielorchester (heute: Lucerne Festival Orchestra)
Audite
1952, live
12:56 8:30 8:06 29:32
4-5
Robert Casadesus
Eugen Jochum
Sinfonieorchester des BR
BR-Archipel
1954. live
12:35 7:47 8:21 28:43
4-5
Robert Casadesus
Eugène Bigot
Orchestere Symphonique de Paris
French Columbia, heute: APR
1937
12:48 8:08 8:39 29:35
Orchestre de la Société des Concerts de Conservatoire de Paris
Documents
1960 (?)
12.42 8.02 8.31 29:16
4
Robert Casadesus
Pierre Monteux
Orchestre National de France
Music and Arts
1958, live
12:27 7:46 8:15 28:28
4
Robert Casadesus
Hans Schmidt-Isserstedt
NDR-Sinfonieorchester
Tahra
1954, live
12:16 7:29 8:15 28:00
7. Live-Konzerte, mitgeschnitten bei Rundfunk-Sendungen, bisher auf Tonträger nicht veröffentlicht, verschiedentlich auch in den jeweiligen Mediatheken oder bei YouTube abrufbar.
5*
Lars Vogt
Alan Gilbert
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
BR
2015, live
13:14 6:19 8:27 28:00
5
Vikingur Ólafsson
Paavo Järvi
Philharmonia Orchestra
BBC, gehört auf YouTube
2021, live
13:03 7:47 8:50 29:40
5
Lars Vogt
Ion Marin
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
RBB
2016, live
13:14 6:32 8:25 28:11
5
Khatia Buniatishvili
Stanislaw Skrowaczewski
Deutsche Radio-Phiharmonie Saarbrücken Kaiserslautern
SR
2013, live
13:29 7:42 8:00 29:11
4-5
Radu Lupu
Kurt Sanderling
Berliner Philharmoniker
Deutschlandradio
1993, live
13:23 7:23 8:48 29:34
4-5
Radu Lupu
Christoph von Dohnanyi
NDR-Sinfonieorchester
NDR
2008, live
13:51 7:05 9:20 30:11
4-5
Rafal Blechacz
Kent Nagano
Deutsches Sinfonieorchester Berlin
BR
2023, live
13:45 7:10 8:07 29:02
4-5
Rudolf Buchbinder
Elim Chan
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
BR
2022, live
12:20 6:28 8:08 26:56
4-5
Kit Armstrong
Schumann-, Hermès- und Minetti Quartett, Konzertmeister und Stimmführer renommierter Orchester u.a. Jasmine Choi, Flöte; Ramon Ortega Quero, Oboe; Theo Plath, Fagott; Alessandro und Milena Viotti, Horn, Ben Griffith, Bass, Jonathan Klein und Gregor Zayer, Trompete, Lars Rupp, Pauke und Andrej Bielow als Konzertmeister
BR
2024, live
16:00 6:34 9:17 31:51
4
Elisabetha Leonskaja
Jan Willem de Vriend
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Deutschlandradio
2025, live
13:56 7:36 9:55 31:27
3-4
Daniel Barenboim
Wiener Philharmoniker
ORF
2021, live
14:37 7:22 9:38 31:37
Die Rezensionen im Detail:
1. Die klassischen Aufnahmen in Stereo-Technik: 48
2. Der Pianist als sein eigener Dirigent (wie einst Mozart selbst): 21
3. Einspielungen die den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis folgen und „Originalinstrumente“ der Mozart-Zeit nutzen: 8
4. Einspielungen, die mehr oder weniger stark Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis mit in ihr Spiel einfließen lassen, jedoch „modernes“ Instrumentarium nutzen: 14
5. Historische Aufnahmen in Mono-Technik: 17
6. Einspielungen von Robert Casadesus, der das Konzert als sein „Lieblingsstück“ bezeichnete und entsprechend oft spielte: 10
7. Live-Konzerte, mitgeschnitten bei Rundfunk-Sendungen, bisher auf Tonträger nicht veröffentlicht: 11
1. Die klassischen Aufnahmen in Stereo-Technik:
5
Clifford Curzon
Istvan Kertesz
London Symphony Orchestra
Decca
1967
13:08 4:41 8:45 29:34
Clifford Curzons Aufnahme gehörte zu den vier Konzerten, die eigentlich den Beginn einer Gesamtaufnahme aller Klavierkonzerte hätten markieren sollen. Mr. Curzon empfand jedoch nur die Konzerte KV 488 und KV 491 als gelungen und veröffentlichungsreif. KV 537 und KV 595 fanden hingegen nicht seine Zustimmung. Das gleiche Schicksal, das zuvor bereits viele seiner Einspielungen bei Decca getroffen hatte. Curzon entschied nicht aus einer divenhaften Laune heraus und er bedauerte es aufrichtig, dass er Schwierigkeiten machte, er hatte die aufrichtige Empfindung, dass ihm bessere Aufnahmen möglich seien. Seine Einschätzung bei KV 491, dass ihm dies kaum noch möglich sein werde, können wir nur unterstreichen: Wie sollte sie noch überbietbar sein?
Dieses Mal haben wir Glück, dass die Aufnahme freigegeben wurde. Bei KV 595 (siehe: www.klassik-kompass.de/mozart/mozart-27-klavierkonzert-b-dur-kv-595) war das nicht so, wir hatten deshalb aber immerhin eine schöne Geschichte zu erzählen.
Auch beim c-Moll-Konzert liegen uns vier Aufnahmen des Pianisten vor, die im Laufe der Liste noch erscheinen werden. Der 67er Jahrgang gewinnt (bei uns zumindest) „das Rennen“ um den Lorbeerkranz der besten Einspielung des Pianisten.
Das nach heutiger Hörgewohnheit nicht gerade besonders schmal besetzte Orchester beginnt schon aufgeregt, dynamisch, kämpferisch, bedrohlich. Die Bläser erscheinen bereits sehr gut hervorgehoben, wobei man die Oboe leider immer noch als relativen Schwachpunkt im Bläsersatz ausmachen kann. Kaum je hat man die Kontraste zwischen p und f so stark kontrastiert gehört, jedenfalls nicht bis 1967. Fast plakativ-krachend, in jedem Fall jedoch opernhaft-drastisch. Das Orchester, zumindest immer pulsierend, scheint in den entsprechenden Abschnitten durchgehend unter Strom zu stehen, bisweilen gar wütend oder aufgebracht. Und das in einer Zeit als von HIP noch keine Rede war. Soll man da etwa an Graf Arco denken? Wir erinnern uns, das war der, der Moazrt den „Geheiß in den Allerwertesten“ verpasst hat.
Sir Clifford (seit 1977 geadelt) involviert ungemein mit seiner „sprechenden“ Erzählweise, seinem perfekten Anschlag und der lebendigen, präzisen Phrasierung. Sagenhaft detailreich, anmutig aber immer auch bewegt wirkt sein Spiel. Die Kadenz ist von Marius Flothuis, einem Amsterdamer Komponist und Musikwissenschaftler, der lange Zeit auch Direktor des Amsterdamer Concertgebouw-Orchesters war. Mit Alfred Brendel scheint uns Sir Clifford einer der wenigen zu sein, der seine Kadenz über die Jahre auch mal variierte. Anders als Brendel, der sie selbst komponierte, nutzte er jedoch die von guten Bekannten. Das Zusammenspiel erfolgt nahtlos und getragen von höchster Aufmerksamkeit.
Im zweiten Satz findet der Brite zu einer innigen, natürlich-dezent wirkenden Spielweise. Jeder Ton sitzt so als müsse er genauso erklingen und nicht anders. Das Holz des LSO spielt „beseelt“ und sogar die Oboe, die in der Lage wäre jede Stimmung durch den harten, kantigen Klang zu durchschneiden, hört sich gemäßigt an, viel leiser und gefühlvoller als man es in der Aufnahme mit Previn und Boult hören kann (EMI, 1973). Anscheinend wurde auch sie von der Poesie Curzons verzaubert.
Der dritte Satz erklingt besonders klar, verhalten und distinguiert aber doch von enormer Energie durchglüht. Die Technik Curzons kann man nur als makellos bezeichnen. Sie spielt sich bei aller Virtuosität nie in den Vordergrund und bleibt immer nur Mittel zum Zweck. Seine Rhythmik wirkt federnd. Die einzelnen Variationen werden scharf und markant charakterisiert. Besonders angetan waren wir vom warmen Klang des Flügels und vom herzerwärmenden Spiel des Pianisten, was manche Trostlosigkeit erheblich mildert. Man hinterfragt die fatalistische Ausweglosigkeit, die uns Mozart mit diesem Werk vorstellt und der er dieses Mal mit seinen Mitteln nicht beizukommen scheint. Dank Curzon ergeben sich jedoch zwischendurch besonders erwärmende Lichtblicke.
Der Klang der Aufnahme bietet ein weites Panorama, wirkt offen, plastisch und lebendig, weich, rund und brillant. Das Orchester ungleich dynamischer und exzellent gestaffelt. Die ältere Mono-Aufnahme aus den 50ern legt man da sogleich ad acta. Der Flügel tritt deutlich hervor, wirkt warm und natürlich, ist nicht von bei Mozart doch eher ungebührlicher Über-Brillanz geplagt und erscheint immer noch gut ins Orchester eingebettet. Nie übertönt man sich gegenseitig. So wie es sich bei einem gepflegten Gespräch unter Freunden gehört. Der analoge Gesamtklang wirkt sinnlich und erscheint in bester Decca-Tradition der 60er Jahre.
5
Christian Zacharias
Günter Wand
NDR-Sinfonieorchester (heute NDR-Elbphilharmonie-Orchester)
EMI
1986
13:34 7:40 9:26 30:40
Auch von Herr Zacharias gibt es zwei Einspielungen von KV 491, jeweils Teil von Gesamtaufnahmen der Klavierkonzerte. In der zweiten dirigierte er selbst von Klavier aus das Orchestre de Chambre de Lausanne, eine Einspielung die – obwohl keineswegs misslungen - gegenüber dieser in allen Belangen zurückstehen muss.
Zacharias war bei der Einspielung im Großen Musikstudio des NDR 46 Jahre jung. Das Orchester wirkt groß und klingt auch mächtig, strahlt Autorität aus. Nichtsdestotrotz erklingt es sehr gut durchgezeichnet, der Gestus erregt und aufbrausend, aber nicht wild.
Herr Zacharias hat starke Kontraste in der Dynamik zur Hand und seine flexibel wirkende Phrasierung baut viel Spannung auf. Sein Klang wirkt kernig, doch voll. Seine Technik hervorragend, nie kleinlaut und immer ein echter Antagonist für das Orchester, ohne die Lyrik zu vernachlässigen. Die Läufe, die oft so steril und einförmig daherkommen wirken bei ihm wie mit prallem Leben gefüllt. Es entwickeln sich spannende Dialoge und man konstatiert ein hervorragendes Miteinander. Man konzertiert mit Verve und höchster Aufmerksamkeit. Auch in den lyrischeren Passagen wird die Spannung gehalten. Kontraste werden voll ausgespielt, ohne aufzutrumpfen. Statt Show Business gibt es echte Grandezza und echtes Drama. Zacharias spielt eine eigene Kadenz (dieses Mal ohne direkte Anklänge an eine benachbarte Oper, in diesem Fall wäre es „Figaro“ gewesen, also keine „Zauberglöckchen“, keine Janitscharenmusik wie in seinen anderen Kadenzen). Stimmig spinnt er das Drama darin weiter.
Das Larghetto erklingt weder lasch noch übermäßig verträumt, das Tempo wirkt noch recht straff und wird mit Spannung erfüllt. Die Holzbläsergespräche werden nicht zu süßem Konfekt und verzärteln genau so wenig wie Zacharias´ Spiel. Die Nuancierungen wirken reichhaltig.
Auch im Allegretto werden sofort Spannung aufgebaut und Bögen gespannt. Sogar über die einzelnen Variationen hinweg. Das Holz klingt hervorragend und wirkt hellwach, was man bei diesem Orchester aus dem deutschen hohen Norden besonders erfreut zur Kenntnis nimmt. Die glänzende Pianistik wird in den Dienst der Musik gestellt. Zacharias lässt es sich nicht nehmen auch den dritten Satz mit einer Kadenz zu bereichern. Dies ist eine vom ersten bis zum letzten Ton beeindruckende Darbietung, die nicht nur die Gesamteinspielung von Herrn Zacharias krönt. Sie macht auf uns einen völlig vom Geist der Musik durchdrungenen Eindruck.
Der Klang der Einspielung wirkt groß und mächtig. Er bietet zwar wenig Tiefenstaffelung, wirkt jedoch transparent, sehr deutlich und saftig. Der Flügel bringt dieselben Qualitäten, wirkt körperhaft und bestens mit dem Orchester ausbalanciert. Er kommt zu keinen Überdeckungen. Von „Digitalitis“ kann trotz des Aufnahmedatums keine Rede sein. Die besonders dafür anfälligen Violinen wirken weder gläsern noch hart.
5
Alfred Brendel
Neville Marriner
Academy of Saint Martin in the Fields
Philips
1973
13:12 7:11 9:00 29:23
Von Alfred Brendel liegen ebenfalls mehrere Aufnahmen vor. Die 73er entstand in der Wembley Town Hall. Die vermeintlich erste bei Vox fehlt dieses Mal, weil er sich die GA damals mit Walter Klien teilen musste, der seinerseits KV 491 übernahm. Der 73er folgten dann noch eine mit Haitink und den Amsterdamern (live, nur in einer dicken Box) und mit Mackerras und dem Scottish Chamber Orchestra. Wenn man die Aufnahme mit Mackerras zuerst gehört haben sollte, könnte man annehmen der Einspielung mit Marriner könnte es an Charme oder Humor fehlen oder die Aufnahme könnte etwas mehr aristokratische Ernsthaftigkeit vertragen. Mit Marriner hört sich (nicht nur der Orchesterpart, sondern auch der Flügel Brendels) energischer und spritziger an. Es ergibt sich sogar eine gewisse Atemlosigkeit, die wir als sehr aufregend empfanden. Das Holz erhält eine sagenhafte Präsenz und Transparenz, das war für 1973 geradezu sensationell bei einem Mozart-Klavierkonzert. Wie man sich da die Bälle zuwarf, das war bis dahin ungehört und kann sich auch heute noch mehr als hören lassen. Die Qualität der Holzbläser war staunenswert, besonders lebendig und die Streicher wirken ebenfalls erheblich quicklebendiger als bei Mackerras. Wer es schwermütiger mag, ist bei Mackerras besser dran. Brendel selbst passt sich der Orchesterqualität gewissermaßen an (vielleicht war es auch umgekehrt?), spielt mit weiter Dynamik, prägnanter Artikulation, Verve und einem zwar nicht besonders warmen, aber doch klaren Klang. Rein pianistisch würden wir Clifford Curzons Spiel bevorzugen, es wirkt noch mehr von jeglichen manuellen Hürden befreit, die man bei Brendel in letzter Instanz noch bemerkt. Das „Concertare“ erklingt mit höchster Aufmerksamkeit und die Stimmen sind hervorragend eng miteinander verwoben. Das Spiel zeichnet sich durch große Entschlossenheit und direktem Zugriff aus. Man verhehlt dabei den „Ernst der Lage“ nicht, weist aber auch nicht mit dem Zaunpfahl darauf hin. Die eigene Kadenz wird von Brendel mit großer Spielfreude vorgetragen.
Beim Larghetto ziert Brendel aus, z.B bei Fermaten oder auch bei den Eingängen. Der Ton bei ihm und beim Orchester erscheint nun durchaus warm und vor allem kantabel. Die bei Brendel nicht selten zu beobachtenden nachdenkliche Komponente beim Musizieren führt hier zu einem gewissen (leichten) Romantisieren, dem das zügige Tempo jedoch zugleich bereits wieder entgegenwirkt. Auch der sogenannte langsame Satz verströmt hier noch eine enorme Energie. Der Klang des Flügels wirkt wunderbar tragend, ja schwerelos und enorm farbig. Das Holz wirkt bestechend klar und intonationssicher. Hier hat man keinen Sinn für Selbstmitleid.
Im Allegretto herrscht mehr Drang und mehr Frische als in der späteren Brendel-Aufnahme mit Mackerras. Das Spiel wirkt spontaner, wenngleich immer noch gepflegt, stets sprechend und hellwach. Bestechend an dieser Einspielung ist immer wieder das quicklebendige Concertare von Brendel und dem Orchester (herauszuheben: das Holz), als ob man das Werk gerade erst entdeckt hätte. Die dunklen Komponenten des Satzes kommen in der Mackerras-Einspielung zweifellos deutlicher heraus.
Der Klang der Aufnahme wurde verschiedentlich kritisiert. Wir hören eine angenehme Räumlichkeit und eine hervorragende Ortbarkeit aller Instrumente und -gruppen. Er erscheint klar, präsent und doch ausgewogen. Man spielt bestens ausbalanciert. Die Streicher sind räumlich gut getrennt, was der Transparenz sehr zugute kommt. Der Gesamtklang ist weich, recht voll, nie füllig, lebendig, sehr brillant und doch noch warm getönt. Er füllt den ganzen heimischen Klangraum, wirkt lebendig und ausgiebig dynamisch. Das waren die allerbesten Analog-Zeiten bei Philips.
5
Alfred Brendel
Sir Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Philipps
1998
13:21 7:00 9:03 29:24
Dieses Mal wurde in der Usher Hall in Edinburgh aufgenommen. 25 Jahre sind es seit der ersten Philipps-Aufnahme her. Aus dem 42jährigen ist nun ein 67jähriger geworden. Ein wenig „gealtert“ oder besser gereift ist auch die Darbietung von Mozarts KV 491. Der erste Satz wirkt nun nicht mehr so aufregend, sondern viel mehr unterschwellig bedrohlich. Im Ganzen abgedämpfter, vielleicht mit noch mehr Schattierungen versehen. Die Streicher klingen nun weicher, wärmer, weniger filigran, mit weniger Verve. Das Holz nicht mehr mit der „attackigen“ Dialogbereitschaft. Das Blech allerdings wird erheblich deutlicher betont und man hört nun, dass es durchaus was zu sagen hat und nicht versteckt werden darf. Auf einmal wird man ganz deutlich an Mozarts „Requiem“ erinnert. Eine Erkenntnis, die man den Errungenschaften der HIP zu verdanken hat, der man sich nicht verschlossen hat und an der man durchaus partizipiert. Eigentlich könnte man diese Einspielung genauso gut in die entsprechende Rubrik eintragen, dann wäre sie aber so weit von den anderen beiden Brendel-Einspielungen entfernt. Brendels Spiel wirkt noch geschmeidiger, sanfter und sogar voller im Klang, der Nuancenreichtum erscheint nochmals gesteigert, genau wie die Klangfülle. Letzteres könnte genauso allerdings auch von der Aufnahmedisposition herrühren. Dagegen wirkt das Spiel nicht mehr so quicklebendig und offensiv ausgerichtet, auch nicht mehr so kontrastreich. Der Gestus wirkt erheblich eingedunkelt, was vor allem am Orchesterklang liegen mag. Brendels eigene Kadenz fügt sich vielleicht noch etwas stimmiger in den Gesamtzusammenhang ein. In der 73er Aufnahme wird sie jedoch, so haben wir es gehört, noch atemberaubender gespielt. Das Zusammenspiel mit dem Orchester erfolgt erneut nahtlos, der Klang des Klaviers ist mehr in den Orchesterklang eingewoben. Der Flügel steht nun scheinbar nicht mehr so brillant vor dem allerdings ebenfalls brillanten Orchester wie anno 73. Also insgesamt dunkler, schicksalsschwerer mit einem nun bedrohlich wirkenden Blech.
Das Larghetto zeigt die Partner in einem mehr ineinanderfließenden Klanggewebe. Das Holz wirkt dabei wie bereits im ersten Satz ebenfalls brillant, jedoch nicht mehr so spielfreudig, anspringend oder auch dialogfreudig. Brendel selbst spielt eher noch finessenreicher als zuvor. Das Ganze wirkt nicht mehr so hell, luzide. Serenadenhaft ja, sogar noch etwas zügiger als ´73, jedoch nicht mehr so prickelnd. Insgesamt wirkt der Kontrast zum ersten Satz ein wenig abgemildert. Trösten können die Darbietungen in beiden Jahrgängen.
Im Allegretto hören wir einen sehr geschliffenen Dialog, minimal gediegener, manche würden auch meinen „behäbiger“ als ´73. Mehr Esprit also in der alten Aufnahme. Ja in jedem Fall, aber was ist dem Satz angemessener? Das Marschartige wird schön deutlich, genau wie das Humorige, für das Mozart immer noch Zeit findet, indes es führt nicht mehr aus der Moll-Kalamität hinaus. Die Bläser des SCO unterstreichen das alles delikat. Die kurze Kadenz, die sich Brendel für den dritten Satz hat einfallen lassen (das machen längst nicht alle) passt, wie wir meinen, sehr gut. Da liegt in der Kürze die Würze. Das Ende wirkt dieses Mal eher tragisch-schockhaft als zuvor. Ein sehr heftig angestimmtes Schlusstutti ohne Klavier im ausweglosen Moll. So wird hier die Tür zugeschlagen. Nichts geht mehr.
Das Klangbild ist nun fülliger geworden. Die Bläser wirken etwas distanzierter. Im Ganzen ist die Aufnahme nicht mehr so trennscharf, man bietet dem Hörer eher einen wohligen Schmelzklang an. Das Klangbild wirkt etwas größer und massiver, lange nicht mehr so schlank und sehnig, dafür wird mehr Raumtiefe geboten. Beide Einspielungen sind es wert gehört zu werden, sie könnten unterschiedlicher kaum sein, eigentlich ergänzen sie sich so gut, dass man auf keine verzichten möchte.
5
Alfred Brendel
Bernard Haitink
Concertgebouw-Orchester Amsterdam
RCO Live
1984, live
13:29 7:43 8:51 30:03
Alfred Brendel und Bernard Haitink haben viel und nahezu lebenslang miteinander konzertiert, beide wohn(t)en in London, was dies vielleicht noch begünstigt haben mag. Diese Aufnahme, im Concertgebouw entstanden und aus der Box The Radio Legacy 1980-1990 entnommen, steht ungefähr zwischen den beiden anderen Einspielungen, zeitlich, aber auch aus interpretatorischer Sicht. Die Orchesterexposition wirkt entschieden, fast schon heftig. Das Orchester wirkt noch deutlich größer besetzt als bei ASMF und SCO. Die Holz-Bläser erscheinen nicht so exponiert (das Blech sowieso nicht), die Streicher dominieren etwas deutlicher, obwohl das Concertare nicht zu kurz kommt. Brendels Flügel klingt sehr gut, klar, voll und gar nicht hart. Das Tragische des Stückes wird deutlich und prägnant ausgespielt, noch stärker als in London und in Schottland. Das Orchester wirkt noch mächtiger (nicht aufgeblasen) sodass man ihm die Machtposition gegenüber dem kleinen einzelnen Instrument sofort abnimmt. Wobei Brendels Flügel alles andere als schmächtig erscheint. Das Orchester spielt geschmeidig und aufmerksam, es wirkt, was man angesichts der Größe vielleicht annehmen könnte, absolut nicht plump.
Brendels Flügel und sein Spiel klingen im zweiten Satz noch eher nach London als nach Edinburgh. Das Amsterdamer Holz wirkt sehr geschmeidig und als hochmotivierter Gesprächspartner. Man freut sich besonders über die Äquilibristik, die das Fagott erreicht. Zuallermeist steht es den anderen Solo-Bläsern nach. Völlige Gleichberechtigung erscheint erreicht. Ein demokratisches Miteinander wird hier gepflegt, auf höchstem Niveau. Die Wirkung ist jedoch erstaunlich weniger licht als 1973, die Seufzer kommen deutlicher hervor. Minimale Ungenauigkeiten im Zusammenspiel. Ist ja auch eine Rundfunk-Direktübertragung, sehr wahrscheinlich ohne Schnittmöglichkeit.
Im dritten Satz sehen sich pointiertes Klavierspiel und bestechend schönes Orchesterspiel gegenüber. Schwebend und lange nicht so eingedunkelt als in Edinburgh, fast erreicht man den Esprit von 1973. Ganz so quicklebendig und so hyperkommunikativ wie die Academy sind die Amsterdamer dann aber doch nicht, live will man auch nicht jedes Risiko eingehen. Diese Aufnahme nimmt so gut wie in Allem eine Mittelposition zwischen den beiden Studioaufnahmen ein. Wer das Dunkle und Tragische in dem Konzert besonders favorisiert heraushören möchte ist mit der 98er aus Edinburgh am besten dran. Wer es heller, lichter, sportlicher und die aristokratische Durchdringung noch etwas frischer und kraftvoller mag, sollte zur 73er greifen. ´84 steht genau dazwischen. Wer die Wahl hat…
Die Aufnahme ist für einen Rundfunk-Konzertmitschnitt sehr gut gelungen. Er wirkt klar, räumlich, dreidimensional, sogar plastisch. Der Flügel kommt deutlich zur Geltung, wird aber nicht überproportional hervorgehoben. Die Balance ist gut, wenn man das groß besetzte Streicherkorps nimmt, sogar sehr gelungen. Wir hören ein schönes, großes, breites und tiefes Klangbild. Nur vereinzelte Huster.
5
Glenn Gould
Walter Süsskind
CBC Symphony Orchestra
CBS-Sony
1961
14:24 8:08 8:54 31:26
Wer die Aufnahmen der Klaviersonaten Mozarts von Glenn Gould kennt, wird sich wundern, dass seine Einspielung von KV 491 so weit oben in unserer Liste platziert wird. Er spielte die Sonaten nämlich, wie wir annehmen, so schlecht, damit man doch bitteschön erkennen möge, warum er Mozart für einen schlechten Komponist hält. Nur als ein Beweis seiner Behauptung also. Irgendwas stimmt da doch nicht, denn mit was Schlechtem würde man sich doch eigentlich gar nicht abgeben wollen und seine kostbare Zeit lieber mit etwas verbringen vor dem man Hochachtung hat oder bei dem man einen gewissen „Gewinn“ verspürt. Prodesse et delectare. Passend haben wir Goulds Zeilen zum Klavierkonzert Nr. 24 gefunden: „Trotz seiner sanft-schwindelnden, ekstatischen Melodien, trotz seiner stabilen und architektonisch tadellosen Form ist das c-Moll-Konzert ein exzellentes Beispiel meiner Behauptung, dass Mozart kein besonders guter Komponist war.“ Angesichts einer reichen „Schlange“ von Bewunderern Mozarts, die da auf der anderen Seite stehen: Haydn, Beethoven, Kierkegaard, Goethe, Mendelssohn, Chopin, Nietzsche, Debussy, Ravel, Britten…Auf welcher Seite steht es sich da wohl treffsicherer, Mister Gould?
Irgendwas scheint dann auch bei der Aufnahme „schief“ gelaufen zu sein, denn Herr Gould gibt sich große Mühe, das Werk in all seinen Facetten zur Geltung zu bringen und ist auch noch ziemlich erfolgreich dabei. Es gibt übrigens noch eine Live-Aufnahme aus dem gleichen Jahr mit Bernstein aus New York, bei der aber klanglich nicht viel zusammenpasst.
Diese Aufnahme entstand in der Massey Hall in Toronto. Das Holz spielt besser und klingt homogener als in New York, die Oboe weniger schalmeienhaft. Sie ist zwar im Bläsersatz deutlich führend, klingt aber kultivierter. Die Orchesterexposition klingt fast so schwer und gewaltig wie bei Bernstein, jedoch viel transparenter und ebenfalls emotional aufgeladen und angetrieben. Der Pianist raunzt und stöhnt teilweise recht laut mit, das Spiel des Orchesters wirkt pointiert. Gould spielt nicht trocken oder staccato-affin über alle Massen wie bei den Sonaten. Herr Süsskind scheint eine mitreißende Wirkung auf den Solisten und das Orchester ausgeübt zu haben. Mitunter auch befeuernd, aber auch ausgleichend, denn Gould Arpeggien wirken weder durchgepeitscht noch staubtrocken. Die Kadenz gefällt, sie ist keine Karikatur, wie man es vielleicht hätte erwarten können und sie wird besser gespielt als in New York.
Das Larghetto erhält ein etwas breiteres Tempo und wird von Gould mit einem tragenden, sehr großen und recht brillanten Ton vorgetragen. So als würde man aus voller Brust singen. Wer hätte das gedacht? Er zieht öfter mal die linke Hand vor (der rechten, zeitlich gesehen) und lässt auch mal gerne das Pedal liegen, genauso wie er Arpeggien hören lässt, die man sonst nicht hört. Das Orchester toppt den Pianisten sogar noch und spielt sehr empathisch. Das Spiel wirkt ausgesprochen hellhörig und die Technik bringt jede Kleinigkeit zu Gehör. Man wünschte sich nur, Herr Gould hätte zu seinem Spiel nicht auch noch mitgesungen, denn es passt nicht gerade gut zusammen. Es hat sich wohl niemand getraut ihn darauf aufmerksam zu machen (vielleicht war selbiges auch zwecklos?). Eine ungewöhnliche Darbietung, die aber nicht um jeden Preis ungewöhnlich sein möchte. Eher im Sinne von unorthodox. Man vermeidet geschickt ein Übermaß an Leichtigkeit und lässt die Musik reichhaltig wirken. Sicher nicht jedermanns Geschmack, uns hat es aber sehr gefallen.
Das Allegretto ist bei Gould noch am „staccato-freundlichsten“. Er wirkt erstaunlich lebendig um nicht zu sagen temperamentvoll. Die Variationen werden scharf charakterisiert, der Marschcharakter wird deutlich herausgearbeitet. Eine gute Darbietung, deren Interpreten man unter normalen Umständen ein der Komposition besonders zugewandtes Verhältnis bescheinigen würde.
Die Aufnahme rauscht beträchtlich. Sie klingt viel besser als der Live-Mitschnitt aus New York aus demselben Jahr (bei den Mono-Einspielungen zu finden), ist sehr räumlich, zeigt das Orchester sehr transparent und den Flügel klar und deutlich vorm Orchester abgebildet. Das Holz ist recht brillant und ebenfalls deutlich zu vernehmen. Insgesamt ist es eine sehr plastische, sehr direkte und sehr präsente Aufnahme geworden, die Trockenheit jedoch geschickt vermeidet. Die verschiedenen CD-Umschnitte, die es mittlerweile gibt, klingen alle etwas unterschiedlich.
5
Ivan Moravec
Neville Marriner
Academy of St. Martin in the Fields
Hänssler, Piano Classics
1995
14:09 8:09 8:31 30:49
Diese Aufnahme entstand in der Henry Wood Hall in London. Die Academy lässt erneut einen schön kammermusikalischen Klang hören. Sie spielt jedoch nicht mehr so quirlig und lebendig wie in der Philips-Aufnahme mit Alfred Brendel von 1973, dafür noch etwas unerbittlicher, forschender und vor allem dunkler. Mit einem gewissen Raffinement, jedoch immer noch vornehmlich geradlinig. Moravec lässt einen hervorragend weichen und vollen Klavierklang hören mit guter Leuchtkraft, eher dunkel-sonor als hell und schlank. An Brillanz mangelt es nicht. Sein Spiel wirkt unaufgeregt, stets spannend und folgerichtig, immer wird auf dem vorherigen aufgebaut und wunderbar fließend. „Flüssig wie Öl“, wie Mozart zu seinem eigenen Spiel einmal gesagt haben soll, wenn es ihm gut gefallen hat. Wir haben Moravecs Einspielung nach derjenigen von Lang Lang gehört: Da tun sich Welten auf, gerade was den Differenzierungsreichtum anlangt. Moravec und Marriner scheinen auf einer Wellenlänge zu liegen. Ivan Moravec hat sich die Kadenz von Edwin Fischer ausgewählt, die nicht zu virtuos erscheint und immer als erfreulich anders erscheint, wenn man sie einmal zu hören bekommt. Sie wirkt kraftvoll. Moravec hat sie sich noch ein bisschen arrangiert. Wir empfinden sie als passend. Moravec hat die „Mitte“ des Mozartspiels erreicht.
Im Larghetto passen der Klang der Academy mit ihrem sinnlich-warmen Klang und den erneut fantastischen Holzbläsern und der Klang von Herrn Moravecs Flügel einfach wundervoll zusammen. Er geizt nicht mit delikat gefeilten Delikatessen und kombiniert sie mit dem vollen und sonoren Klang seines Flügels zu einem großzügig wirkenden, sehr ausdrucksvollen, strömenden Spiel. Eine Romanze nicht ohne Schmerz.
Im Allegretto zeigen sich Moravec und die Academy super dynamisch, enorm detailreich und rhythmisch schwungvoll. Zudem immer spannend. Das Spiel und der Klang strahlen viel Wärme aus und wirkt immer stimmig. Bei den fatalistischen Umständen, die die Komposition uns zeigt, ein nicht zu unterschätzender Trost.
Der Klang der Aufnahme ist durchaus transparent, dies ist jedoch nicht seine vordringliche Eigenschaft. Er wirkt weich, nicht übermäßig großräumig, aber auch nicht kompakt. Der Klavierklang wirkt leuchtend, die Balance zum Orchester ist stimmig, das Orchester könnte jedoch noch besser gestaffelt sein. Die Aufnahme liegt in ihrem Charakter in etwa zwischen der 73er Marriner und der 98er mit Mackerras (beide mit Brendel). Nachteil ist die größere Distanz der Holzbläser, was sich auf ihre Dialogfähigkeiten jedoch nur wenig auswirkt. Die Philips von ´73 wirkt da jedoch nahezu ultimativ. Die Brillanz der Hänssler wirkt zudem viel unauffälliger.
5
Eric Heidsieck
Hans Graf
Mozarteum-Orchester Salzburg
Victor Entertainment, Wiederauflage einer JVC
2009
14:26 8:32 9:12 32:10
Nicht zu Unrecht denkt man, wenn man den Namen des Pianisten hört sofort an die Champagner-Marke, es besteht ein verwandtschaftliches Verhältnis, dem wir jedoch nicht genau auf den Grund gegangen sind. Der Pianist wurde 1936 in Reims, der Stadt des Champagner geboren, war also zur Zeit der Aufnahme bereits 73 Jahre alt. Er hat das Konzert wie viele andere Mozart-Konzerte auch bereits in den späten 50ern für EMI eingespielt und dafür 1959 den Grand Prix du Disque erhalten. André Vandernoot leitete damals das Orchestre du Conservatoire du Paris. Leider hatten wir auf diese Einspielung keinen Zugriff. Die neuere Einspielung hat in der Diskographie des Werkes kaum Spuren hinterlassen, völlig zu Unrecht. Sie wurde bisher anscheinend nur in Japan vertrieben, was den Umstand erklärt.
Eric Heidsick, die wenigsten werden ihn noch kennen (vor allem die Nichtfranzosen und Nichtjapaner nicht) war Schüler von Alfred Cortot und Wilhelm Kempff. Von 1980-1998 war er Professor am Conservatoire National Supérieur in Lyon.
Der erste Satz beginnt in einem maßvollen Tempo. Das Orchester präsentiert sich frischer und etwas kraftvoller als in der Einspielung mit Karl Engel und Leopold Hager. Der französische Pianist bricht den Klavierpart merklich durch gekonnte Phrasierungsdetails und seine beträchtliche Nuancierungskunst im Dynamischen auf. Linke und rechte Hand werden besonders kontrastreich voneinander abgesetzt, was zu einem besonders bewegten und lebendig wirkenden Spiel beiträgt. Dazu gesellen sich noch mitunter recht deutliche agogische Verzögerungen. Monsieur Heidsieck spielt eine eigene Kadenz, verträumt, melancholisch, gedankenvoll, z.T. auch stürmisch. Sie dürfte von allen mit zu den ausgedehntesten gehören, was sich bei der Spieldauer des ersten Satzes natürlich bemerkbar macht. Wenn uns die Erinnerung nicht täuscht, erschien nur die Kadenz von Vikingur Ólafsson und vor allem von Kit Armstrong (beide bei den Radio-Mitschnitten zu finden) ähnliche Dimensionen zu haben.
Im Larghetto triumphiert der klare und ruhevolle Anschlag des Pianisten. Der Klang wirkt eher hell, als dunkel-sonor. Die Auszierungen gefallen nicht nur bei den Eingängen besonders gut. Das eloquente und klangschöne Holz klingt nun erheblich präsenter als im ersten Satz. Dieser Orchesterteil dürfte gegenüber der Engel/Hager-Einspielung besonders „zugelegt“ haben.
Im dritten Satz wird man immer wieder besonders sinnfällig herausgestellter, plastischer Phrasierungsdetails gewahr. Besonders klar und deutlich nimmt das Spiel des Pianisten für sich ein, zudem ist es mit einigem Schwung versehen. Unverzagt spielt Monsieur Heidsieck gegen die Ausweglosigkeit des Daseins an. Diese Einspielung machte auf uns durch ihre originelle (aber zugleich notentextbezogene) und lebendige Herangehensweise einigen Eindruck. Da spürt man auf unverbrauchte und recht spontan wirkende Art einen immensen Erfahrungsschatz in Sachen Mozart.
Die Aufnahme wirkt recht hell und transparent, kommt in Sachen Fülle und Rundung an die neuere Aufnahme aus Saint Louis mit Shaham und Robinson jedoch nicht heran. Sie klingt jedoch brillanter. Die Balance zwischen Flügel und Orchester wirkt geglückt. Das Orchester könnte etwas homogener klingen, vor allem die Violinen wirken ein wenig dünn.
5
Walter Klien
Peter Maag
Orchester der Wiener Volksoper
Vox
1969
13:46 7:16 9:17 30:19
In den 60ern hat Walter Klien gemeinsam mit Alfred Brendel eine Gesamtaufnahme der Mozart-Klavierkonzerte für Vox erarbeitet. Verschiedene Dirigenten waren daran beteiligt und meist Wiener Orchester, nicht zuletzt, weil Mozart ebenfalls Österreicher war und man vielfach davon ausgegangen ist, dass Landsleute die Musik von Landsleuten besser verstehen, aber auch weil man in Wien damals noch recht preisgünstig produzieren konnte. Dieses Mal war das Orchester der Wiener Volksoper mit von der Partie, mit hell und hart klingenden Violinen aber bereits recht transparent sogar im Tutti. Die heute gewohnte Fülle im Klang fehlt hingegen noch. Man spielt jedoch gefühlvoll und das Wiener Holz ist weder zu zurückhaltend, noch drängelt es sich vor. Die Oboe damals noch hart und dünn wirkt in diesem Umfeld sogar ganz angemessen, um nicht zu sagen authentisch. Sie beherrscht den Holzbläsersatz keineswegs. Peter Maag zeigt ein besonderes Verständnis für die Individualität des Werkes, was man an der geglückten Balance zwischen Dunkelheit und Lebendigkeit bemerken kann. Die Dramatik wirkt deutlich aber nicht zugespitzt. Walter Kliens Flügel klingt bereits erstaunlich körperhaft und brillant. Die Phrasierung wirkt auf uns sehr gefühlvoll, sie dient einem sehr ausdrucksvollen, wie schwebendem Spiel. Der Anschlag wirkt wunderbar klar. Die Kadenz stammt von einem nicht genannten Komponisten, wir vermuten von Herrn Klien selbst. Die Einspielung erinnerte uns an die Aufnahme mit Gieseking und Karajan. Es wird insgesamt ein stimmiges Ineins von Klassik und Romantik getroffen.
Das Larghetto wirkt zügig und unsentimental. Das Orchester überrascht mit erstaunlich ausdrucksvollem und präzisem Spiel, wie man es von der Kenntnis anderer Aufnahmen her nicht unbedingt erwarten konnte. Klien spielt stilvoll und kultiviert. Sein Spiel strahlt trotz des recht zügigen Tempos Wärme und Zuversicht aus.
Im Allegretto entwickeln die Musiker enorme Mitteilungsfreude, Durchzugskraft und Dringlichkeit. Das korrespondiert alles wunderbar. Vor allem das als eher provinziell eingeschätzte (es ist nicht zu verwechseln mit dem Orchester der Wiener Staatoper oder gar mit den Philharmonikern) Orchester überrascht mit Spielfreude und Mozart-Kompetenz. Es gefällt uns auf dieser Aufnahme viel besser als das Lamoureux-Orchester in der nachfolgenden Einspielung mit Clara Haskil und Igor Markewitsch, weshalb wir die Einspielung auch eine Kategorie höher eingeordnet haben, obwohl die Pianistin unbedingt in die höchste Kategorie gehört hätte.
4-5
Clara Haskil
Igor Markewitsch
Orchestre des Concerts Lamoureux, Paris
Philips
1960
13:09 7:13 8:56 29:18
Diese Aufnahme entstand im Maison de la Chimie in Paris einen Monat vor dem Tod der Pianistin infolge eines Treppensturzes im Brüsseler Bahnhof. Das Orchester entwickelt wie in der Aufnahme Haskils mit André Cluytens für damalige Verhältnisse eine sehr deutliche Pauke. Der Bläsersatz wirkt unausgewogen, die Flöte sehr gut, die Klarinette gut, die Oboe sehr mäßig, denn sie dominiert dünn und hart unbotmäßig den Gesamtklang. Die Bläser gehen viel weniger offensiv konzertierend in den Dialog mit der Pianistin. Die Marriner -Aufnahme von 1973 ist da bei weitem noch nicht in Sicht. Das Interagieren untereinander klappt hingegen schon ganz gut. Es entwickelt sich keine „Kampfeslust“, man steht viel weniger unter Strom als 1955 (Haskil mit Cluytens, bei den historischen Monos zu finden), obwohl Markewitsch noch nicht einmal lasch wirkt. Mehr Feingeist als Unerbittlichkeit. Das scheint auch auf die Pianistin abzufärben. Frau Haskil ist gegenüber der 55er Aufnahme mit Cluytens viel zurückhaltender, als ob es ihr nun an einer Art „Reinschrift“ gelegen wäre. Da ist viel Gefühl für die Linienführung, da werden flüssig perlende Ketten geknüpft. Die Entschlossenheit ist zwar da, aber nicht so sehr die Unerbittlichkeit. Immer noch gibt es bei ihr eine elektrisierende Spannung (mehr jedoch hört man davon 1955), die so sehr im Widerspruch zum kolportierten Erscheinungsbild der Pianistin zu stehen scheint (da erschien sie immer als klein, grau, bescheiden und kränklich, integer und vergeistigt). Auch ihre Kadenz spielt sie ergebener als ´55, brillant aber doch zurückgenommen, eigentlich passend zum Gestus des gerade gehörten ganzen ersten Satzes.
Das Larghetto wirkt serenadenhaft, leicht und recht transparent. Das Holz erscheint nun etwas stimmiger und agiert jetzt besser mit dem Flügel. Dennoch zieht das Orchester den Gesamtwert der Einspielung etwas nach unten, da es an das Spiel von Frau Haskil nicht heranreicht. Der Flügel wird hier übrigens dezenter aufgenommen als in der Mono-Einspielung von 1955, die zudem auch noch live erfolgte.
Im Allegretto zeigt Herr Markewitsch mehr Aplomb als im ersten, dennoch steht auch der dritte Satz diesbezüglich hinter der 55er zurück (die findet man bei den alten Mono-Aufnahmen eingeordnet).
Der Klang der Aufnahme wirkt fein, ausgewogen, transparent, gut ausbalanciert, recht plastisch jedoch weniger brillant (Röhrenaufnahmen waren in diesen Jahren noch üblich) und weniger dynamisch.
4-5
Annie Fischer
Efrem Kurtz
New Philharmonia Orchestra London
EMI
1966
13:46 8:21 8:22 30:29
Frau Fischer war bei dieser Einspielung 52 Jahre jung. Sie spielt das Stück noch etwas zügiger als in der späteren Live-Aufnahme aus Lugano. An die Über-Alles-Qualität, die uns bei ihrer Einspielung des 27. Klavierkonzertes B-Dur KV 595 so beeindruckt hat, kommt sie bei KV 491 nicht ganz heran. Das liegt auch schon an der sehr holzbläserfeindlichen Aufnahmetechnik, die die Violinen bevorzugt. Der Gestus in der Orchesterexposition wirkt aufgewühlt wobei sich besonders die Violinen mächtig ins Zeug legen. Die Oboe ist wie damals (leider beim Philharmonia) üblich weder warm noch freundlich gestimmt. Bei KV 491 ist das eine schwere Hypothek, den dialogisch oder solistisch hat die Oboe vieles und wichtiges zu sagen. Das Klavier wirkt dagegen sehr intim und gesanglich. Frau Fischer spielt mit brillantem Klang, besonders klar. Sie hat das Ganze im Auge, wie man an ihren übergreifenden Phrasierungen gut bemerken kann. In den großen Bögen kann sie die Spannung gut halten. Mit dem Orchester spricht sie sozusagen dieselbe Sprache, impulsiv, kotrastreich und zumeist unnachgiebig, mit ausladender Dynamik. Wie nicht wenige ihrer Kollegen bevorzugt Frau Fischer die Kadenz von Mozart-Schüler Johann Nepomuk Hummel, die sie mit feurigem Temperament und mit viel Leidenschaft spielt.
Im Larghetto wird der Flügel scheinbar näher herangezoomt. Das Orchester übrigens ebenso. Wahrscheinlich hat man den Aufnahmepegel einfach nur erhöht, da der Satz ausnehmend leise zu spielen ist. Die Phrasierung ist deutlich und prägnant. Frau Fischer belässt es bei Mozarts Einfachheit, es gelingt ihr jedoch zugleich tief zu loten. Dies ist kein Intermezzo, kein leichtes Zwischenspiel und wirkt auch kaum serenadenhaft.
Das Allegretto wirkt recht zügig, immer mit einem gewissen Drang und prägnanter Akzentuierung versehen. Die Spieltechnik wirkt wie speziell auf Mozart abgestimmt. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Clara Haskil kann man feststellen jedoch wirkt das Spiel von Frau Fischer nicht ganz so leicht und mühelos, während sie dagegen einen weiteren dynamischen Ambitus nutzt. In dieser ernsten Darbietung fallen nur wenige Lichtblicke ein.
Der Klang der Aufnahme wirkt leider ein wenig topfig. EMI-Aufnahmen aus dem Jahr 1966 hat man auch schon offener, transparenter und körperhafter gehört, den Flügel schon brillanter und weniger hart. Die Dynamik ist jedoch gut.
4-5
Clifford Curzon
Rafael Kubelik
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Audite
1970, live
13:29 7:56 9:33 30:58
Das Mozartspiel von Sir Clifford ist uns ja schon von der 67er Decca-Aufnahme mit Istvan Kertesz ein Begriff. Dank Rafael Kubelik und Audite weht hier nun noch deutlicher der Geist der Romantik. Das ist nun wirklich kein „Mozart-light“ mehr. Das Orchester wirkt wie das LSO stark besetzt und gut akzentuiert, jedoch nicht ganz so straff und farbig und zudem großformatiger, der Flügel von Sir Clifford klingt zwar typisch, wird jedoch mit zusätzlichem „Luftraum“ versehen, das Tempo einen Hauch langsamer, dazu bläst die Technik den Raum noch etwas auf, sodass man einen gewissen Zug ins „Bombastische“ bemerkt. Obwohl es dem Klavier weder an Nuancenreichtum, Wärme oder Herzlichkeit mangelt, an lyrischer Poesie ebenfalls nicht. Curzon spielt erneut die Kadenz von Marius Flothuis.
Im zweiten Satz bewundern wir besonders den tragenden Klang des Flügels. Der dritte wirkt wieder leicht problematisch, denn der Orchesterklang wirkt erneut etwas aufgeplüscht und aufgebauscht. Herausragend das Klavierspiel auch im knallvollen Herkulessaal, warm und kantabel.
Der Klang der Aufnahme bietet ein sehr großes, fast halliges Ambiente, sodass seine Wirkung fast schon romantisch mit einem Hang ins Bombastische wirkt, was man nicht gerade als passend für KV 491 empfindet. Ansonsten hören wir einen sehr guten Live-Klang der 70er Jahre. Frisch und luftig. In Sachen Wärme und Plastizität kommt die Aufnahme jedoch nicht an die Decca von 1967 heran. Das Klavier klingt jedoch großartig, ganz besonders im 2. Satz.
4-5
Rudolf Firkusny
Ernest Bour
Sinfonieorchester des SWF, Baden-Baden
Intercord, Disky
1970er Jahre
12:36 7:30 9:04 29:10
Im Laufe der 70er Jahre wurden von den Herren Firkusny und Bour insgesamt zehn Klavierkonzerte Mozarts aufgenommen. KV 491 war eines davon. Ein genaueres AD konnte leider nicht ermittelt werden. Die Orchesterexposition erklingt zügig, großorchestral und dramatisch-aufgewühlt. Die Holzbläser sind hier noch keine hervorgehobenen Dialogpartner wie in einigen anderen Einspielungen der Zeit. Das Orchester deckt das Klavier im Verlauf, wenn dieses p zu spielen hat auch mal zu und das Klavier seinerseits verdeckt auch mal konzertierendes Holz. Da fehlte diesbezüglich noch eine gewisse Sensibilität. Und sei es nur bei der Orchesteraufstellung. Rudolf Firkusny ist ein kraftvoller, temperamentvoller Mozart-Interpret. Er zieht alle Register der Dynamik, die ein Steinway hervorzuzaubern vermag. Vor allem im f-Bereich. Dies geht dann auch schon einmal über das Mozartische f hinaus und weist bereits hinaus auf das romantische ff. Vom Rokoko-Mozart haben wir uns hier bereits spürbar entfernt und einen großen Schritt in Richtung Beethoven-Interpretation gemacht. Wir hören eine sehr engagierte beethoven-nahe Deutung des Pianisten, der das Orchester mitzureißen scheint. Vielleicht hat man sich auch gegenseitig „hochgepuscht“?
Im Larghetto kommen die Holzbläser sehr viel besser zur Geltung. Das Musizieren wirkt entspannt und serenadenhaft, beim Pianisten hingegen erstaunlich kraftvoll.
Hellwach, detailreich und präsent geht es im Allegretto weiter, im Tempo allerdings breiter als wir es von den ersten beiden Sätzen her vermutet hätten. Erneut spreizt Herr Firkusny die Dynamik ganz enorm. Es gibt feinere und graziler gespielte und aufgenommene Darbietungen des Werkes, aber kaum dynamischere oder kraftvollere. Dies ist eine charakterstarke, beethoven-nahe Sicht, wenn nicht sogar bereits aus dem Blickwinkel Johannes Brahms´ Werken her betrachtet. Jedenfalls klingt sie sehr leidenschaftlich.
Der Klang der Aufnahme wirkt breit, voll, bereits recht offen und recht transparent. Das Orchester wirkt etwas entfernt, der Flügel wirkt selbst groß und ziemlich laut mehr vom Orchester umschlossen als dass er davorstehen würde. Insgesamt wirkt der Gesamtklang noch etwas unfrei in den hohen Frequenzen. Der Flügel klingt jedoch brillant, im Vergleich brillanter als das Orchester. Es gibt in seltenen Fällen gegenseitige Überdeckungen, die Transparenz erscheint also eingeschränkt. Für eine Funkaufnahme aus den 70ern (sie scheint nicht live aufgenommen worden zu sein) klingt sie erstaunlich dynamisch und farbig, aber noch ein wenig glasig.
4-5
Wilhelm Kempff
Ferdinand Leitner
Bamberger Symphoniker
DG, Praga
1960
13:09 7:00 10:13 30:22
Ferdinand Leitner lässt die Bamberger die Orchesterexposition dramatisch, leidenschaftlich und tief tragisch spielen, im weiteren Verlauf durchaus opernhaft, meist jedoch schicksalsschwer. Das Orchester wartet aber nicht nur mit einer der dramatischsten Einleitungen auf, sondern spielt auch kammermusikalisch dezent, mit einem schon erstaunlich nach Heute klingenden Holz. Der Satz wird aber vor allem auch durch das farbige Klavierspiel Wilhelm Kempfs geprägt. Da sind aber auch Läufe dabei, die geradezu „antibrillant“ wirken. Kempff wirkt insgesamt jedoch sehr flexibel im Dynamischen. Alles ohne falsche Bravour. Kempffs Kadenz wagt sich harmonisch in kühne Regionen vor, geht aber nicht so weit wie die von Artur Schnabel. Sehr interessant und leidenschaftlich vorgetragen. Romantisch im besten Sinne. Kempff komponierte, was man heute kaum noch weiß, vor dem Krieg viel und intensiv, sogar Opern sind dabei. Nach dem Krieg hat man sie wegen der unterschiedlichen Beziehungen Kempffs zum Nationalsozialismus jedoch gemieden, heute sind sie der Vergessenheit anheimgefallen.
Der zweite Satz gleicht einer pastoralen Bläserserenade unter Führung des Fagotts. Es wird zügig und variantenreich gespielt. Die Eingänge gestaltet Kempff als Minikadenzen aus. Ein Lächeln gibt es selten. Anrührend und variantenreich wirkt hier Kempffs Spiel, an Klarheit und Wärme ist es kaum zu überbieten. Die hohe Kunst des Pianospiels und des p-Spiels.
Das Allegretto fällt leider ein wenig ab. Es wirkt meist sehr bedächtig und bedauerlicherweise hat das bis hierhin hervorragend aufspielende Orchester nun plötzlich deutlich an Präsenz verloren. Vor allem die Violinen klingen nun dumpfer und gar nicht mehr so weich und rund wie bisher. Der Klavierklang hält noch besser durch. Kempff verfolgt kompromisslos seinen Weg. Er erweist sich als einer der dunkelsten. Trotz der langen Spieldauer hat der Satz keinerlei Längen. Fazit: Zwei hervorragend gelungene Sätze, leider gefolgt von einem irritierend abweichenden dritten. Wahrscheinlich resultierend aus aufnahmetechnisch unterschiedlich gelungenen verschiedenen Sessions.
Der Klang der Aufnahme darf in den besten beiden Sätzen als sehr gelungen bezeichnend werden. Sie wirkt ausgewogen, klar und warm. Auch transparent, jedoch mit einer geringen Staffelung versehen, also ziemlich flächig. Das ganze Instrumentarium scheint wie auf einer Ebene zu spielen. Der Flügel klingt hier ausgezeichnet. Im dritten Satz verspielt die Technik leider viel Qualität.
4-5
Mitsuko Uchida
Jeffrey Tate
English Chamber Orchestra
Philips
1988
14:05 8:12 9:08 31:25
Diese Aufnahme erfolgte in St. Johns, Smith Square in London. Eine hallige Kirchakustik wartet jedoch nicht auf uns. In dieser Einspielung scheint man sich zuerst einmal durch die Dunkelheit zu tasten. Der Gestus wirkt wenig impulsiv oder gar geschärft. Tate wirkt nicht langweilig, lässt es strömen, könnte aber durchaus mehr Spannung aufbauen. Die Oboe klingt noch recht hart, die Flöte trägt noch viel Vibrato auf und vom Blech hört man noch nichts. Nur vor der Kadenz dürfen die Hörner mal ordentlich ran. Von einer Orientierung an der HIP, was das AD durchaus schon hergeben würde, ist also noch nichts zu spüren. Mitsuko Uchidas Flügel klingt herausragend weich, voll und fein. Ihr Anschlag wirkt wohl geformt und schattierungsreich. Die Phrasierung singend, das Legato wohl abgerundet. Bei aller Brillanz hat der Klang jedoch noch eine gewisse Wärme parat. Ihr linke Hand wirkt pointiert, die Technik makellos. Es ist kein Wunder, dass Philipps bereit war so kurz nach Brendels Einspielungen eine zweite GA der Klavierkonzerte folgen zu lassen. Das partnerschaftlich orientierte Musizieren wird vor allem von der Pianistin zum Erfolg geführt. Sie sucht nie die offene Brillanz und stellt sich in den Dienst der Gemeinschaft, ohne allerdings ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Mozart verwechselt sie nicht mit Beethoven. Ihre eigene Kadenz, nicht auftrumpfend und hervorragend gespielt, versprüht keinerlei Zuversicht.
Das Larghetto zeigt es überdeutlich, welch ein Gewinn der Klang des Flügels für diese Einspielung ist. Schwebender und überhaupt schöner geht es kaum. Frau Uchida spielt fantasievolle, kleinere Verzierungen. Sehr zart und klar, doch konturiert und geschmackvoll-unverzärtelt. Das bekommt man tatsächlich alles unter einen Hut. Das Orchester zieht gut mit. Man belässt dem Satz seine „beredte“ Einfachheit. Uchida fügt dem Satz eine kleine, „schmerzvolle“ Kadenz hinzu.
Im Allegretto fehlt es ein wenig an dirigentischer Initiative, also auch an Spannung und Schwung, sodass der Orchesterpart ein bisschen akademisch wirkt. Das Spiel auf dem Flügel beeindruckt mehr.
Der Klang der Aufnahme wirkt sehr transparent, recht brillant und plastisch und weist eine gute Staffelung auf. Die Balance ist ausgewogen. Der Klang des Flügels gefällt besonders. Er hat alles, ist warm, voll, gut konturiert und brillant.
4-5
Artur Rubinstein
Josef Krips
RCA Symphony Orchestra
RCA
1958
14:36 8:19 9:06 32:01
Josef Krips wurde zu seiner Zeit als der Mozart-Dirigent überhaupt gefeiert. (Auch Karl Böhm hatte in Sachen Mozart seinerzeit einen legendären Ruf, leider hat er KV 491 nie aufgenommen.) Dennoch erklingt die Musik unter seinem Dirigat erstaunlich spannungslos. Getragen und voluminös um nicht zu sagen schummrig mit einer stark reduzierten Dynamik. Als ob man nun einmal alles anders machen wollte, als bei den anderen „alten“ (damals waren sie ja noch gar nicht „alt“) Mono-Platten. Anders sieht es bei Artur Rubinstein aus. Er spielt klar, strak abschattierend und stark zurückgenommen. Besonders zu Beginn. Später im Verlauf wird sein p immer lauter und kräftiger. Das klingt bekannt elegant, eigentlich so, wie man es auch von seinen Chopin-Interpretationen kennt. Und auch da heißt es ja oft: Entweder man liebt sein Spiel oder man lehnt es ab. Das Holz lässt sich mit der typischen damaligen New Yorker Oboe hören. Sie dominiert den Bläser-Satz zu sehr und tönt auch im Solistischen oft einfach viel zu stark. Auch Herr Rubinstein verwendet die Kadenz von Mozart-Schüler Hummel. Die wohl am weitesten verbreitete in unserer Aufstellung. Pianistisch ist dies eine eigentlich klassische Deutung, im Orchester kann man sie eigentlich keinem Stil zuordnen, was angesichts der Beteiligung von Herrn Krips schon überrascht.
Das Larghetto klingt wunderbar zurückhaltend, wenn man von der penetranten Oboe einmal absieht, was einem jedoch kaum gelingen will. Herr Rubinstein spielt mit viel Gefühl, gesanglich, poetisch. Da ist viel Herzenswärme spürbar. Das ist auf einmal große Musik, bezaubernd gespielt, gar nicht mehr serenadenhaft. Wir konstatieren einen herausragenden 2. Satz á la Rubinstein. Die Oboe muss man einfach vergessen.
Das Allegretto gelingt ohne viel Aufwand (zumindest einmal spürbaren Aufwand) stimmig, Wenn da nur nicht diese Oboe wäre. Man kann sie einfach nicht überhören. Man hätte sie weiter nach hinten setzen sollen…
Dies soll die erste Stereo-Aufnahme des Werkes gewesen sein. So wird es jedenfalls häufig kolportiert. Die EMI-Aufnahme von Ralph Kirkpatrick ist jedoch ebenfalls in Stereo aufgenommen worden, entstand aber bereits 1956. Nur kennt man sie gemeinhin nicht mehr. Unsere CD klang jedoch nicht nach eine typischen Living-Stereo-Aufnahme, etwas dumpf, relativ wenig transparent und klangfarbenschwach. Das Orchester wirkt in die Breite gezogen, das Holz sitzt sehr weit links. Anscheinend ist man für diese CD nicht bis zum Masterband zurückgegangen, sondern hat eine spätere analoge oder bereits digitale Kopie genutzt. Man muss ein Missgeschick vermuten denn das Duo aus Lewis Layton (Produzent) und John Pfeiffer (Aufnahme) gilt als legendär und ist für viele der besten „Living-Stereos“ überhaupt verantwortlich. Diese gehört ohrenscheinlich nicht dazu, zumindest einmal nicht in dieser CD aus den 80ern.
4-5
Lili Kraus
Stephan Simon
Wiener Festspiel-Orchester
Sony
1965/66
12:54 7:25 8:48 29:07
Diese Einspielung stammt aus der ersten vollständig eingespielten GA der Klavierkonzerte Mozarts. Aufgenommen wurde im Wiener Konzerthaus. Meist sieht man die alten Platten mit dem Epic-Label, das damals ein Ableger von CBS war. Die gebürtige Ungarin ist heute kaum noch bekannt. Sie war Schülerin von Kodaly, Szekely, Bartok und Schnabel bzw. Steuermann. In unserer kommentierten Diskografie von KV 595 haben wir sie ein wenig ausführlicher vorgestellt. Die Beschreibung, dass sie den elementaren, spannungsvollen Kern des Werkes trifft und klassisches Formbewusstsein mit einer theatralischen Grundhaltung kombiniert kann man unterschreiben. Sie wollte übrigens die Konzerte damals schon mit einem historischen Flügel aufnahmen. Dem Wusch wurde jedoch vom Produzenten nicht entsprochen, man vermutete, dass die Akzeptanz damals bei den plattenkaufenden Musikfreunden gering gewesen wäre. In Deutschland waren die Aufnahmen tatsächlich auch mit dem modernen Konzertflügel kaum eine Konkurrenz zu den sich ebenfalls entwickelnden Gesamtaufnahmen von Géza Anda, Ingrid Haebler und später auch Barenboim, Brendel oder Perahia. Sie wurden kaum bekannt. In den USA oder in Großbritannien mag es anders gewesen sein. Die damals oft miese Press- und Klangqualität der importierten Platten von Epic bzw. CBS dürfte dabei ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Die Orchesterexposition erklingt in zügigem Tempo und wirkt recht dramatisch. Das Orchester spielt besser als man es von einem „Muckenorchester“ erwartet hätte. Vielleicht ist es ja auch wieder ein „Deckname“ für ein stehendes Wiener Orchester, gewählt aus vertragsrechtlichen Gründen. Manche behaupten, es wären die Wiener Symphoniker gewesen. Es spielt zuverlässig und stilistisch ausgewogen. Uns gefiel es besser als das Lamoureux Orchester in der Aufnahme mit Clara Haskil und Igor Markewitsch. Der Klavierpart erscheint viel weniger nüchtern als z.B. bei Carl Seemann. Frau Kraus bevorzugt einen leichten, gleichmäßigen Anschlag, der auch zupackend, lebendig, differenziert und kraftvoll werden kann, spielt saubere Triller und ein klassisches Jeu perlé. Das Klavier steht im Vordergrund, es gibt etwas (nur etwas) Rubato, es gibt auch kraftvolle, geschmeidige Läufe und eine breit gefächerte Dynamik. Frau Kraus hat Kadenzen zu allen Mozart-Klavierkonzerten geschrieben, sodass es selbstverständlich ist, dass sie auch bei KV 491 eine eigene spielt. Sie wirkt einfallsreich und sie wird glänzend gespielt.
Der Mittelsatz wirkt zügig und hellwach. Er klingt nun viel besser als in den Ecksätzen, sehr dreidimensional und plastisch, farbig und warm. Ein entspanntes Fließen-lassen. Die Wiener Oboe passt übrigens viel besser zu dem Stück als die damalige englische Oboe, die man unter anderem bei Philharmonia Orchestra oder beim LSO hört.
Im Allegretto klingt das Orchester wieder etwas gepresster. Die Phrasierung wirkt nie kleinteilig, das Spiel aber sehr beweglich und flexibel. Man spannt weite Bögen, was dem Satz sehr gut bekommt.
Der Klang der Aufnahme lässt das Orchester recht voluminös hören. Die Streicher resp. die Violinen klingen warm, besonders im Mittelsatz, in den äußeren ein wenig belegt. Das Holz hört man gerade noch so transparent genug. Im p und mf viel transparenter als im f. Das Fagott wirkt so, als wäre es viel weiter entfernt als die übrigen Holzbläser. Der Mittelsatz klingt sehr viel plastischer. Das Klavier steht deutlich im Vordergrund
4-5
François Chaplin
Jean François Verdier
Orchestre Victor Hugo Franche-Comté
Aparté
2017
13:46 7:27 9:18 30:31
Bei dem Orchester handelt es sich um ein französisches Regionalorchester aus der Bourgogne, genauer aus Besançon. Die HIP hört man in gewissen Grenzen mit, denn man verzichtet auf Vibrato. Es klingt dennoch recht voll, vermeidet das Dünne im Klang, das oft aus vibrato-freiem Spiel folgt, erfolgreich. Man geht auch sehr gut auf den dialogisierenden Charakter des Werkes ein. Monsieur Chaplin (ob eine verwandtschaftliche Beziehung zu „Charly“ Chaplin besteht haben wir nicht ergründet), Schüler von Jean-Claude Pennetier, der ebenfalls noch in unserer Liste erscheinen wird, versucht möglichst wenig extra deutlich herauszustellen. Er hat aber ein reichhaltiges Angebot an Spieltechniken und schattierenden Varianten zur Verfügung. Er spielt grundsätzlich ziemlich zart und sensibel um Finesse und Ausgewogenheit einzubringen und wenn nötig bietet er auch genügend Kraft auf, um sich dem Orchester nicht vollends unterzuordnen. Er ist einer der wenigen, der einen Yamaha-Flügel nutzt. Auch er hat eine eigene Kadenz erstellt, die irgendwie von allen etwas bereithält.
Das Larghetto gefällt durch ein perlendes Spiel in aller Einfachheit, ohne simpel zu wirken. Das ist gar nicht so einfach. Was den Satz in dieser Einspielung besonders adelt ist das hervorragende Wechselspiel von Klavier und den exzellenten Holzbläsern. Auch die Hörner und Fagotte sind wunderbar präsent. Wenn man es sich recht überlegt, hätten wir diese Einspielung auch zu den historisch informierten mit modernem Instrumentarium sortieren können. Die Übergänge sind fließend geworden.
Das abschließende Allegretto wird von allen Beteiligten hellwach und überzeugend gespielt.
Der Klang erscheint offen und räumlich, dennoch präsent und sehr transparent. Das Orchester wird gut gestaffelt. Das Ensemble aus Flügel und Orchester ist sehr gut ausbalanciert. Der Flügel klingt voll, rund und ziemlich, also nicht allzu brillant, eigentlich genau so, wie man es sich für Mozart wünscht. Es kam, wie bereits erwähnt ein Yamaha-Flügel zum Einsatz.
4-5
Orli Shaham
David Robertson
Saint Louis Symphony Orchestra
Canary
2018
13:10 7:02 8:38 28:50
Um den Überlegungen, die sich beim Namen der Pianistin wahrscheinlich sogleich einstellen Einhalt zu bieten: ja, es handelt es sich um die Schwester des Geigers Gil Shaham und sie ist die Ehefrau des Dirigenten David Robertson. Nach dem Yamaha gerade zuvor hören wir nun wieder den gewohnten Steinway. Auch hier stellen sich Überlegungen bzgl. der HIP ein, die wir aber trotz eines zieemlich „sprechenden“ Gestus beim Orchester wieder ad acta gelegt haben. Es ist etwas zu stark besetzt, die Bläser sind zwar gut hörbar, könnten jedoch noch offensiver konzertieren. Es klingt weich, klar, geschmeidig und warm aber nicht sonderlich dramatisch. Man kann im Verlauf die Leichtigkeit im Orchestersatz nicht immer hinreichend deutlich machen. Die Pianistin spielt nuanciert und subtil im Ganzen vielleicht doch ein wenig zu vorsichtig. Vielleicht auch ergeben ins Schicksal? Mit einer gewissen olympischen Gelassenheit. In der Kadenz, es ist die von Saint-Saens, die Robert Casadesus so bekannt gemacht hat, kommen Verzweiflung und Angst besser zum Ausdruck, ohne aber nachhaltig aufzubegehren, denn Frau Shaham spielt sie durchaus feurig und bravourös. Sie bringt die Kadenz des Franzosen aber nicht ohne auf das Sanftmütige darin gebührend hinzuweisen.
Im Larghetto wird man vollends in melancholische Sphären enthoben. Oboe und Flöte spielen nun berückend schön. Auch die anderen Bläser klingen warm und geschmeidig, ohne Vibrato! Die Dialoge sind von erlesener Zartheit, denn ein feineres Legato lässt sich kaum denken. Man bleibt „einfach“, macht also nicht zu viel. Darin liegt das Geheimnis. Elegant und zügig und wegen des Tempos mitunter doch etwas zu sachlich. Obwohl das schon wieder zu hart klingt.
Im Allegretto wird die angespannte Lage des Kopfsatzes wieder aufgegriffen. Die schwierigen Sechzehntel meistert Frau Shaham mit Leichtigkeit, die Variationen klingen charaktervoll. Man spielt präzise, spannungsreich und sogar dringlich, insgesamt könnte es noch etwas dramatischer klingen. Und vielleicht klingt es durch den ausgesprochen weichen, runden und warmen Klavierklang doch zu sanftmütig? Sehr gefällig!
Der Klang der Aufnahme wirkt sehr plastisch und perfekt ausbalanciert. Die Tuttis wirken detailreich, die solistischen Details deutlich und alles wohl proportioniert. Nicht nur durch die Technik auch im Musikalischen herrscht kammermusikalisches Denken vor. Der weiche, vollmundige, warme Klang und die weite Dynamik rechtfertigen es, eine audiophile Empfehlung auszusprechen. Das Klavier steht exakt mittig. Die Violinen-Gruppe wirkt für den Puristen ein wenig zu massiv.
4-5
Piers Lane
Johannes Fritzsch
Queensland Symphony Orchestra
ABC
2013
13:50 8:02 8:38 30:30
In dieser Einspielung aus Australien herrscht in der Orchesterexposition ein kraftvoll-entschlossener Zugriff. Das Holz spielt aufgeweckt und ist ausreichend präsent. Der Pianist verfügt über eine saubere Technik, einen klaren, perlenden Anschlag, ein einnehmendes Jeu perlé, eine prägnante Phrasierung und einen sehr guten Klang. Stilistisch sicher überzieht er das f nie. Im Verlauf wirkt das Orchester trotz aufmerksamen Spiels ein wenig zu distanziert, was auch für das Zusammenspiel mit Herrn Lane gilt. Da fehlt es an Dramatik und Emotionalität.
Sanft und vollends zurückgezogen erscheint der Gestus im Larghetto. Leiche, delikate Ornamente werden von Piers Lane immer wieder eingeflochten. Dermaßen aufgelockert, lässt sich dieser Satz vortrefflich genießen.
Im Allegretto wirkt das Spiel des Pianisten traumwandlerisch sicher und stilistisch makellos. Ein Mozart der leisen Töne, jetzt auch im Zusammenspiel erfüllter.
Es handelt sich um eine saubere, klare Aufnahme. Es gibt darauf wenig Raumanteil zu hören, sodass man sie (nur klanglich, nicht musikalisch!) als etwas trocken und steril bezeichnen darf.
4-5
Eric Le Sage
François Leleux
Gävle Symphony Orchestra
Alpha Classics
2021
13:51 6:09 8:38 28:38
Gävle ist eine schwedische Stadt mit ungefähr 100.000 Einwohnern, gelegen am Bottnischen Meerbusen (Ostsee). Das Orchester gefällt in dieser Einspielung ganz gut, vor allem, dass das Blech gut exponiert wird. Es verfügt auch über klangvoll-brillant klingendes Holz, vor allem eine sehr gut klingende Oboe, die sich nie versucht in den Vordergrund zu schieben. Bis auf das exponierte Blech findet man jedoch wenig, was sich an der historisch orientierten Spielpraxis anlehnen würde. Man spielt recht druckvoll und dynamisch, aber auch etwas unentschieden. Der Pianist verfügt über eine geschmeidige Technik, ein „Übertechniker“ ist er jedoch nicht. Haskil oder Brendel spielen bereits rhetorischer und mindestens genauso differenziert, gerade Haskil sogar viel klarer und deutlicher. Dafür spielt das Orchester aus Schweden besser als das Lamoureux 1960. Le Sage wirkt gegenüber den genannten deutlich pauschaler und in der Technik schwerfälliger. Er spielt übrigens ebenfalls einen Steinway, der besonders gut zur von Le Sage gewählten Kadenz von Gabriel Fauré passen will, die er farbig und lebendig, insgesamt sehr romantisch spielt. Die Kadenz selbst ist ziemlich „ausführlich“ und ihre Wahl dürfte in der gehörten Diskographie ein Alleinstellungsmerkmal sein.
Das Larghetto überrascht mit einem Tempo, das man gerne wählt, wenn man einen schnell verklingenden Hammerflügel als Soloinstrument nutzt. Ein Romantisieren oder auch trauerähnliche Gefühle kommen so jedenfalls keine auf. Das Spiel ist zudem pulsierend, das Concertare lebendig und präzise. Das ist keine Musik wie Rokoko-Porzellan. Eher ein kleines Opern-Arioso, frisch und ohne Zeit an Bedenken oder an Traurigkeit zu verschwenden. Gefällt viel besser als der erste Satz. Wirkt inspirierter.
Im Allegretto erfreut das exponierte Blech erneut, warum wollte es Mozart denn auch sonst besetzt sehen, wenn man nichts davon hört? Es gibt fein abgestimmte Tempomodifikationen. Pianist und Orchester wirken nun sehr engagiert und erneut inspiriert.
Der Klang der Aufnahme wirkt sehr hochwertig. Es klingt warm, bestens ausbalanciert, farbig, recht dynamisch. Die Transparenz ist ausgezeichnet. Der Flügel steht deutlich vor dem Orchester, klingt voll, klar und recht brillant.
4-5
Valerie Tryon
Robert Trory
London Symphony Orchestra
APR
2009
Hummel: 13:54 Godowsky:14:33 7:38 9:07 mit Hummel: 30:39 mit Godowsky: 31:18
Diese Aufnahme entstand in der Henry Wood Hall. Valerie Tryon war bei der Einspielung 75. Nichtsdestotrotz klingt ihr Flügel erheblich brillanter als das Londoner Premium-Orchester. Das Besondere an ihrer Einspielung ist, dass sie sich gleich zwei der (nahezu) unzähligen Kadenzen, die es mittlerweile für KV 491 zu geben scheint ausgesucht und für uns aufgenommen hat. Dabei war die Kadenz von Leopold Godowsky damals, d.h. 2009 die Ersteinspielung. Sie wirkt mit ihrem romantischen Schwung total unauthentisch (wie unsere Lieblingskadenz von Saint-Saens eigentlich auch) und da sie von einem komponierenden Klaviervirtuosen stammt entsprechend hochvirtuos. Wer jedoch Lisztische Extravaganz erwartet hat, wird vielleicht enttäuscht, denn eigentlich erwartet uns ein eher meditativer „Essay“, chromatisch und eher wie bei Chopin als bei Liszt. Besser „passt“ da schon die beliebte Kadenz von Johann Nepomuk Hummel, die nach unserer Schätzung die meisteingespielte Kadenz sein dürfte. Das LSO wirkt gegenüber der Einspielung mit den Herren Kissin und Davis merklich aufgelichtet (d.h. auch weniger dunkel und „schicksalsschwer“) und etwas kämpferischer aber auch weniger vollblütig. Empathisch wirkt das Orchester auch in dieser Einspielung. Wir vermuten u.a. eine kleinere Besetzung des Streichercorps. Blech und Pauke agieren zurückhaltend. Das Zusammenspiel mit den Bläsern des LSO untereinander und mit der Pianistin erweist sich als reizvoll. Frau Tryon hält sich nicht zurück, spielt zwar immer noch stilvoll, nutzt aber das Pedal reichlich. Dass es ihr um dramatisches Anschärfen ginge ließe sich nicht behaupten, glatt oder betulich wirkt sie jedoch nicht. Eher mit Bedacht.
Das Spiel der Pianistin im Larghetto erscheint besonders sanft, zart und behutsam ausschwingend. Ihr perlendes Legato in vollendeter Gleichmäßigkeit, womit keineswegs sture, mechanisch wirkende Perfektion gemeint ist, mindert die Düsternis des Werkes nachhaltig. Das Larghetto ist ein echter Lichtblick, zumal auf unprätentiöse, geradlinige und „ehrliche“ Art musiziert wird.
Im dritten Satz gibt es trotz der synkopierten Streicher und der recht schroffen Pauken und Fagotte einen leichten Ansatz von Patina. Man könnte sich sagen, warum nicht, die Komposition ist ja nicht von heute, aber in anderen Einspielungen wirkt der Satz frischer durchpulst. Das Holz spielt erstklassig, das Zusammenspiel mit der beweglich agierenden Pianistin ebenfalls. Ein etwas dramatischerer Zugriff wäre dem Larghetto nicht abträglich gewesen.
Die Aufnahme wirkt kristallklar und dennoch voll. Man hat eine nahezu ideale Balance erreicht, wobei man sich entschieden hat, den Flügel mehr ins Orchester einzubetten, als ihn machtvoll davor zu stellen. Das Interagieren wird so auch von der Technik begünstigt. Der wunderbar körperhafte Flügel wirkt, wie bereits eingangs erwähnt, vergleichsweise brillanter als das Orchester.
4-5
Jenö Jando
Mátyás Antal
Concentus Hungaricus
Naxos
1989
12:47 7:30 8:32 28:49
Diese Aufnahme entstand im italienischen Institut in Budapest. Und trotz den doch offensichtlich an den Concentus Musicus Wien angenäherten Namen spielt das Orchester nicht auf Originalinstrumenten, ja Elemente der HIP müsste man mit der Lupe suchen. Auffallend an dieser Einspielung ist eher, dass sie kaum durch Besonderheiten auffällt, aber sich genauso keine Schnitzer leistet. Das Musizieren wirkt grundsolide, höchstens klingt das Orchester ein wenig „dick“. Das Grundtempo wirkt zügig, die Dynamikgegensätze wenig herausgearbeitet (wie meistens bei Mozart). Insgesamt spielt man geradlinig und es wären durchaus mehr Details zutage zu fördern gewesen. Der Gestus wirkt kaum dramatisch oder gar kämpferisch, kaum theatralisch oder opernhaft. Herr Jando spielt seinen Part unverzärtelt aber keineswegs monochrom. Sogar besonders kraftvoll und bisweilen mit herbem Zugriff. Er bietet dem Orchester ordentlich Paroli. Die Skalen wirken klar und virtuos, aber doch sehr gleichmäßig und gleichförmig. Seine Dynamik beschränkt sich auf den für Mozart üblichen und typischen Bereich von p bis f. Das wirkt stimmig und trägt in diesem Fall zu einer erstaunlichen Ausgewogenheit bei. Bei Bedarf spendiert Herr Jando auch Nuancen, übertreibt es damit aber nicht. Die Kadenz wirkt hochvirtuos und aufgewühlt. Es ist die bekannte und nicht ohne Grund meistgewählte von Johann Nepomuk Hummel.
Das Larghetto erklingt ebenfalls recht zügig. Mehr als grundsolide wird einfach eine Geschichte geradlinig erzählt. Beredt, aber doch relativ wenig finessiert. Der Klang des Flügels perlt nicht übermäßig hat aber nichts rokokohaft-verspieltes, eher wirkt das Spiel und der Klang ein wenig robust für den zarten Satz. Andererseits kann man sich diesem unverzärtelten und etwas robusten und herben Charme auch kaum entziehen. Mozart steht eben über allem. Wenn man sich die zuvor besprochene Einspielung mit Valerie Tryon noch einmal vergegenwärtigt muss man sich schon wundern wie unterschiedlich dieser Satz klingen kann, ohne seine Façon zu verlieren. Er klingt ja nie gleich, aber das sind doch zwei besonders unterschiedliche Herangehensweisen. Und das bei fast gleichem Tempo.
Auch im Allegretto wird der geradlinige Faden gekonnt weitergesponnen, was nicht zuletzt zu einem besonders einheitlichen Eindruck von KV 491 führt. Mozart ohne oder mit besonders wenig eigenen Zutaten vom Interpreten, Mozart pur könnte man fast meinen. Reduziert auf das Wesentliche und auf seine Art überzeugend. Zwischentöne gibt es bei anderen (viel) mehr.
Der Klang bietet ein im Tutti eher weniger transparentes Orchester. Das Klavier ist hingegen immer deutlich zu hören, kräftig und recht voll. Die Brillanz befindet sich auf einem mittleren Bösendorfer-Niveau, ohne dass wir mit Bestimmtheit behaupten könnten, dass es sich tatsächlich um einen Bösendorfer handelt. Insofern ist zum Orchester eine gute Balance erreicht. Unauffällig aber ganz gut.
4-5
Derek Han
Paul Freeman
Philharmonia Orchestra London
Brilliant
1992
13:26 7:36 8:20 29:22
Diese Aufnahme wurde in der St. Augustins Church in Kilburn, London gemacht. Wir hatten das Glück sie als SACD hören zu können, die ganze GA gab es damals zu einem Spottpreis (noch nicht einmal als Second Hand) zu kaufen.
Das Orchester erscheint ziemlich stark aufgewühlt und sogar ziemlich dramatisch zugespitzt. Wir hören jetzt das Philharmonia-Holz der nächsten Generation, das nichts mehr gemein hat mit dem „alten“ Sound der Klemperer-Zeit. Im Gegenteil jetzt klingt die Oboe fast schon üppig. Das Orchester wirkt auf uns nicht „dick“ oder schwerfällig, sondern agil und straff, allerdings durchaus voluminös.
Dagegen steht im ersten Satz ein relativ passives Klavier, weder klanglich sonor noch nachdenklich vertieft, es ordnet sich dem Orchester ziemlich weit unter. Und wenn es kompositorisch bedingt dann doch einmal hervortritt, bleibt der Gestus zurückhaltend. Die Virtuosität von Herrn Han gefällt uns besser als die von Karl Engel oder Justus Frantz, die ebenfalls noch in unserer Liste auf uns „warten“. Im ersten Satz geht von Herrn Han allerdings wenig Initiative aus, das Orchester wirkt aktiver und geht zum Teil richtig in die „Vollen“, in die Offensive. Diese Verteilung der Kräfte ist aber bereits in der Komposition niedergelegt. Es kann angenommen werden, dass die Interpreten dies erkannt haben und demgemäß vorgegangen sind.
Der Klang wirkt im Larghetto erheblich präsenter und tragender. Der Klavier-Klang schwebt nun sogar, wie bei den besten Labels und den großen Pianisten-Persönlichkeiten. Aber auch jetzt drängt sich Herr Han nicht in den Vordergrund und gerade die asiatische Zurückhaltung führt zu berührenden Momenten. Das Holz rückt nun dichter an den Flügel (und an uns Hörer) heran vor allem Flöte und Oboe. Das Fagott (wieder einmal) weniger. Das konzertieren wirkt nun besonders lebendig und führt zu beredten Dialogen. Zumindest als SACD wirkt der Satz sehr transparent und stimmig. Sogar besonders sinnlich. Allerdings vermisst man Verzierungen und Eingänge, die in anderen Einspielungen dieser Zeit bereits zum Pflichtprogramm gehörten.
Im abschließenden Allegretto hören wir klares Figurenwerk und einen Pianisten, der durch den Charakterisierungswillen der Variationen besonders angespornt wird, mal aus sich herauszugehen. Wir hören gutes Konzertieren. KV 491 scheint nicht nur das Lieblingskonzert von Robert Casadesus und Vikingur Ólafsson (gewesen) zu sein, auch bei Herrn Han spürt man gegenüber vielen anderen Konzerten der Reihe seiner GA ein empathischeres Spiel.
Das Orchester klingt auch wenn man (nur) die Stereo-Schicht hört immer noch ein wenig flach, der Effekt wird als SACD- Multichannel dann spürbar gemindert. Der Flügel wird insgesamt gut aufgenommen und nur gelegentlich einmal vom Orchester übertönt, wenn es einmal etwas komplexer zugeht. Ansonsten wirkt er recht brillant. Es gibt keine hallige Kirchenakustik, obwohl in einer Kirche aufgenommen wurde.
4-5
Ralph Kirkpatrick
Geraint Jones
Geraint Jones Orchestra
EMI
1956
13:09 8:03 9:08 30:20
Sechs Jahre nach Schnabel/Süsskind, drei Jahre nach Backhaus/Karajan und ein Jahr nach Solomon/Menges bat EMI die nächste Besetzung ins Studio um das Klavierkonzert Nr. 24 c-Moll KV 491 einzuspielen. Vielleicht wollte man auch nur die erste Stereo-Aufnahme auf den Markt bringen? Das wäre jedenfalls geglückt. Die Besetzung mag auf den ersten Blick mit den älteren Mono-Aufnahmen kaum schritthalten zu können, aber da könnte man sich auch täuschen. Vielleicht ist die Einspielung angesichts der Überflutung des Marktes in der Stereo-Zeit auch zu Unrecht vergessen worden? Der Amerikaner Ralph Kirkpatrick war zunächst Student in Harvard, studierte dann bei Nadia Boulanger und Wanda Landowska in Paris und bei Hans Tiessen (bei dem auch Celibidache studierte) und Günther Ramin in Berlin. Heute noch bekannt dürfte er den Musikfreunden auch als Verfasser der grundlegenden Biographie über Domenico Scarlatti sei. Auf ihn geht die Zählweise im Werkeverzeichnis dieses Komponisten zurück. Was Köchel für Mozart, war Kirkpatrick also für Scarlatti. Vielleicht schlummern bei dem einen oder anderen auch noch ein paar LPs oder CDs auf denen er das Cembalo zu diversen Stücken von Bach bedient. Als Mozart-Interpret scheint er jedoch weniger Furore gemacht zu haben. Immerhin haben wir es in der uns einsehbaren Diskographie das erste Mal mit einem explizit so genannten Kammerorchester zu tun. Man scheint sich auch schon ein wenig mit den historischen Bedingungen auseinandergesetzt zu haben. Die Betonung liegt (aus der heutigen Sicht) auf ein wenig, d.h. aber auch, es wurden schon damals die leisen Anfänge der Bewegung gesetzt. So wirkt das Holz schon erstaunlich exponiert und das kleinere Orchester spielt schon lebendig und drängend auf, entschlossen und mit Verve. Auch aufnahmetechnisch hatte man schon ein glückliches Händchen und setzte das Holz nicht zurück. Leider haben wir es erneut mit der üblichen harten und den Bläsersatz immer unangenehm aufbrechenden einer Londoner Oboe zu tun, der anscheinend auch nur schwer oder sogar unmöglich in einem p-Bereich zu halten war. Vielleicht fand man das ja damals in London und Umgebung sogar chic? Mister Kirkpatrick spielt souverän und idiomatisch. Es wirkt weich, dynamisch recht variabel und außerordentlich klar. Der Mann war außer Organist und Cembalist also auch ein ausgezeichneter Pianist. Seine Skalen verschwinden allerdings mitunter hinter der dann allzu dominanten Orchesterarbeit. Da fehlt es dann doch noch am Feinsinn, an der Abstimmung zwischen Solisten und Orchester oder an der aufnahmetechnischen Feinjustierung. Andererseits muss man sich wundern, wie viele sonst nur begleitende Figuren gerade bei den Binnenstreichern nun deutlich ins Bewusstsein geraten, die sonst kaum oder gar nicht auffallen, weil man dem Pianisten zuhört. Das ist gar nicht mal uninteressant. Insgesamt wirkt der Gestus doch motorisch, d.h. noch von der Barockzeit geprägt, sodass die Nähe des Werkes zu Bach doch stärker betont erscheint als die zu Beethoven, aber doch farbig und recht kontrastreich. Heute betont man ja gerne den Vorläuferstatus besonders zum 3. Klavierkonzert c-Moll von Beethoven. Die Kadenz erscheint ziemlich ausschweifend, wahrscheinlich handelt es sich um eine Schöpfung des Pianisten.
Beim Larghetto traut man seinen Ohren kaum. Der Klang ist jetzt besonders präsent und ausgewogen, unmittelbar, lebendig und sehr klangfarbenstark, gerade das Holz ungemein transparent. Die Holzbläser erscheinen sehr motiviert und engagiert, manchmal sogar etwas übereifrig. Das Fagott steht hier, anders als in vielen neueren Produktionen kaum gegenüber dem anderen Holz zurück. Der Klang des Flügels trägt wunderbar und wirkt enorm plastisch. Das ganze Ensemble klingt jetzt, im Gegensatz zum ersten Satz ganz frei und sehr transparent. Da war in dieser ersten Stereo-Aufnahme des Werkes nicht nur Experimentierfreude bei den Technikern vorhanden, sondern bereits echte Expertise.
Das Allegretto wird mit einem reduzierten Tempo vorgetragen, aber nicht ohne Augenzwinkern, sehr deutlich, mit Wärme, Herz und sehr lebendig. Bei vielen neueren und neuen Aufnahmen fragt man sich, wohin der Entdeckergeist der Interpreten verschwunden sein könnte und mit der aufnahmetechnischen Transparenz verhält es sich nicht anders. Ein Glück, dass Mister Kirkpatrick kein Cembalo, so wie es auf dem Autograph steht für seine Aufnahme verwendet hat.
Der Klang der Aufnahme kann man nur als erstaunlich transparent und dynamisch bezeichnen. Vor allem die Violinen wirken (nicht im Larghetto) noch leicht beeinträchtigt, vor allem gepresst. Der Flügel steht groß, deutlich, plastisch und brillant vor dem Orchester. Sehr farbig. Er klingt erheblich besser als (im Verhältnis) das Orchester.
4
Clifford Curzon
Bernard Haitink
London Philharmonic Orchestra
BBC Music
1979, live
13:14 7:45 9:30 30:29
Diese Aufnahme entstand live in der Royal Festival Hall in London. Sir Clifford war nun bereits 75. 1982 schließlich wurden die Hoffnungen der Musikwelt auf eine Gesamteinspielung der Klavierkonzerte von Mozart mit ihm durch seinen Tod endgültig mit begraben. Diese Liveaufnahme steht insbesondere aus klanglichen Gründen hinter der 67er Decca und der Münchner Liveaufnahme mit Kubelik zurück. Der sonst - außer mit Opern - kaum mit Mozart-Einspielungen hervorgetretene niederländische Dirigent lässt das Holz in der Orchesterexposition plastisch hervortreten. Erneut (wie in der Amsterdamer Live-Aufnahme mit Brendel) lässt er mit einem eher Beethoven zuzuschreibender kämpferischer Note spielen. Vor allem der Klang des Flügels erscheint nun nicht mehr mit der traumhaften, sonoren Wärme und der so gut zu Mozarts Konzerten passenden leicht gedeckten Brillanz wie bei Decca (vor allem 67) aber auch bei Audite. Dennoch lässt sich der „Curzon-Sound“ noch meist ganz gut erkennen. Das Zusammenspiel wirkt präzise. Es ist hier aber genau wie bei den anderen Einspielungen: Viele, ja die meisten Mozart-Spieler wirken gegenüber ihm oberflächlich.
Im Larghetto lässt es der Pianist wieder stilvoll perlen, Anschlag, Phrasierung und Klang sind einfach wunderbar. Beispielhaft, wenn man die Errungenschaften HIP nicht als unabdingbar erachtet. Durch die weniger ausladende Akustik wirkt das Zusammenspiel „intimer“ als mit dem BRSO, der Klang als solcher ist jedoch beim BR erheblich runder, freier, brillanter und frei von rauschen.
Im nun ein wenig gemächlicher gewordenen Allegretto wirkt das Spiel pianistisch nicht ganz perfekt. Es handelt sich jedoch nur um Marginalien, wenn mal etwas leicht verhuscht. Sir Clifford hätte der Veröffentlichung wahrscheinlich nicht zugestimmt, wenn man ihn gefragt hätte. Der Gestus wirkt nun noch ernster und nicht mehr so gelöst wie noch 1967 und 1970.
Die Einspielung wirkt weniger aufgeplustert als bei BR/Audite aber lange nicht so offen und transparent. Sie wirkt auch flacher, verfügt also auch über wenig Tiefenstaffelung. Der Klang des Klaviers wirkt nicht so naturgetreu wie bei Audite und weniger plastisch. Die Streicher des LPO werden nicht so günstig aufgenommen wie beim BRSO und klingen weniger füllig und ein wenig drahtig. In den leisen Passagen rauscht es zudem vernehmlich.
4
André Previn
Sir Adrian Boult
London Symphony Orchestra
EMI
1973
14:20 7:33 9:27 31:20
Diese Einspielung wurde in den Abbey Road Studios in London aufgenommen. Es ist die erste von zwei Einspielungen, die es mit dem damals 44jährigen André Previn gibt. Bei der zweiten (für Philips) dirigierte er die Wiener Philharmoniker vom Flügel aus. Wenn man an Video-Aufzeichnungen interessiert ist, dann gäbe es noch eine dritte Einspielung, bei der er das Royal Philharmonic Orchestra dirigiert.
Leider scheint sich das LSO auch im Jahre 1973 die hart klingende Oboe vom Philharmonia Orchestra ausgeliehen zu haben. Sie klingt genauso dünn und hart und es fällt ihr sehr schwer p zu spielen. Boults Dirigat wirkt nicht leidenschaftslos. Mitunter kommen Pauken und Blech schon ganz gut durch. Das Orchester klingt bestechend klar, nicht n ur wegen der Klangtechnik, man spielt auch präzise und Flügel und Orchester erreichen eine gute Balance. Alles bleibt unter Kontrolle. Previn kann sich als praktizierender Dirigent sehr gut zurücknehmen und auch mal das Holz dominieren lassen. Der Gestus wirkt eher frisch und nicht übermäßig dunkel oder gar tragisch. Die Artikulation des Pianisten Previn wirkt durchaus klar und fein, sein Umspielen der thematischen Einwürfe des Orchesters bewusst. Mitunter verhuschen ihm die schnellen Läufe ein wenig. Auffallend ist, dass so gut wie nie der mittlere Bereich der Dynamik verlassen wird (was auch fürs Orchester gilt). Dadurch, dass das p komplett fehlt, will bei dieser Aufnahme kein rechter Charme aufkommen. Das gelingt Previn und ganz besonders den Wiener Philharmonikern elf Jahre später sehr viel besser. Dazu mehr in der Liste mit den Einspielungen, die die Pianist/innen ohne zusätzlichen Dirigenten bestreiten. Previn nutzt in seiner ersten Einspielung noch die Hummel-Kadenz, die er ganz beachtlich virtuos hinlegt und der er ein ordentliches Maß an Dramatik mitgibt.
Das Larhgetto wirkt zügig und entschlossen. Es gibt kein verzärteln. Der Klang wirkt jetzt zarter und weicher. Der Satz wirkt nicht allzu leichtgewichtig und wenig intermezzohaft. Die Hörner kommen hier ganz gut zum Zuge.
Im Allegretto zeigt es sich deutlich, dass Herr Previn nicht zu den allerbesten „Übervirtuosen“ zählt. Man bemerkt es besonders an der einen und anderen Ornamentik, die andere brillanter und runder hinstellen. Uns gefällt die Philips-Einspielung insgesamt besser, nicht zuletzt, weil die Wiener dort in glänzender Spiellaune waren. Mehr dazu: siehe dort.
Das Klangbild der Aufnahme erweist sich als klar, deutlich und übersichtlich. Das Holz wird sehr transparent abgebildet. Die Klangfarben sind recht warm bei Flügel und Orchester (obwohl uns nur eine „billige“ Disky-Pressung vorlag). Der Flügel wird deutlich vom Orchester abgesetzt.
4
Émile Naoumoff
Alain Lombard
Orchestre National Bordeaux-Aquitaine
Forlane
1990
14:09 8:37 9:16 31:52
Der Pianist wurde 1962 in Bukarest geboren und galt im Alter von acht Jahren als Wunderkind (was auch immer das bedeutet). Er war 1970-1979 bis zu ihrem Tode der letzte Schüler von Nadia Boulanger. Als die Einspielung entstand war er also 28 Jahre.
Das Orchester pflegt fast eine karajansche Legato-Spielkultur. Alles (!) erklingt legato. Das Holz scheint sich nur mühsam aus dem Tutti lösen zu können. Und dann klingt es ganz weich mit vergleichsweise wenig eigener Kontur und ganz abgerundet. Ein Grund dürfte auch die sehr große Streicherbesetzung sein. Der Pianist spielt betont ruhig und unaufgeregt zudem enorm nuanciert, gerade mit den leisen Tönen. Er geht passgenau auf die Legato-Vorgaben des Orchesters ein. Im f spielt er ganz zurückhaltend, elegant und nur sehr wenig aufbegehrend, auch nicht in der selbst komponierten Kadenz. Es geht hier ganz ohne Härte ab. Selten hört man den ersten Satz so wenig dramatisiert.
Passend geht es im Larghetto weiter. Man stimmt ein sehr langsames Tempo an, das Orchester warm und weich klingend ist mit gut intonierenden Holzbläsern ausgestattet. Es klingt betont sanftmütig. Dau ein verträumt perlender, romantischer Émile Naoumoff (mit viel Pedal).
Selbst im Staccato werden im Allegretto die Tasten nur gestreichelt, technisch mühelos und über jeden Zweifel erhaben. Er ist ein Meister des Leisespielens, ähnlich wie bei Radu Lupu geht nie über ein gepflegtes f hinaus. Das wirkt sagenhaft beherrscht und ausgewogen, gerade wenn man bedenkt, dass Herr Naoumoff bei der Einspielung erst 28 Jahre jung war. Dies ist eine ein wenig einseitige, ins Romantische versetzte Interpretation. Dort sucht man das erhaben Verklärte. Die Abgründe werden so in Balsam verpackt, sodass sie kaum spürbar werden. Nur beim Orchester blitzt bisweilen etwas Leidenschaft auf, allerdings legato und süß wie Marzipan.
4
Alessio Bax
Simon Over
Southbank Sinfonia
Signum Classics
2012
13:11 7:12 8:42 29:05
Die kleinere Besetzung und das vibratoarme Spiel soll hier sicher an die Spielpraxis der Mozartzeit erinnern. Die Orchesterexposition hat jedoch wenig Schwung, wirkt fast etwas gehemmt, sachlich und glatt. Die stark abgedämpften Pauken und Blechbläser ließen und dann doch davon abrücken eine verstärkte Orientierung an der HIP zu vermuten. Auch das Spiel von Bax wirkt betont defensiv, nimmt den „Kampf“ gegen das ohnehin auf „Sparflamme“ kochende Orchester nicht an. Solistisch wirkt das Orchester profiliert und klangschön, Freunde am Musizieren, falls vorhanden überträgt sich nicht auf die Zuhörenden. So ohne jedes Feuer könnte man auf „L´art pour l´art“ als Motivationsquelle tippen. Ohne jedes Feuer wohnen wir vielleicht einer rein intellektuellen Auseinandersetzung teil. Alles für die schöne Linie, ausgewogen, allerdings nie schwelgend im Klang. Nicht vordergründig wirkend behält die Darbietung eine gewisse „marmorne“ Glätte. Die Kadenz offeriert ebenfalls keine Leidenschaften. Sie wird kurzgehalten und wirkte weniger aussagekräftig, allerdings überwiegen nun die dunklen Töne.
Im Larghetto ist der Pianist lyrisch gestimmt. Sein schöner, ebenmäßiger Klang vom Steinway weiß zu gefallen. Die schönen Holzbläser-Soli scheinen nun „aufgetaut“ zu sein, obwohl man auch da Dezenz über alles setzt. Die Oboe ist hervorragend in den Bläsersatz integriert. Einen intensiven Dialog konnten wir nicht bemerken.
Das Allegretto erklingt flüssig, kantabel und erneut zart, ohne jeden Aufruhr. Die sehr klangschönen Holzbläser-Soli interagieren insgesamt ein wenig zu zahm untereinander und mit dem Pianisten. Eine gewisse Konsequenz ist dieser Einspielung gewiss nicht abzusprechen. Sie wirkt in unseren Ohren zwar nicht resignativ oder ausweglos, aber auch nicht fatalistisch. Die erinnerte uns irgendwie an Strawinskys „Apollon musagète“. Seltsam, welche Assoziationen sich manchmal ergeben,
4
Ingrid Haebler
Colin Davis
London Symphony Orchestra
Philis
1966
13:19 7:07 8:59 29:25
Es folgen nun drei Einspielungen, bei denen Colin Davis dirigierte. Nach dieser ersten mit Ingrid Haebler entstanden die weiteren 25 (mit Alicia de Larrocha) bzw. 40 Jahre später (mit Jewgeni Kissin) später.
Am meisten Schwung bringt die erste Einspielung mit, da war Mr. Davis 29, die Pianistin übrigens 37 Jahre jung. Das LSO klingt noch nicht so balsamisch wie 2006, aber das Tempo hat sich in den 40 Jahren kaum verändert. Die Holzbläser klingen noch mehr nach dem Philharmonia zur selben Zeit als nach dem LSO der späteren Aufnahme. Mit der harten Oboe, die kaum eine Mischung im Holzbläsersatz erlaubt. Frau Haebler erfreut mit klarem, zarten, aber bestimmten Anschlag, nicht ganz so weich und rund wie Walter Klien (eine Aufnahme aus derselben Zeit), aber ruhig, besonnen und gepflegt. Emotionalität auszudrücken ist nicht ihr vordringliches Ziel. Da steht sie ein wenig dem LSO nach. Das Holz erscheint leider oft zu leise um gebührend ins Concertare einzutreten. Seit Brendel seine Aufnahmen der Mozart-Klavierkonzerte für Philips machte, wurden seine Einspielungen gegenüber denen von Frau Haebler rigoros vorgezogen, womit man ihnen nicht unbedingt gerecht wurde. Wahrscheinlich haben die Verkaufszahlen für sich gesprochen.
Im Larghetto schlägt man ein zügigeres Tempo an als in der Aufnahme von 2006. Eine „Klangrede“ im Sinne der HIP hören wir noch nicht, aber durchaus warme Kantabilität. Das Holz wirkt in diesem Satz leider auch nicht sonderlich plastisch. Man merkt: den Interpreten war der dialogisch-korrespondierende Aspekt des Musizierens noch nicht so recht ins Bewusstsein gelangt oder er hatte noch nicht die Bedeutung wie später. (Angesichts der starren und immer vorwitzig den Holzbläsersatz anführenden Oboe wollte man das Holz vielleicht auch nicht noch mehr „erwecken“?) Der Flügel erfährt bei Frau Haebler und den Philips-Technikern eine stärkere Präsenz als bei Kissin und EMI 2006. Mozart erklingt hier in edler, schlichter Schönheit und zu diesem Zweck erscheint der Anschlag und der Klang von Frau Haebler nahezu ideal.
Im Allegretto fallen Tempo und Spielweise für heutige Ohren vielleicht etwas betulich aus. Man könnte auch bedacht oder vorsichtig dazu sagen. Aber auch innig und diskret wirkt das Spiel der österreichischen Pianistin, sie wagt nie einmal einen Ausbruch, vielleicht wirkt es deshalb auch so zeitverhaftet. Gewiss erscheint es jedoch nicht langweilig, aufregend ist es aber auch nicht. Irritierend ist es, wie wenig düster, wie wenig bedrückt ihr Mozart noch wirkt.
Das Orchester klingt heller und offener ohne dabei hart zu wirken, als die 2006er Aufnahme mit Kissin und Davis. Trotzdem klingt sie bereits warm und die Tiefenstaffelung kann sich hören lassen. Der schwebende Klang des Flügels ist bereits gut zum Orchester ausbalanciert und zeichnet sich (ähnlich wie bei den früheren Brendel-Einspielungen) durch Wärme und Brillanz aus.
4
Alicia de Larrocha
Sir Colin Davis
English Chamber Orchestra
RCA
1991
14:28 7:38 9:10 31:17
Diese Einspielung ist Frau Larrochas zweite. Sie entstand nur sechs Jahre nach der ersten mit Georg Solti und dem Chamber Orchestra of Europe noch für ihr altes Label Decca. Das Orchester wirkt nun etwas kleiner als bei Solti (obwohl da auch ein Kammerorchester spielte) und es wirkt nicht mehr so übermächtig. Das Holz klingt härter als beim COE. In der Orchesterexposition wirkt das Drama nicht richtig ausgespielt. Das Verhältnis Klavier und Orchester ist jetzt besser ausbalanciert, der Flügel klarer abgebildet als bei der Decca 1985. Frau Larrocha spielt sanft und behutsam, aber nicht extrem leise. Ihr Spiel perlt auch mit 68 immer noch sehr schön. Der Klang des Flügels ist nun etwas weniger brillant und weniger farbig, das Concertare jedoch erscheint verbessert. Schwung findet, wenn überhaupt nur im Orchester statt (z.B. beim herrischen Aufbegehren des ersten Themas). Die Hörner werden jetzt von Davis, anders als noch 1966 mit Frau Haebler besser herausgestellt. Alles erscheint wohlgeordnet und harmlos. Frau Larrocha spielt wie bereits 1985 mit Solti die Kadenz von Paul Badura-Skoda. Allerdings wenig dramatisch.
Im Larghetto wirkt das Spiel der Pianistin innig und nuancenreich, doch unverzärtelt. Man spielt nun etwas dem Dialog zugewandter als es noch mit Sir Georg Solti war. Vor allem das Holz untereinander. Das Holz trägt in dieser Aufnahme noch reichlich Vibrato auf.
Das Orchester spielt das abschließende Allegretto temperamentvoller als das LSO in der Aufnahme mit Kissin und Davis 15 Jahre später. Klar unterscheidet die Pianistin zwischen legato, non legato und staccato. Man lässt insgesamt einen gekonnten, aber konventionellen Mozart hören, gut ausbalanciert aber ohne besonderen Schwung und ohne Überraschungen.
Der Raum wirkt besser umrissen und erheblich transparenter als 2006. Das Orchester wirkt weniger voluminös und nicht hallig. Der Flügel erscheint sehr gut abgebildet und voluminös, aber mit weniger Glanz als bei Ingrid Haebler. Das Klangbild erscheint besser ausbalanciert als bei Kissin/LSO/Davis, der Flügel deutlicher. Insgesamt gefällt und die Aufnahmequalität besser als bei der EMI 2006, sie erscheint uns werkdienlicher, weniger „wolkig“ und konturierter.
4
Jewgeni Kissin
Sir Colin Davis
London Symphony Orchestra
EMI
2006
13:28 7:50 8:38 29:56
Die letzte Einspielung mit Sir Colin entstand live in der Barbican Hall, London. Sie macht einen gut genährten, balsamisch klingenden Eindruck. Das Orchester wirkt düster, eingedunkelt, aber auch etwas „trübe“ und etwas „dick“. Das Blech erhält keine hervorgehobene Rolle. Die Orchesterexposition wirkt so keineswegs klar und wenig lebendig. Gewissermaßen mit einem Trauerrand versehen, kaum lebendig, aber sorgfältig abgerundet. Kissins Flügel hebt sich davor klar und hell ab. Die Klangtechnik zeichnet ihn jedoch keineswegs dominant, sondern belässt ihn im Orchesterhalbrund. Da hat man die schicksalsergebene Haltung klangtechnisch schon etwas zu wichtig genommen, denn er kann sich gerade mal noch so behaupten. Der Einschätzung der Klangtechniker scheint der Pianist zu folgen, denn seine Spielweise erscheint überaus sanft und kultiviert. In Verbindung mit einem nicht gerade zügigen Tempo und der dunkel-sämigen Orchesterspiels wirkt der Gestus dann ein wenig träge und die Interaktionen und Korrespondenzen mit den Holzbläsern erscheinen stark zurückgenommen. Dramatik oder gar Leidenschaft kommt so gut wie nie auf und wenn, dann flackert sie nur mal kurz auf um danach wieder in Trübsal zu versinken. Technisch und musikalisch stehen die Qualitäten der Mitwirkenden außer Frage, aber die Talente werden doch zu einseitig genutzt, sodass manches zu hintergründig bleibt. Kissin spielt eine gute, eigene Kadenz ohne Extravaganzen, die stilistisch nicht aus dem Rahmen fällt.
Im Larghetto herrscht warme Klangsinnlichkeit, in Phrasierung und Klang in jeder Hinsicht ausgefeilt. Seltsamerweise bleibt es trotz mild strahlender Schönheit etwas oberflächlich. Vielleicht wurde der Flügel einfach zu hintergründig platziert, denn eigentlich sollte ihm im zweiten Satz die Bühne deutlicher gehören.
Im Allegretto vermisst man die Inspiration eines Brendel durchaus, denn man kommt kaum über eine sorgfältige, aber brave, recht detailreiche Darbietung hinaus, sehr schön fließend, klanglich warm und edel und insgesamt gewichtig. Das Holz klingt ausgezeichnet, es wirkt aber nicht sonderlich mitteilsam und es fehlt ihm an Dringlichkeit. Echte Dramatik kommt eigentlich nur in den letzten vier Takten auf.
Die Aufnahme stellt das Orchester und den Flügel leicht distanziert vor. Es herrscht eine dunkle, fast pastose Farbgebung, vor allem beim Orchestertutti. Gegenüber dem Flügel erscheint das Orchester leicht dominant. Insgesamt wirkt die Aufnahme weich, sanft, füllig und etwas verschleiert. Vom Publikum nimmt man keine Notiz.
4
Kyoko Tabe
Jesus Lopez-Cobos
Orchestre de Chambre de Lausanne
Denon
1995
14:01 7:31 8:51 30:23
Die Aufnahme, bei der die Pianistin, die u.a. bei Klaus Helbig in Berlin studierte, 28 Jahre zählte entstand im „Musica Théâtre“ in La Chaux-de-Fonds. Die Orchesterexposition könnte sonorer klingen. Die Oboen klingen hell, platzen aber nicht aus dem Gesamtklang oder dem Bläsersatz heraus. Das Blech wird nur selten richtig exponiert. Das Holz wirkt zwar luftig, wird jedoch auf Distanz gehalten. Das Klavierspiel wirkt sanft, sauber und flink, der Anschlag eher weich gerundet als straff konturiert. Es gibt wenig Rubato, aber immerhin gibt es davon etwas zu hören, meist hören wir jedoch ein Non-legato-Spiel ohne große Spannung und ohne Überraschungen. Es wirkt dabei keineswegs kraft- oder farblos, sondern präzise und geschmeidig. Frau Tabe spielt eine eigene, schwärmerische und ziemlich virtuose Kadenz, bei der sie die Tasten nicht nur streichelt.
Das Larghetto erklingt sanft, harmonisch und bestens mit dem Orchester austariert. Das Klavier erscheint in diesem Satz größer und deutlicher vorm Orchester abgebildet.
Im dritten Satz wirkt das Orchester noch profilierter als im ersten Satz, die verschiedenen Variationen werden gut charakterisiert, teilweise sogar mit Biss. Da kommt man teilweise mal aus der Komfortzone heraus und zeigt, was möglich ist.
Der Klang erscheint, luftig, recht großzügig in der Räumlichkeit und plastisch. Durchaus dynamisch, aber leider ziemlich hallig. Tr-
otzdem wirkt die Staffelung des Orchesters deutlich. Die Violinen klingen ein wenig hell und dünn, das Holz etwas distanziert.
4
Alicia de Larrocha
Sir Georg Solti
Chamber Orchestra of Europe
Decca
1985
14:46 7:46 9:02 31:34
Diese Einspielung schien den Protagonisten nicht sonderlich gefallen zu haben, denn sie wurde erst 2010, also 25 Jahre nach ihrem Entstehen veröffentlicht. Das Orchester wirkt größer als es wahrscheinlich war (das COE als ausgewachsenes Sinfonieorchester) und man nimmt die Orchesterexposition langsam und bedeutsam, sodass das gewöhnlich leichte und quicklebendige Orchester sogar etwas schwerfällig, ungelenk und dröhnend erscheint. Das gute Holz lässt jede Nähe und Intensität vermissen (es wurde distanziert aufgenommen), was das Concertare erheblich erschwert. Fast wirkt es so, als würde man aneinander vorbei spielen. Das Klavier ist brillant aber auch recht hart aufgenommen, steht klar aber und deutlich im Raum. Die Einspielung erscheint einseitig auf Glanz ausgelegt worden zu sein und die Nuancierungen im Spiel der Spanierin wirken, falls sie überhaupt kommen, halbherzig. Erneut spielt Frau Larrocha die Kadenz von Paul Badura-Skoda. Wir hören im ersten Satz ein Mozart ohne Charme und in einem zweifelhaften Stil.
Im Larghetto kommt der weiche, doch gut konturierte, farbige, weitgehend perlende und brillante Klavierklang besser zur Geltung, nun vom Orchester weitgehend „ungestört“. Das Holz wirkt nicht mehr ganz so verhallt.
Das Allegretto zeigt das Konzert weitgehend als ein „großes“, aber auch repräsentatives Konzert, es wurde gemeinsam mit dem 26., dem „Krönungskonzert“ aufgenommen. Vor allem die Pianistin sorgt für etwas Wärme, wenngleich ihr Klavier schon fast zu brillant klingt. finger- und handtechnisch sehr elegant und geschmeidig, wäre besonders in der Dynamik eine bessere Nuancierung wünschenswert gewesen.
Der Klang der Aufnahme wirkt hallig und großorchestral ausufernd, konturenschwach und bassstark, wenig präsent und leicht verschwommen (nicht im 2. Satz). Gegenüber den beiden 1977 (darunter KV 595, noch mit dem London Philharmonic Orchestra) stellt diese Aufzeichnung einen deutlichen Rückschritt dar.
4
Michel Dalberto
René Klopfenstein
Camerata Academica Salzburg
VDE - Gallo
1971, live
13:43 7:41 9:07 30:31
René Klopfenstein, die wenigsten werden heute mit seinem Namen noch etwas anzufangen wissen, war u.a. Produzent bei Philips und betreute dort ab 1957 mehr als 300 Schallplatten-Produktionen. Ab 1967 war er wieder mehr als Dirigent tätig und Direktor des Musikfestivals in Montreux.
Das Orchester ist bereits von der Anda-Aufnahme von 1967 bei der DG bekannt. Dieses Mal spielt es etwas hemdärmelig, aber lebendig. Eine weitere Aufnahme mit der Camerata folgte dann noch mit Andras Schiff und Sandor Vegh bei Decca. Der Pianist pflegt einen deutlich weicheren Anschlag als Herr Anda und verfügt auch nicht über dessen Klarheit der Artikulation. Er geht auf seine Weise dem Virtuosentum ganz aus dem Weg und spielt so auch seine eigene Kadenz.
Im Larghetto überzeugt die flüssige, lebendig-bewegte Spielweise. Hier gibt es kein Rokoko-Porzellan-Szenario und der französische Pianist zeigt sich keineswegs als ein „Kind von Traurigkeit“.
Das Allegretto erklingt spannungsreich und ohne weitere besondere Vorkommnisse. Der Klang der Live-Aufnahme wirkt wenig transparent. Der Flügel steht inmitten des wenig differenzierten Orchesters. Die Aufnahme wirkt diffus, wenig sonor und im Ganzen trocken.
3-4
Rudolf Serkin
Claudio Abbado
London Symphony Orchestra
DG
1986
14:20 8:35 9:19 32:14
Die beiden Aufnahmen des 24. Klavierkonzertes, die uns von Rudolf Serkin erhalten geblieben sind, entstanden in unmittelbarer zeitlicher Nähe. Die Live-Aufnahme in einer amerikanischen Schule wäre besser nie ans Licht der Öffentlichkeit gekommen und auch bei der Studio-Aufnahme, die wesentlich besser gelungen ist, wünschte man, sie wäre ein oder zwei Jahrzehnte früher entstanden. Leider fiel KV 491 durch ein imaginäres Raster und gehörte nie zum Bouquet der bei CBS in den 60ern hochklassig eingespielten Mozart-Konzerten.
Abbado, noch vor seiner Annäherung an die HIP, lässt das Orchester, dessen Chef er damals war, großformatig, wuchtig, ziemlich theatralisch, kantabel aber ohne besonderen Drang spielen und leider auch ziemlich „dick“. Das Orchester spielt allerdings um Klassen besser als in der Live-Aufnahme aus Oberlin, die wir zu den Mono-Aufnahmen sortieren mussten.
Auch der Flügel und das Klavierspiel ist um Klassen besser als im Live-Mitschnitt, bei dem man zweifeln muss, ob Rudolf Serkin überhaupt der ausführende Pianist war. In London stand jedenfalls ein hochwertiger Flügel zur Verfügung. Der Steinway klingt jedoch dünner als in den alten CBS-Aufnahmen Serkins und zwar in Hochton, Mitten und Bass. Das wäre noch zu verschmerzen, doch der Pianist spielt nun mit 83 altersmilde. Er bietet keine Kampfkraft mehr auf, es fehlt an Brillanz, es klingt matt und mit wenig Spannung, wenig Spontaneität, was ja eines seiner Markenzeichen war. Das Orchester nimmt eigentlich nur seine Begleitfunktionen wahr, wirkt sogar ein wenig ungelenk, kaum elegant. Abbado bietet noch nicht die Eigeninitiative auf, die bei den Einspielungen anderer Mozart-Konzerte mit den Damen Pires und Argerich zu bemerken ist. Serkin spielt eine eigene Kadenz, die er auch in Oberlin spielt.
Im Larghetto spürt man die größten Unterschiede zur Live-Aufnahme aus Oberlin. Der Pianist spielt nun die Eingänge aus, der Anschlag wirkt weniger „sprunghaft“ und viel homogener. Das Orchester klingt ebenfalls viel homogener und angenehmer, es wird Herrn Serkin ein weicher Klangteppich ausgerollt. Der Flügel klingt bisweilen etwas schwach und monochrom und wird vom Orchester ein wenig übertönt, trotz aller Akribie.
Das Allegretto ist von den drei Sätzen am besten gelungen, doch fehlt es auch hier an der ehemaligen Kernigkeit, Schnelligkeit, Spannkraft und dem spontan wirkenden Zugriff. Das LSO spielt nun etwas gelöster als im ersten Satz, aber wie der Pianist ohne Brio.
Der Klang der Aufnahme wirkt großräumig, gerade noch nicht hallig, räumlich, aufgeräumt und gut ausbalanciert, nicht gerade sonor (was für Flügel und Orchester gilt) und nicht gerade dynamisch. Insgesamt weich und etwas blass.
3-4
Eugene Istomin
Gerard Schwarz
Seattle Symphony Orchestra
Reference Recordings
P 1996
14:46 7:25 9:02 31:13
Die Einspielung wurde im Saint-Thomas-Center Seattle aufgenommen. Man könnte fast meinen anlässlich des 70. Geburtstag des Pianisten. Das Orchester spielt noch nach dem Vorbild der 60er und 70er Jahre mit einer stark besetzten Streicherschar. Wir hörten gerade zuvor die Aufnahme mit Martin Helmchen und Gordan Nikolic und wir hörten nun von vielem weniger: Blech und Holz sind weniger exponiert und wo ist überhaupt die Pauke? Dafür gibt es dann einen dicken Bass. Weniger Drang und weniger Concertare gibt es auch. Insbesondere das Holz ist nicht so dialogorientiert wie bei Nikolic. Schwerfällig wirkt der Gestus noch nicht, aber hellwach ebenfalls nicht. Istomin selbst spielt viel weniger kontrast- und nuancenreich als Helmchen und weniger poetisch. Herr Istomin legt noch besonderen Wert auf die schöne Linie und den vollen und schimmernden Klang. Federleichte Virtuosität gibt es nicht (mehr). Hier hören wir eher einen „wohlgenährten“ Mozart ohne Existenzsorgen, um 1996 bereits besonders orchestral etwas aus der Zeit gefallen. Die Kadenz von Herrn Istomin soll nach Aussage des Texthefts die Kadenzen vieler Kollegen und eigene Ideen kombinieren. Dennoch ragt sie nicht unter den vielen anderen heraus. Sie wirkt stilistisch (erstaunlicherweise) einheitlich und erscheint etwas zu lang (redundant).
Im Larghetto fällt der weniger „flutende“, d.h. wenig tragende Klang des Flügels auf, auch wirkt er wenig schwebend. Er erinnert uns an die Einspielung mit Justus Frantz aus Ludwigsburg. Entgegen der Gebräuche, wie wir sie bei vielen Labels erlebt haben, wird bei RR im Larghetto sowohl der Flügel als auch das Orchester nicht näher herangeholt. Normalerweise begrüßen wir aufnahmetechnische Modifikationen oder auch abfälliger „Mätzchen“ nicht, aber in diesem Fall hätte es der Präsenz gutgetan. Um den Vergleich mit der Einspielung von Helmchen/Nikolic wieder zu bemühen: Das Larghetto wirkt bei Istomin und Schwarz gewichtiger und es geht nicht viel Zauber von ihm aus.
Im Allegretto stört das „dicke“ Orchester am meisten. Die Pauken klingen so mulmig wie es in den 60er Jahren üblich war und vom Blech hört man: gar nichts. Der Satz wirkt im maßvollen Tempo recht gleichförmig „runtergespielt“.
Der Klang bietet uns ein weites Orchesterhalbrund und einen weich gerundeten Streichersound in einer philharmonisch-gediegenen Manier. Der Flügel klingt ein wenig präsenter und recht brillant. Insgesamt wirkt der Klang ganz natürlich und warm. Es ist ein leises, beständiges Rauschen zu hören, als ob die Aufnahme noch oder wieder analog erfolgt wäre.
3-4
Annerose Schmidt
Kurt Masur
Dresdner Philharmonie
Eterna, Berlin Classics
1971
13:17 7:08 10:19 30:41
Diese Einspielung wurde in der Lukaskirche zu Dresden gemacht. Die Orchesterexposition wirkt kraftvoll, aber auch wenig nuanciert. Nach heutigen Kriterien oder Maßstäben wirkt das Streicherkorps zu stark besetzt. Es ergibt sich eine Art Terrassendynamik.
Die Pianistin setzt, anders als in ihrer Darbietung des 2. Klavierkonzerts f-Moll von Chopin, wenig Akzente. Es kommt uns so vor, als würde sie ihren Part gerade mal leidlich elegant nur abschnurren. Nicht feingeistig, nicht klassisch, romantisch oder dramatisch orientiert. Auch beim Orchester bleibt alles mehr oder weniger in einem Duktus. Es klingt zwar farbig und nie hart aber doch sehr einförmig. Ein gewisses „dialektisches“ Concertare stellt sich nicht ein. Man spielt sich kaum mal einen Ball zu und eher nebeneinanderher. Frau Schmidt spielt die Kadenz von Edwin Fischer, die man sonst (außer bei Edwin Fischer selbst) zumindest in unserem Vergleich nicht noch einmal hört.
Im Larghetto gefällt uns Frau Schmidts Spiel besser. Sie baut eine wirklich schöne Stimmung auf, die Herr Masur jedoch sogleich wieder mit einem allzu pauschal und grob aufspielenden Orchester wieder relativiert. Die solistischen Beiträge der Bläser wirken seltsam gehetzt, wobei sie klanglich eigentlich gefallen würden. Es fehlt dem gesamten Orchesterspiel an Feinheit, mitunter hatten wir den Eindruck, dass es dem Orchester zu schnell ging und es lieber ein moderateres Tempo angeschlagen hätte. Da wäre wahrscheinlich ein angemessenerer Ausdruck herausgekommen. Aber hier tickt nun mal unbarmherzig die Uhr.
Im Allegretto spielt Annerose Schmidt überaus kraftvoll. Da herrschen jetzt mitunter sogar knallige Passagen vor, mitunter werden Passagen auch auf besinnlich getrimmt. Nachvollziehbare Gefühlsregungen konnten wir hingegen nicht feststellen. Viel Mühe und Virtuosität investiert die Pianistin in die nur selten in dermaßen „ausgewachsener“ Form präsentierten Kadenz des dritten Satzes. Viele verzichten da sogar ganz drauf und spielen nur das ausgedehnte Solo das Mozart der eigentlichen Kadenz folgen lässt. Diese Kadenz dehnt die Spielzeit des dritten Satzes bei Frau Schmidt deutlich. Ihr Tempo war keinesfalls so lahm, wie es die Spielzeit sonst suggerieren würde.
Die Aufnahme klingt viel sonorer, voller, körperhafter, räumlicher und luftiger als z.B. die viel neueren Aufnahmen von Eugene Istomin oder Natalia Trull. Sie offeriert sogar eine gute Tiefendimension und eine gute Dynamik. Wir hören einen sehr guten Analogklang vom VEB Deutsche Schallplatten. Er hätte auch eine Modellinterpretation erlaubt.
3-4
Annie Fischer
Marc Andreae
Swiss Italian Radio Orchestra
Doremi
Ca. 1978, live
14:26 8:32 8:40 31:38
Marc Andreae war 1969-1991 Chefdirigent des sonst häufig Orchestra della Radio-Televisione della Svizzera italiana genannten Orchesters in Lugano (heute einfacher nur noch: Orchestra della Svizzera italiana). Das Orchester scheint relativ groß besetzt. Es gibt sich kaum eine Blöße, obwohl die Oboe noch reichlich „quakend“ klingt und den Bläsersatz vorwitzig beherrscht. Das Zusammenspiel allerdings erfolgt nicht immer ganz präzise. Die bereits von ihrer Londoner EMI-Aufzeichnung von 1966 bekannte und nun 64jährige Pianistin wartet wieder mit ihrer breiten Anschlags- und Ausdruckspalette auf. Leider wirkt der Gesamtklang reichlich diffus. In der Kadenz, es ist wieder die von Mozart-Schüler Johann Nepomuk Hummel, spielt sie nicht mehr ganz so virtuos und treffsicher wie zuvor.
Im Larghetto überragt die Pianistin das damals noch eher mittelmäßige Orchester und den schwachen Klang der Aufnahme deutlich. Beim Flügel macht er sich weniger bemerkbar als beim Orchester, sodass der Flügel brillant klingt und so die Begleitung noch deutlicher überragt.
Das Allegretto ist trotz der exzellenten pianistischen Darbietung kein Genuss. Da fehlt einfach schon zu viel von dem, woran man sich bei den vielen guten Einspielungen gewöhnen konnte. Irritierend ist die englischsprachige Ansage, die auf einen Mitschnitt einer Radiosendung nicht unbedingt aus Lugano hindeuten würde.
Der Klang präsentiert eine weite Räumlichkeit, lässt jedoch Flügel und Orchester nur entfernt hören, er wirkt fast so, als wäre in einer Kathedrale aufgenommen worden. Das Orchester wirkt hallig und diffus, als ob man das oder die Mikrophone in der letzten Zuschauerreihe positioniert hätte. Ob man eine sakrale Stimmung erzeugen wollte, oder die Mikros schamhaft verstecken musste? Wenn die Ansage nicht wäre, würden wir eine Amateuraufnahme vermuten. Diese Aufnahme stellt in keiner Weise eine Konkurrenz zur EMI-Aufnahme der Pianistin dar.
3-4
Hans-Jürg Strub
Christian Erny
Württembergische Philharmonie Reutlingen
Ars
2024
14:16 6:59 9:14 30:29
Diese Aufnahme entstand im Studio des Orchesters, früher hätte man wahrscheinlich Probenraum mit Aufnahmemöglichkeit dazu gesagt. Der Dirigent war einmal Schüler des Pianisten. Erny lässt das Orchester groß, recht langsam und gewichtig aber nicht zäh intonieren. Auffallend ist die sehr deutlich verfolgbare Stimmführung jeder einzelnen Stimme, auch die Liegetöne des Holzes wirken nicht nur hörbar, sonders sie verströmen auch eine gewisse wie unterschwellig manisch wirkende Drohkulisse. Die sf wirken markant. Dennoch würde man den Zugriff nicht als dramatisch geschärft bezeichnen. Der Flügel klingt voll und rund, wie man es von einer so aktuellen Aufnahme erwarten durfte. Das Spiel nicht lasch, aber auch nicht besonders gespannt, vielleicht auf eine weichliche Art sanft. Im Anschlag kann Herr Strub kaum mit Frau Haskil oder Herrn Anda konkurrieren. Das Concertare ist spürbar, wirkt aber nicht gerade agil. Das Holz des Orchesters erreicht nicht ganz die höchste Marke, so wirken die Academy, das SCO oder sogar das Orchester aus Gävle voller im Klang und feiner in der Ansprache. Alles macht einen wohlproportionierten, gut ausbalancierten Eindruck bei bester Transparenz, nicht übermäßig dramatisch und schon gar nicht dringlich. Dazu liegt schon alleine das Tempo zu dicht am betulich-biederen. Die Kadenz hatte sich Herr Strub bereits in seiner Jugend von einer Aufnahme Clara Haskils abgehört, die ja bekanntlich jeweils eigene Kadenzen spielte.
War das Tempo im ersten Satz auf der gemächlichen Seite, so erscheint es im Larghetto besonders zügig, ja flott. Das Holz straft unsere Bemerkungen zuvor nun Lügen und blüht geradezu auf, klingt warm und samtig und zeigt gutes kammermusikalisches Zusammenspiel, auch die Hörner werden schlüssig mit eingezogen. Der Flügel klingt leider nicht besonders sonor oder edel, was sehr wahrscheinlich auf die Anschlagstechnik des Pianisten zurückzuführen sein dürfte.
Auch im Allegretto könnte (nach unserem Empfinden) der Anschlag etwas kraftvoller, bestimmter oder resoluter zupacken. Die Darbietung schließt jedoch auch Momente ein, die uns besonders gelungen oder geglückt erscheinen. Gelungene Bläserpartien etwa oder Passagen bei denen das Concertare besonders „herzlich“ wirkt. Die letzte Brillanz im Klavierpart fehlt allerdings auch da.
Der Klang der Aufnahme wirkt sehr klar, das Orchester wird sehr deutlich und tiefengestaffelt abgebildet. Der Bass ist sehr gut hörbar (die große Ausnahme bei Mozart-Einspielungen), der Nachhall wirkt angenehm natürlich, das gesamte Klangbild wirkt recht brillant.
3-4
Julian Trevelyan
Christian Zacharias
ORF Radio-Sinfonieorchester Wien
Alpha
2021
14:18 7:09 9:40 31:07
Diese Aufnahme entstand im Großen Sendesaal des Funkhauses Wien. Das Orchester spielt die Orchesterexposition mit vollem Klang, kraftvoll, sanft-drängend und großformatig. Klanglich sehr schön und völlig äquilibristisch bei den Holzbläsern. Es könnte aber besser interagieren. Die Oboe des RSO des ORF hört sich nicht mehr so an, als würde noch die klassische Wiener Oboe verwendet werden. Der Anschlag des jungen Herrn Trevelyan gefällt uns besser als der der Herren Strub oder Le Sage, er wirkt schnell und recht präzise. Er könnte seinem Spiel jedoch mehr Nuancen entlocken, es wirkt passagenweise doch etwas mechanisch und allzu gleichförmig. Der junge Pianist hat sich wie viele andere für die Kadenz von J. N. Hummel entschieden. Er spielt sie, wie den ganzen ersten Satz ohne besondere Dringlichkeit. Gut gemacht, aber die Zuhörenden kaum intensiv berührend. Attila Csampai würde wahrscheinlich sagen: keine „Seelenmusik“.
Das Larghetto klingt eigentlich wohltuend zurückhaltend, mal streng, mal schnoddrig dahingestellt, immer technisch sauber und klangvoll und mit allerlei Ornamentik aufgefüllt. Letztlich kam uns diese Klangwelt aber doch oberflächlich vor.
Im Allegretto perlen die Läufe gefällig, leicht verziert und gedeckt im Klang, mitunter aber auch etwas pedantisch. Etwas kontrastreicher und emotional ein wenig offensiver könnte das Spiel schon sein. Der Dirigent der Aufführung hatte es einmal vorgemacht mit Günter Wand an seiner Seite, anno 1986 für EMI.
Die Aufnahme wirkt transparent aber wenig dreidimensional, voll und dynamisch, aber irgendwie seltsam stumpf. Konventionell und ohne besondere Inspiration wie die ganze Darbietung.
3-4
Roberte Mamou
Gerard Oskamp
Berliner Symphoniker
Ligia, Musica Riservata, Aurophon
1992
14:00 7:25 9:23 32:48
Dies Aufnahme fand in der Berliner Siemens-Villa statt. In der Orchesterexposition werden p und f nur wenig unterschieden, späterhin im gemeinsamen Spiel gilt für das Tutti dasselbe. Das Klavier begegnet uns erheblich nuancenreicher. Der Anschlag der Pianistin wirkt geschmeidig und präzise. Ihr Klang (bzw. der ihres Flügels) farbig, voll, ziemlich substanzreich und gerade im p besonders gut abschattiert, wie man es nur von wenigen Berufskolleg(inn)en hören kann. Ihr Legato weiß zu betören, dennoch gibt es keinerlei Show-Allüren. Das Holz des Orchesters verfügt über einen schönen Klang, geht aber nicht sonderlich bewusst oder gar mit Verve ins konzertieren mit dem Klavier. Das Orchester hält sich aus einem kämpferisch geprägten dramatischen Gegeneinander ziemlich deutlich heraus. Es klingt so alles ein wenig lasch.
Im Larghetto erweist sich das Orchester erneut als Hemmschuh der Einspielung denn es bleibt etwas dick im Klang und starr in der Phrasierung. Gegenüber steht ein natürlich wirkendes, wohlklingendes Klavierspiel und man beginnt sich zu fragen, warum man von der Pianistin aus Tunesien nicht schon früher mal was gehört hat. Sie scheint besonders der Kammermusik zugetan, da gibt es deutlich mehr Aufnahmen von ihr.
Im Allegretto wieder gilt gleiches sinngemäß. Geschliffen und sehr nuanciert spielende Pianistin, etwas grob und weniger differenzierendes Orchester.
Die Klangqualität der Einspielung lässt das Orchester etwas massiv, eher pauschal und wenig transparent erscheinen. Es könnte besser strukturiert sein und wirkt etwas diffus. Der Flügel klingt vergleichsweise viel besser.
3-4
Ben Kim
Michael Waterman
Concertgebouw Chamber Orchestra
Challenge
2022
14:18 8:00 9:01 31:19
Herr Waterman ist seit 2010 Geiger im Concertgebouw Orchester und seit 2012 künstlerischer und geschäftsführender Direktor dieses Kammerorchesters. Die Orchesterexposition wirkt etwas schwerfällig und wenig dringlich. Der Pianist retardiert, spielt vornehmlich non-legato, vielleicht um einen Hammerflügel zu imitieren. Die Qualitäten des modernen Flügels bleiben dabei ungenutzt. So fehlt das typisch sonore, das geschmeidige Legato, das bei Bedarf Gewichtige und vor allem das Brillante. Wir hören also ein Spiel ohne Dramatik, trocken und für uns wenig aufregend. Das Orchester spielt ohne Vibrato und wirkt ebenfalls ziemlich unbeteiligt, statt mit Esprit aufzufallen wirkt es schwerfällig. Seine Rolle als Antagonist zum Flügel, die im Mozart zugedacht hatte, kommt es kaum nach. Die Musik wirkt, als ob der imaginäre Antiheld der Geschichte bereits seiner Emotionen, seiner Leidenschaften beraubt worden wäre. Der Pianist spielt eine eigene Kadenz, unterhaltsam und einfallsreich aber nicht herausragend.
Der klare, strenge und distanziert wirkende Gestus im Larghetto erinnert etwas an Glenn Gould. Herr Kim erlaubt sich einige Verzierungen, die nicht Fehl am Platz sind. Insgesamt wird die kindliche Einfachheit des Satzes jedoch herausgestellt, ohne dass Wärme und Mitgefühl mit aufgenommen werden würden. Sehr schöne Holzbläsersoli.
Im Allegretto erscheint die geringe dynamische Bandbreite selbst wie sie landläufig für Mozart gilt in diesem Fall als irritierend gering. Kim spielt sehr klar, sehr nüchtern und manchmal minimal verhuscht. Er spielt Mozart wie andere Bachs Inventionen. Atmosphärisch kalt.
Die Aufnahme klingt klar und sauber, wenig dynamisch, räumlich und irgendwie perfekt und „clean“.
3-4
Justus Frantz
Wolfgang Gönnenwein
Orchester der Ludwigsburger Festspiele
Bayer Records
1987
13:58 7:47 8:43 30:28
Nur zwei Jahre später erfolgte eine zweite Einspielung des 24. Klavierkonzerts, dann mit Claus Peter Flor und den Bamberger Symphonikern für Eurodisc bzw. BMG, eine Einspielung, die uns nicht vorlag. In Ludwigsburg wirkt die Orchesterexposition ein wenig statisch. Während das Holz durch guten Klang gefällt (Oboe!) wirken besonders die stark besetzten Violinen ziemlich pauschal. Wie bei Kurt Masur wirkt die Dynamik terrassenartig, ohne spezifische Nuancen (es gibt nur p oder f). Die Pauke ist geradezu immer „dicke da“, klingt aber weich und aufgedunsen. Herr Frantz, damals 43 Jahre jung, zeigt kultiviertes, gut laufendes Passagenwerk, passt sich aber in der Dynamisierung dem Orchester an. Da gibt es wenig Nuancen, was auch für die Phrasierung gilt. Sein Flügel wirkt zudem nicht sonderlich sonor, sein Anschlag bringt keinen vollen Klang hervor und wirkt auch wenig konzise, aber lange nicht so schwammig wie beim späten Barenboim, aber auch nicht so weit davon entfernt. Das „Passagenwerk“ wirkt so, gerade wenn man Anda, Curzon oder auch Clara Haskil noch gut im Ohr hat, geradezu „klingelig“. Und wenn es mal zur Sache gehen sollte, wirkt der Zugriff schlaff. Das Orchester erweist sich im Verlauf jedoch etwas differenzierter als das Mozarteum-Orchester unter Leopold Hager, aber nicht viel. Die hochromantische Kadenz, sie hört sich zunächst nach Saint-Saens an, dann jedoch abgewandelt und gekürzt, hat man schon praller und strahlender gehört. Der Satz wirkt etwas lustlos und wenig spannend.
Das Larghetto erscheint weder sonor noch leicht. Der Klang des Flügels trägt kaum richtig und erschien uns ziemlich fade.
Das Allegretto erinnert ein wenig an Andras Schiffs Gangart. Etwas rokokohaft, lyrisch, das Dunkle zurückdrängend (oder nicht bemerkend). Gönnenwein zeigt jetzt auch einmal, dass es im Orchester auch Blech gibt.
Der Klang der Aufnahme macht keine besonders guten Eindruck. Er wirkt leicht hallig und es gibt nahezu keine Staffelung im Orchester. Der Klang des Flügels wirkt wenig sonor um nicht zu sagen schwächlich. Es klingt nie richtig brillant und könnte farbiger sein. In der Balance erhält das Orchester ein Übergewicht.
3-4
Karl Engel
Leopold Hager
Mozarteum-Orchester Salzburg
Teldec
1975
12:33 7:46 9:13 29:32
Mit dieser Einspielung wurde damals auf die neue Ausgabe des Bärenreiter-Verlages aufmerksam gemacht. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass es den Interpreten eher um die Präsentation der neuen Notenausgabe ging als um den Versuch eine neue Referenzaufnahme zu erstellen. Das Spiel des Orchesters erscheint robust-kraftvoll zwar mit einer gewissen Energie, die sich jedoch im Verlauf als pauschal bis hemdsärmelig erweist. Mit Hans Graf in der Einspielung mit Monsieur Heidsieck spielt es merklich differenzierter. Der Flügel präsentiert uns einen gedeckten Bösendorfer-Klang, der den Vorteil hat, gerade bei Läufen und sonstigem „Passagenwerk“ allzu äußerliche Brillanz von vorneherein zu vermeiden. Anschlagsnuancen gibt es selten zu hören, sodass das Spiel auf Dauer monochrom und ebenso pauschal wirkt wie das Orchesterspiel. An kraftvollem Zugriff und ausgeglichenem Jeu perlé fehlt es Karl Engel nicht. Er spielt eine eigene Kadenz.
Im Larghetto herrscht schlichte Kantabilität. Es gibt bereits leichte Tendenzen zu einer „Klangrede“. Allerdings schwerlos oder sonderlich differenziert wirkt das Klavierspiel nicht. Eher geradlinig. Plump geraten die Tutti. Da fehlt der Klangzauber.
Keine übergreifende Phrasierung im großen Bogen beim Orchester, ob man sich da schon ein bisschen an der HIP versucht hat? Sauber und ausgeglichen klingt es bei Herrn Engel, recht virtuos, aber nicht vollkommen losgelöst vom Manuellen, wie man es von den Besten (z.B. Clara Haskil) hört. Es klingt bei ihm immer ein wenig brav. Zurückhaltend im Emotionalen, aber auch wenig elegant wird man den Eindruck des leicht Biederen nicht ganz los.
Der Klang der Aufnahme ermöglicht nur einen eher pauschal wirkenden Orchesterklang mit wenig differenzierter Dynamik und geringerer Transparenz. Der Flügel wird klar abgegrenzt, er spielt aber in derselben Ebene wie das Orchester. Wie dieses klingt er gedeckt, nicht topfig, aber auch nicht brillant.
3-4
Ana-Marija Markovina
Federico Longo
Sofia Soloists
cmn, Music Society
20029
14:13 7:43 8:40 30:36
Die bulgarische Pianistin war Schülerin u.a. von Paul Badura-Skoda, Vitaly Margulis und Anatol Ugorsky. Bei Sammlern und Musikfreunden ist sie besonders durch die Gesamtaufnahmen der Solo-Klavierwerke von Mendelssohn und C. Ph. E. Bach bei Hännsler bekannt geworden.
Das Orchester ist, entgegengesetzt zu dem, was sein Name verspricht, keineswegs solistisch besetzt. Im Orchester kommt jedoch das Blech zu seinem Recht, aber wie der Rest des Orchesters wirkt es matt und überlässt die Hauptrolle der damals 32jährigen Pianistin. Was dem Entwurf des Werkes nicht unbedingt entspricht. Dazu fehlt ihm die Attitüde, die Kraft und Substanz, den ersten Satz imponierend genug darzustellen. Die Pianistin wirkt ebenfalls defensiv, was ihrer Rolle jedoch weit eher entspricht.
Der zweite Satz gelingt besser. Zart, zurückhaltend, sprechend, nuancenreich, nachdenklich.
Das Allegretto spielt die Pianistin technisch recht souverän, was jedoch nicht reicht, um im Umfeld unseres Vergleiches hervorzuragen. Das Orchester wirkt weniger inspiriert, sogar ein wenig „versumpft“.
Der Klang offeriert eine recht breite, recht tiefe Bühne, die eine durchschnittliche Transparenz aufweist. Es fehlen die leuchtenden Klangfarben, nicht zuletzt, weil die Bläser sehr weit entfernt wirken. Der Flügel scheint deutlich vom dahinter liegenden Orchester abgehoben. Insgesamt wirkt auch er eher etwas matt. Es könnte sich um einen Bösendorfer handeln. Die Violinen wirken glanzlos.
3-4
Natalja Trull
Sergei Skripka
Moscow State Symphony Orchestra
Essential Media Group
P 2008
12:57 7:24 8:43 29:04
Die russische Pianistin (1956 im damaligen Leningrad geboren) hatte ihren wohl größten Erfolg, als sie beim Moskauer Tschaikowsky-Klavierwettbewerb 1986 hinter Barry Douglas die Silbermedaille gewann. Das Orchester ist reichlich mit Streichern besetzt, sodass das Tutti reichlich pauschal klingt und das Holz wenig Chancen hat, in einen Dialog zu treten, zumal die Klangtechnik dazu wenig hilfreich erscheint. Auch die Pianistin und der Flügel lassen an Differenzierung in Spiel und Klang zu wünschen übrig. Es wird wenig dramatisch geschärft. Frau Trull hat sich die Kadenz von Camille Saint-Saens ausgewählt.
Im Larghetto wirken Holz und Hörner nicht immer ganz sauber. Das Tempo wirkt recht zügig, das Spiel kantabel, bei Orchester sogar passagenweise fast tänzerisch. Nicht einschläfernd, aber auch wenig tiefgründig. Bei einer besseren Aufnahmequalität könnte man das Spiel der Pianistin mehr genießen. So klingt sie weder brillant noch sonor, wiewohl wir überzeugt sind, dass das in Natura deutlich besser war.
Im Allegretto wirkt sie jedoch am Drama viel mehr interessiert, genau wie das Orchester, das jedoch leider immer wenig fein spielt. Diese Einspielung ist insgesamt kein rechter Gewinn für die Diskographie des Werkes.
Wenn nicht gerade ein Tutti ansteht wirkt der Klang noch räumlich und transparent, aber flach (also wenig dreidimensional), wenig brillant und wenig sonor. Die Violinen klingen trotz der großen Besetzung etwas „strohig“. Das Ganze wirkt etwas entfernt. Immerhin ist der Flügel exakt in der Mitte des Klangbildes platziert.
3
Ketevan Badridze
Djansug Kachidze
Tiflis Symphony Orchestra
HDC, Mazur Media, Excelsior
P 1996
13:45 7:26 8:55 30:06
Nach Beendigung ihrer Ausbildung in Tiflis (1993) zog die georgische Pianistin nach Indiana weiter, um bei Alexander Toradze weiter zu studieren, wo sie ihren Masterabschluss machte und ihr Künstlerdiplom erhielt. Danach bekam sie an der Indiana University ein Lehramt.
Das Orchester spielt meist stürmisch und laut, die Violinen klingen dabei leicht drahtig, das Holz weit entfernt und nicht präsent genug, sodass sich kaum einmal ein Dialog ergibt. Der Flügel klingt hart und ein wenig metallisch. Die Pianistin wartet mit geläufiger Technik und geringer Differenzierungskunst auf. Gerade in der Dynamik. Zudem macht sie reichlich Gebrauch vom Pedal. Ihre Kadenz, bei der wir nicht wissen von wem sie stammen könnte, wahrscheinlich von ihr selbst, wirkt ausschweifend.
Im Larghetto begegnet uns die Pianistin, d.h. korrekt der Klang ihres Flügels in übergroßer Nahaufnahme. Das Holz erscheint nun erheblich dichter an den Flügel herangerückt. Das Orchester spielt schwerfällig, geradezu plump. Frau Badridze spielt keine Eingänge. Ihr Vortrag wirkt ein wenig robust und im Vergleich wirkt ihr Anschlag ein wenig teigig.
Im Allegretto rückt das Holz im Verbund mit der Aufnahmetechnik wieder an seinen Platz, an dem es im ersten Satz bereits gewesen. Das Orchester wirkt massiv und gewichtig, wirkt dabei jedoch grob, zeigt also wenig Akkuratesse, wenig „Gefühl“. Frau Badridze zeigt einiges Temperament und trumpft nun teils richtig dynamisch auf, wobei Mozarts f deutlich ins ff geweitet wird. Das will genauso wenig zum Werk passen wie das pauschale Spiel des Orchesters.
Der Klang der Aufnahme ist von langem Nachhall belastet und sehr räumlich. Durch den hohen Aufsprechpegel wirkt die Einspielung enorm laut, da muss man gegenüber dem üblichen Pegel unbedingt nachjustieren. Es klingt wie in einer Kirche und alles wirkt leicht verfärbt. Die Balance ist eindeutig zum Flügel hin verschoben.
2. Der Pianist als sein eigener Dirigent (wie einst Mozart selbst):
5*
Lars Vogt
Orchestre de Chambre de Paris
Ondine
2021
13:39 6:35 8:50 29:04
Bei dieser letzten Konzerteinspielung vor seinem tragischen Krebstod war Lars Vogts gerade einmal 51 Jahre alt. Obwohl während der Pausen zwischen seiner Chemotherapie entstanden, hatte er noch Hoffnung auf das Unmögliche. Er konnte seine Aufnahme nicht mehr selbst abhören. Das besorgte auf seinen Wusch hin sein Pianisten-Kollege Paul Lewis.
Die Exposition des pulsierend, inpulsiv und enorm saftig spielenden Orchesters wirkt aufgewühlt wie bei kaum einer anderen Einspielung. Das Blech wird stark exponiert und das hervorragend disponierte Holz dialogisiert auf exzellente Weise miteinander. Die sprechend vorgetragene Klavierstimme ist wie das Orchesterspiel von der HIP stark beeinflusst und tritt mit dem Holz in ein nahtlosenes, überaus lebendiges Konzertieren. Herr Vogt spielt mit einem herausragenden Ineins von Straffheit und Poesie, glasklar und mit viel Wärme im Klang. Die Phrasierung wirkt sagenhaft flexibel, fließend oder auch singend, immer glasklar. Man meint er spielt und dirigiert aus einer Warte, die nichts übersieht und das müsse dann ein Blick von oben sein. Nur von dort sieht man ja alles. Die Mühe und Pein des Daseins und das vergebliche dagegen ankämpfen. Wie sehr das doch zu den Lebensumständen vom Komponisten und Interpreten (auf unterschiedlichen Ebenen) zu passen scheint. Dazu kommt dann auch noch eine gewisse Gelöstheit, die man in diesem Zusammenhang kaum erwarten konnte. „Bedeutungsreich und trotzdem nicht schwer“ hat es einmal in einer Kritik gestanden. Vogts eigene Kadenz erscheint relativ kurz und sehr prägnant, wirkt hervorragend gesteigert und schlüssig.
Das Larghetto wird flott gespielt. Es erscheint ganz besonders an der Sprache und ans Sprechen orientiert, sehr lebendig im Tonfall, schattierungsreich im Ausdruck und erfüllt von einer selten zu hörenden Musikalität. Solist und Orchester spielen eng verzahnt miteinander, wie aus einer Seele.
Das Allegretto wirkt sehr rhythmisch, vibrierend und stark prononciert. Die einzelnen Variationen erfahren eine ganz besonders klare Charakterzeichnung in exzellenter Pianistik und enormem Differenzierungsreichtum und erneut der bemerkenswert engen Verzahnung mit dem Pariser Kammerorchester, dessen Chef Lars Vogt damals war. Es stellt alle Orchester, die wir bisher aus Frankreich gehört haben locker in den Schatten und es war Einspielung Nr. 92. Besser gespielt kann man sich das Konzert kaum vorstellen. Herausragend. Dass die Aufnahme keine „Eintagsfliege“ war, beweisen die beiden Live-Aufnahmen aus München und Berlin, die unsere kleine Liste mit den Rundfunkmitschnitten anführen.
Der Klang der Aufnahme ist ganz hervorragend transparent. Der Flügel klingt körperhaft, vollmundig und brillant. Flügel und Orchester sind sehr präsent und sehr dynamisch zu hören. Es wurde ein der herausragenden Darbietung würdiger, audiophiler Klang geschaffen.
5*
Piotr Anderszewski
Sinfonia Varsovia
Virgin
2001
13:48 7:51 8:58 30:37
Diese Einspielung wurde in der Warschauer Philharmonie aufgenommen. Das Orchester wirkt dabei nicht besonders stark besetzt aber enorm kraftvoll, schwungvoll-aufgewühlt, drängend, sehr kontrastreich und extrem dynamisch. Das Spiel des Pianisten bildet dazu zunächst einen extremen Gegensatz: ganz zurückgenommen, zaudernd, abwartend. Das ändert sich jedoch bald. Das Klavier wird in Anderszewskis Spiel zu einem vollwertigen „Gesprächspartner“. Sowohl mit den solistischen Bläsern als auch mit dem ganzen Orchester oder den solistischen Streichern. Die Läufe sind dabei von höchster Virtuosität und wirken nie nur als leere Linie. Das Ganze wirkt sehr klangfarbenreich und so klar wie nur denkbar. Das Klavierspiel selbst ist erfüllt von mehr Leben und Emphase als beispielsweise bei Andsnes, viel saftiger, vollblütiger. Es kommt unserem Ideal (Lars Vogt) sehr nahe, ist ungemein facettenreich und enorm brillant. Obwohl es nicht an Feingeist mangelt wirkt der Vortrag ungemein spannend und so spontan, dass man nie genau weiß, wie es wohl weitergeht. Die (eigene) Kadenz wirkt enorm plastisch, sensibel und zugleich sagenhaft virtuos. Es werden jedoch auch die lyrischen Kräfte elegant zum Sprechen gebracht und die dunklen Mächte werden nicht ausgeklammert. Die Einspielung wirkt progressiv, weil sie die Errungenschaften der HIP und die Errungenschaften der Moderne hervorragend miteinander verbindet.
Das Larghetto erhält einen ungemein „musikalischen“ Vortrag, sprechend, mit fantastischem Nuancenreichtum und schwebendem Klavierklang (auch das anders als bei Andsnes). Da bleibt eigentlich kein Wusch mehr offen. Der Klang ist wunderbar offen, die Dialoge tief empfunden, das Orchester empathisch: Wie bei Lars Vogt erscheinen Solist und Orchester hier wie ein „Herz und eine Seele“.
Das Allegretto wirkt pointenreich und spannend. Anderszewski nutzt den ganzen Dynamikbereich des Orchesters (und des Flügels), zumindest hat man diesen Eindruck. Man feuert sich ungemein an, sodass man mitunter fürchten muss, einer der Partner (das Orchester) käme nicht mehr so recht mit. Was aber nicht passiert. Man spielt mit fabelhafter Akkuratesse und Plastizität. Anderszewski fügt noch eine kleine „Mini-Kadenz“ ein: sehr spannend. Selten haben wir gerade dem dritten Satz so gebannt zugehört. Eine grandiose Leistung bei der 100. Einspielung, die uns zu Ohren kam.
Der Klang der Aufnahme sollte auch den verwöhntesten Klang-Gourmet zufriedenstellen. Er wirkt offen, sehr dynamisch, enorm körperhaft, voll, sehr räumlich, luftig und mit punktgenauer Ortbarkeit der einzelnen Instrumente. Die Transparenz ist so exzellent, dass man schon fast von einem analytischen Klang sprechen müsste. Doch auch die Ausstrahlung von Wärme kommt nicht zu kurz. Der Flügel klingt ungemein präsent und brillant, fast würde man meinen, die Balance wäre zu seinen Gunsten verschoben. Man nimmt es jedoch sehr gerne in Kauf, angesichts der vollendeten Darbietung und der sie letztlich ungemein unterstützenden Klangqualität. Bärenstarke Dynamik. Hautnahe Präsenz.
4-5
Richard Goode
Orpheus Chamber Orchestra
Nonesuch
1999
13:47 7:23 9:14 30:24
Diese Einspielung entstand im Manhattan Center in New York. Man kann zu keiner Zeit irgendwelche Nachteile durch das Fehlen eines hauptamtlichen Dirigenten bemerken. Das Orchester spielt in kleiner Besetzung, ohne „Originalinstrumente“, wie der Kenner selbstverständlich sowieso schon weiß. Man kombiniert die Flexibilität der keinen Besetzung mit einem erstaunlich reichhaltigen, schlanken Orchesterklang. Die Orchesterexposition wirkt stark bewegt, die solistischen Einwürfe der Holzbläser kommen deutlich und sehr musikalisch (mit Verve) und einfach klanglich „schön“. Nur vom Blech würde man gerne mehr hören. Das Klavier wird sensibel gespielt und klingt konturiert. Es gibt kein schwächliches Hereinschleichen auf Zehenspitzen, aber einen ordentlichen Kontrast zum Orchesterspiel. Mister Goode spielt nuancenreich, macht aber kein Theater aus seiner Anschlagskunst. Sehr bewegliches und fein abgestuftes Passagenwerk, keine ewiggleichen Skalen. Er verdeckt mit seinem Klavierspiel, das ebenfalls wärmer klingt als das von Herrn Andsnes, das Orchester nie, wenn es thematisch wichtiger als sein Klavierpart wird. Er überzeugt nicht durch „Ego“ sondern durch musikalischen Feinschliff. Die Tempogestaltung lässt Raum für etwas Rubato, was auf eine besonders fleißige oder effektive Probenarbeit hinweisen könnte. Wie Alicia de Larrocha übernimmt Herr Goode die Kadenz von Paul Badura Skoda, die auch bei uns einen gewissen Favoritenstatus genießt (mit oder hinter Saint-Saens und Hummel). Sie hat eine gute Länge, wirkt stilistisch nicht abgehoben und nicht zu viel oder zu wenig virtuos. Dass man sie mittlerweile kennt, kann ja nicht wirklich von Nachteil sein, denn das Konzert kennt man ja auch bereits.
Im Larghetto trifft man eine ausgewogene Balance von Romanze und Serenadencharakter. Zügig aber auch nicht zu schnell. Ausdrucksvoll, aber auch leicht, beredt und mit Spannung. Es gibt kein Zelebrieren und schon gar keine Mozart-Kugel-Süße.
Im Allegretto wird auf Temposchwankungen verzichtet, trotzdem werden die unterschiedlichen Charaktere der acht Variationen sehr vielgestaltig zur Geltung gebracht. Obwohl nie retardiert wird, wirkt der Vortrag flexibel und nie gehetzt. Es gibt kein Zerfallen des Satzes in einzelne Episoden. Die Musik spricht wie aus sich selbst. Pianistisch wirkt der Amerikaner unauffälliger als die Herren Vogt oder Anderszewski. Auch orchestral strahlt die Aufnahme weniger revolutionären Aufruhr aus. Stimmig ist diese Einspielung ebenfalls. Sehr gelungen!
Der Klang der Aufnahme wirkt dynamisch, farbstark, sehr transparent und plastisch. Staffelung und Ortungsschärfe liegen auf hohem Niveau.
4-5
Murray Perahia
English Chamber Orchestra
CBS-Sony
1976
13:22 8:27 8:49 30:38
KV 491 war in der Gesamtaufnahme von Murray Perahia (1975-1988) mit bei den ersten Konzerten dabei, die aufgenommen wurden. Das Orchester, das bei Daniel Barenboims EMI-Aufnahme ebenfalls mit von der Partie war, zeigt sich verbessert (Holz), auch wenn es nicht mehr so präsent abgebildet wurde. Es wirkt hier diskreter. Es spielt einheitlicher, ohne jedoch in „Einheitsbrei“ zu verfallen. Das Zusammenspiel wirkt lange nicht so dialogisch orientiert wie bei Brendel (1973) oder sogar Barenboim (1971). In dieser Einspielung wird nichts gemeißelt (wie bei Anda oder z.T. auch bei Gulda) und es wird nichts aufgedonnert. Die Musik wird auch nicht so sehr am kurzen Zügel gehalten wie bei Ingrid Haebler oder Karl Engel. Perahias Mozart klingt hier weich getönt im Klang mit sensibler Anschlagskultur, makellos aber nie langweilig oder allzu gleichförmig und schattierungsreich in der Dynamik. Brillant klingt sein Flügel nicht unbedingt, geht eher in Richtung des gedeckten Klangs eines Casadesus oder Andras Schiff. Perahias eigene Kadenz wirkt gut ins Werk integriert. Man vermisst beim ersten Satz ein wenig die kräftigere Klangfarbe und das exponiertere Blech. In den 70ern hatte man da noch keinen geschärften Blick darauf.
Das Larghetto hat nichts Aufdringliches (besonders wenn man Pletnev noch im Ohr hat), wirkt empfindsam, gar intim. In diesem Satz passt Perahias leicht matter, etwas wattierter Klang sehr gut, trifft sowohl den romanzen- als auch den serenadenhaften Ton auf innige Weise treffend. Das ECO passt sich dem Gestus vortrefflich an und spielt den Satz erheblich zurückhaltender als mit Barenboim. Gegenüber dem ersten Satz wirken sowohl der Flügel als auch das Orchester präsenter aufgenommen. Die weiche und runde Wiedergabe unterstützt vortrefflich die besonders gelungene kammermusikalische Zwiesprache. Perahia vermag Bögen zu schlagen. Er spielt den Satz schlanker als die älteren, wie u.a. Rubinstein oder Kempff, aber auch wie Brendel und geschmeidiger und feiner als beispielsweise Annerose Schmidt, nur um einmal zeitlich benachbarte Einspielungen herauszugreifen. Er klingt bei Perahia atmend, innig, aber trotzdem lebendig und frisch, und immer kultiviert.
Viel wärmer in der Ausstrahlung als bei Pletnev und trotzdem lebendig phrasiert gelingt das Allegretto. Nicht die Technik stellt das Klavier in den Vordergrund, sondern die Musikalität. Leicht miterlebbar, unverbraucht und inspiriert. Con anima.
Der Klang der Aufnahme zeigt das Orchester recht einheitlich, das Holz also weniger differenziert. Die Balance zum Flügel erscheint indes gelungen. An Klangfarben mangelt es eigentlich nicht, wenn sie auch leicht pastellen ausfallen. Die Dynamik ist gut, oberflächliche Brillanz gibt es nicht. Das Orchester könnte etwas präsenter klingen.
4-5
Paul Badura-Skoda
Prager Kammerorchester
Transart
2001
13:47 7:04 8:31 29:22
Paul Badura-Skoda hat das 24. Klavierkonzert mehrmals (mindestens vier Mal) eingespielt. Die Einspielung von 2001 war das letzte Wort des 74jährigen in Sachen c-Moll-Konzert. Aufgenommen wurde dieses Mal im Studio Domovina in Prag. 1951 und 62 spielte er das Konzert mit Unterstützung eines Dirigenten ein, in den 70ern ebenfalls alleine und ebenfalls mit dem Prager Kammerorchester aber für Supraphon. Letztere Einspielung lag uns leider nicht zur vergleichenden Rezension vor.
Für den ersten Satz übernimmt er sein Tempo von 1962. Das Orchester wirkt 2001 schmal besetzt und dem Blech wird mehr Augenmerk geschenkt. Das Holz zeigt ein freieres, gefühlvolleres Spiel als in den früheren Einspielungen Badura-Skodas und dem Concertare wird erheblich stärker nachgespürt. Das Spiel des Pianisten erscheint nun der HIP-Spielweise angenähert, ist nuancenreicher geworden. Manuell hat es kaum nachgelassen. Der Anschlag mag nun nicht mehr ganz so prall und schnell sein, die Spielfiguren nicht mehr ganz so klar. Immer noch wirkt es ausgewogen, und das was vielleicht an „Autorität“ verloren gegangen sein mag, hat es an Wärme gewonnen. Es wirkt leichter und beschwingter, wobei ihm eine gewisse klassizistisch wirkende Strenge zugleich nicht abzusprechen ist. Deutlich zu hören spielt er den gegenüber dem Steinway weniger brillanten Bösendorfer, den nicht wenige Pianisten in unserer Liste dennoch bevorzugen (sie stellen insgesamt jedoch die deutliche Minderheit). So geht man eine Art Mittelweg zwischen dem brillanteren Steinway und dem nochmals matteren originalen Hammerklavier (der Zeit nachdem es dem Cembaloklang entwachsen war). Kein schlechter Kompromiss. Vor allem überzieht Herr Badura-Skoda damit nicht den engen klanglichen Rahmen, der durch das kleine Orchester gesetzt wird.
Im Larghetto hören wir das Orchester nun erheblich lebendiger phrasieren als in den beiden älteren Aufnahmen von 1951 und 62. Auch der Pianist selbst spielt erheblich emphatischer als zuvor, trotz des sehr zügigen Tempos. Der Satz bekommt so eine stärker ins Tänzerische gehende, ja sogar leicht „kecke“ Note.
Das Konzertieren im Allegretto erreicht ein höheres Niveau als in den Aufnahmen mit Dirigenten, auch pianistisch wirkt der 74jährige inspirierter als je zuvor (die Aufnahme von 1972 muss leider außen vor bleiben, denn wir kennen sie nicht).
Die Aufnahmequalität ist transparenter, farbiger, dynamischer als in den Aufnahmen zuvor und zeigt eine ausgewogene Balance. Unsere Empfehlung, wenn es um Paul Badura-Skoda geht, gilt der Transart-Einspielung.
4-5
André Previn
Wiener Philharmoniker
Philips
1984
14:47 7:27 9:24 31:38
Nur elf Jahre nach seiner Einspielung mit Sir Adrian und dem LSO gibt es schon ein „Remake“ mit André Previn zu bewundern. Jetzt mit noch mehr Erfahrung als Dirigent lässt er es sich nicht nehmen das Orchester selbst zu dirigieren und es ist jetzt nicht irgendeins. Es kommt aus Wien und drückt der Einspielung seinen Stempel auf. Aufgenommen wurde in den Sophiensälen in Wien. Die Orchesterexposition erreicht durchaus eine an Beethoven (und das was man landläufig gerne mit ihm verbindet) gemahnende Energie. An pianistischer Klasse hat Previn nichts eingebüßt, jedoch wirken seine Läufe (manchmal) tatsächlich so, als würde er sich beim Spielen gerade auf was anderes konzentrieren (nämlich auf das Orchester). Ähnliches beobachtet man nie, wenn das Orchester schweigt. Andererseits werden gerade aus dem Konzertieren mit den Wienern Funken geschlagen. Die Wiener ziehen auch wunderbar volltönend und sehr aufmerksam mit (übrigens viel voller im Klang und charmanter als mit Pollini über 20 Jahre später). Der Pianist scheint sich viel um das Orchester gekümmert zu haben, denn der Pianist spielt teils sehr, sehr gleichmäßig für unser Gefühl zu metrisch), es bleibt ihm wenig Raum und Zeit eine feine Agogik einfließen zu lassen. Dagegen hat man oft den Eindruck, dass Spontaneität ziemlich häufig vom Orchester ausgeht. Wie vor elf Jahren gibt es beim Pianisten Previn wenig p-Spiel, aber viel ff! Bei seiner eigenen Kadenz wirkt der Pianist aussagekräftiger. Es ist eine gute Kadenz, die es durchaus mit seiner bei EMI eigespielten Hummel-Kadenz aufnehmen kann. Sehr brillant und virtuos.
Wie in vielen anderen Einspielungen auch wirkt das Orchester im Larghetto noch präsenter, das Wiener Holz passt klanglich sehr gut zu diesem Satz und es spielt großartig. Gleiches ist uns auch beim Oboenkonzert KV 314 (siehe dort: https://www.klassik-kompass.de/mozart/mozart-oboen-bzw-floetenkonzert-c-dur-kv-314) aufgefallen. Sie klingen einfach abgemessener, besser als die des LSO in der älteren Aufnahme. Der Klavierklang gefällt ebenfalls besser: voll, sonor, schwebend und brillant. Einzig den Violinen wird vom frühen Digitalklang der letztmögliche Glanz geraubt und die ultimative „Verführungskraft“ damit auch. Möglicherweise hat Herr Previn für die Wiener Aufnahme besonders gut geübt.
Zwischenzeitlich (Larghetto) hätte man ja fast annehmen dürfen, die Wiener und ihr klavierspielender Dirigent hätte uns doch vielleicht zur Mozart-Seligkeit führen können, aber auch für sie gibt es aus dem fatalistischen Kreis, den uns Mozart vor Augen führt, dieses Mal kein Entkommen. Natürlich hilft da der Wiener Klangzauber nichts, aber immerhin gibt er unterwegs ein wenig Zuspruch.
Der Klang der Aufnahme wirkt weit aufgespannt, also großräumig, aber realistisch und klar umrissen. Das Orchester klingt sehr transparent, sehr gut gestaffelt und sehr realistisch. Die leichte Härte, die wie so oft besonders die Violinen „hart“ trifft, ist auf das auch beim Erfinder der Technik noch nicht ganz ausgereiften Digitaltechnik zurückzuführen. Insgesamt ist der Philips-Klang der EMI von 1973 klar vorzuziehen. Das Klavier klingt brillanter, das Orchester transparenter, schwebender und es entfaltet seinen ganz speziellen, manche meinen ja morbid-schönen Klangfarben-Reiz.
4-5
Leif Ove Andsnes
Mahler Chamber Orchestra
Sony
2021, live
13:18 6:51 8:55 29:04
Aufgenommen wurde im Wiener Musikverein. Der Norweger begegnet dem Werk kühler und weniger kraftvoll als etwa Lars Vogt. Der erste Satz wirkt nicht so hinreißend und gänzlich von Intensität durchpulst wie bei Vogt. Der Klang des Flügels geht mehr in die Richtung eines Casadesus, dem man allerdings durchaus als Mozart-Ideal nacheifern darf. Andsnes verfügt zwar über einen makellos griffigen Anschlag jedoch klingt sein Flügel deutlich weniger brillant und kraftvoll als bei Lars Vogt. Während sich Andres mehr in Deckung hält, bietet er dem Orchester auch deutlich weniger kantigen Widerstand an als Vogt. Was nichts über die Sensibilität der Künstler aussagen soll. Der Klavierklang wirkt bei Andsnes deutlich kleiner, was ihn vielleicht a priori benachteiligen könnte. Ansonsten wirkt die Klangbildarchitektur bei beiden ähnlich. Das Blech im Orchester ist ähnlich exponiert, es gibt einen ähnlich guten Zusammenhalt zwischen Solisten und Orchester. Es wird Kammermusik gemacht, wenngleich das MCO nicht vom gleichen Ethos beseelt scheint wie das Pariser Kammerorchester oder das BRSO in einer der beiden Live-Aufnahmen des Konzertes mit Vogt. Es geht von ihm nicht derselbe Drang aus und man geht nicht so offen (sozusagen mit „offenem Visier“) in die dramatisch geprägte Auseinandersetzung. Andsnes macht jedoch viel von der leisen Poesie des ersten Satzes hörbar, nur die ungestüme Energie, mit der sich Lars Vogt zum Beispiel in die Läufe wirft, die erscheint bei ihm doch gemindert. Wir vergleichen die beiden Aufnahmen etwas näher miteinander, weil sie im selben Jahr entstanden sind.
Im Larghetto klingt der Flügel stets recht rocken, rhythmisch betont, mit wenig Resonanz. Anscheinend meidet er das Pedal weitgehend. Ein leichter Tanzcharakter bildet sich heraus. Es entwickelt sich im Verbund mit der Klangtechnik kein schwebender Klang, vielmehr scheint das Hammerklavier mit der Kürze seines Resonanzverhaltens als Vorbild genommen.
Das Allegretto erscheint teils leicht mechanisch, ja fast etüdenhaft abgespult, wovon bei Lars Vogt auch nicht der kleinste Ansatz zu hören war. Teilweise spürt man indes eine „katzenhafte“ Aufmerksamkeit. Da denkt man auch einmal an Géza Anda. Das MCO spielt mit spürbarem Enthusiasmus, wirkt weniger kühl als der Pianist, hellwach wirken alle.
Die Aufnahme klingt transparent, gut gestaffelt, weich und geschmeidig.
4-5
Géza Anda
Camerata Academica des Salzburger Mozarteums
DG
1966
12:37 6:57 8:30 28:04
Géza Anda spielte seine Gesamtaufnahme von 1961-1966 ein. Das c-Moll-Konzert stand also ganz am Ende der Sessions. Anda war da 45 Jahre alt. Wie es häufig in den 60ern zu hören war, müsste man sich eigentlich fragen, warum Mozart überhaupt Blech in seinem Instrumentarium wünschte, wenn man doch fast nichts von ihm hört. Und wenn, könnte es bissiger klingen. Ansonsten spielt Andas Orchester straff und recht risikofreudig, aber noch weniger differenziert wie später oder wie seinerzeit die besten. Wir hören jedoch insgesamt bereits eine dynamisch klingende beherzt gespielte, durchaus aufgewühlte Orchesterexposition. Zum guten aber noch etwas pauschal aufgenommenen Orchester gesellt sich ein für damalige Verhältnisse exzellenter Klang des Flügels und ein Klavierspiel mit einem herausragend prägnanten, straff fokussierten Anschlag, sehr differenziert in der Dynamik und mit höchster Präzision bei Läufen, Spielfiguren und einer direkten, anspringende Musikalität. Heute, mit den Errungenschaften der HIP im Hinterkopf wünschte man sich die eine oder andere Phasierung vielleicht etwas flexibler. Anda pflegt einen virtuosen, in der Aussage durchaus leicht zugespitzten, drängenden Mozart, bestechend klar und mit bestem Überblick. Das Orchester (Holz) könnte noch etwas „dialogbereiter“ klingen und wie bereits erwähnt hört man vom Blech so gut wie nichts. In der eigenen, sehr kurz gehaltenen Kadenz zeigt Herr Anda durchaus was ihm zuvor noch verwehrt war.
Das Larghetto, sehr zügig genommen, wirkt vornehmlich klar und geradlinig, ohne es an Kantabilität fehlen zu lassen. Anda spielt ohne Verzierungen und Eingänge, wie es zu dieser Zeit zumeist zu hören ist. Dass es dem Pianisten hier um die Vermittlung eines herzlichen Mozart-Bildes ginge, lässt sich nicht behaupten. Warm wirkt da lediglich der analoge DG-Klang. Auch das Orchester vermeidet jeden Anflug von Mozart-Kugel-Süße.
Im Allegretto hört man wieder, warum Anda damals das Ideal vieler Studenten in den Klavierklassen verkörperte. Geschmeidiger, souveräner und „männlicher“ geht es kaum. Die Orchesterleitung scheint ihm ebenfalls zu gelingen, jedenfalls gelingt das Zusammenspiel nahtlos. Man spürt nicht, dass ein Dirigent fehlen würde. Vielleicht gelänge das Zusammenspiel mit einem Dirigenten noch präziser? Unterdessen hat man in den Jahren nach der HIP manches jedoch schon finessenreicher gestaltet gehört. Auch für den dritten Satz hat Anda eine erneut sehr knappe Kadenz auf Lager.
Der Klang der Einspielung wirkt präsent, plastisch und dynamisch. Das Holz wirkt etwas entfernt, der Flügel erheblich körperhafter als das Orchester. Der zweite Satz rauscht deutlich mehr als die beiden Ecksätze.
4-5
Stefan Vladar
Camerata Salzburg
Harmonia Mundi
2006
12:34 6:26 8:00 27:00
Dies Einspielung entstand im Berliner Teldex Studio. Das was dem Orchesterklang bei Anda noch gefehlt hat bietet diese Aufnahme auch 40 Jahre später noch nicht völlig. Man spielt nun zwar an der HIP orientiert, transparenter, flexibler und auch etwas wärmer im Klang als bei Anda, und auch noch dialogorientierter, das Blech bleibt aber immer noch zurückgedrängt. Die temperamentvolle Ruppigkeit und das angetriebene Temperament scheinen sich aus der Anda-Einspielung herübergerettet zu haben. Vladars Flügel klingt wärmer, im Anschlag nicht so klar (ohne dass direkt was fehlen würde), bei Anda wirkt er jedoch etwas „perkussiver“. Elegant und lebendig wirkt es jedoch bei Stefan Vladar ebenfalls. Man dialogisiert gut miteinander. Die Kadenz wirkt sehr virtuos und angetrieben, aber auch nuancenreich und delikat, es handelt sich um eine der besseren, einfallsreicheren Kadenzen, die uns im Rahmen unserer vergleichenden Diskographie begegnet sind.
Im Larghetto ziert Herr Vladar seine Stimme leicht aus, sowohl er als auch das Orchester lassen ein fein abgestimmtes Spiel hören und im Gegensatz zum gerade zuvor gehörten Greilsamer auch mit Poesie. Trotz des sehr zügigen Tempos und des virtuos anmutenden Spiels wird der melancholische Unterton nicht weggespielt. Dominierend erscheint jedoch eine gewisse Unruhe. Das was den langsamen Satz eigentlich auszeichnet bleibt uns bei Vladar bewusst vorenthalten. Ob sich Mozart sein Larghetto so gewünscht hätte? Schnoddrig gespielt wird da nichts, alles erklingt in bestechender Perfektion.
Auch das Allegretto wirkt temporeich, drängend und pianistisch exzellent. Da wird jeder mögliche Zuckerguss hinweggefegt. Die Art des Spiels (mit einer gewissen Herbheit) erinnert wieder an Géza Anda. Trotz des besonders virtuosen Spiels erscheint die Virtuosität nicht so demonstriert wie bei Greilsamer, sondern spürbar in den Dienst der Musik gestellt. Dennoch geht bei diesem Tempo und bei dieser Gangart nicht wenig Atmosphäre verloren.
Die Aufnahme wirkt nicht ganz so präsent wie bei Anda, jedoch besser tiefengestaffelt und noch etwas plastischer und dynamischer. Der Flügel erklingt nicht ganz mit der Brillanz Andas.
4-5
Martin Tirimo
Prager Kammerorchester
Genuin, Heritage, Regis, MMS
2004
13:43 7:07 9:01 29:51
Die Aufnahme soll in Athen entstanden sein, ein genauerer Ort wird jedoch nicht genannt. Gegenüber den zuvor genannten Einspielungen in unserer Liste wie die von Lars Vogt, oder den Herren Anderszewski, Vladar, Anda oder auch den erst später gelisteten Greilsamer wird in dieser Einspielung im ersten Satz nichts überstürzt. Das von der Aufnahme von Paul Badura Skoda bereits bekannte Prager Kammerorchester liefert eine im Tempo gemäßigte Orchesterexposition, im Gestus immer noch aufgewühlt, aber auch warm getönt und gefühlvoll. Der nun erheblich dominantere Streicherklang (als in der Einspielung mit Badura.Skoda) lässt eine verstärkte Besetzung vermuten und wäre ein Grund für den wärmeren Klang. Aber auch das Fehlen einer spürbaren Hinwendung zur HIP mag zur spürbaren „Erwärmung“ beigetragen haben (der „wärmer“ gelegene Aufnahmeort in Griechenland dürfte da hingegen weniger Einfluss genommen haben). Der Pianist bietet (gerade gegenüber den gerade genannten Kollegen) eine recht introvertierte Darbietung mit einem klaren, trockenen Anschlag und einem sparsamen Gebrauch des Pedals, lässt aber noch einen recht brillanten Klang hören. Die Phrasierung wirkt lockerer, dezent und geschmeidig bei einer oft auffallend herausgestellten linken Hand. Insgesamt fehlt es den vorgenannten gegenüber etwas an Schlüssigkeit. Die Kadenz (es ist wieder eine „pianisteneigene“) erscheint uns etwas verspielt und sie geht nicht so deutlich auf die Themen des ersten Satzes ein. Bizarrerien und 12-tönige Abgründe werden vermieden.
Das Larghetto wirkt hier, weich, rund und natürlich fließend serenadenhaft und weniger wie eine Romanze. Das Holz klingt gut, spielt jedoch zurückhaltender und dezenter als heute üblich. Warmherzig wie vor der HIP-Bewegung, aber leicht. Dass sich die Prager auf Mozart verstehen haben sie schon in sehr vielen Einspielungen bewiesen (mit Mackerras, Suk, Badura-Skoda, Moravec u.v.m.).
Im Allegretto darf sich die Musik gelöst und gelassen verströmen. Gefühlvoll und mit sinnfälliger Phrasierung braucht man in diesem Satz gar nicht viel Druck aufzubauen. Auch das ändert natürlich nichts am fatalistischen Ende.
In dieser Aufnahme klingen sowohl der Flügel als auch das Orchester weich und rund. Die Balance wirkt ausgewogen. Etwas distanzierter aber sehr angenehmer Klang.
4-5
Howard Shelley
London Mozart Players
Chandos
1993
13:53 8:31 8:38 31:02
Howard Shelley hat das Konzert zwei Mal eingespielt. Die erste entstand ebenfalls in London und ebenfalls ohne zusätzlichen Dirigenten mit dem City of London Sinfonia ca. 1986. Die Chandos-Aufnahme entstand in der Church of St. Jude-on-the-Hill in Hamstead. Die London Mozart Players sollen übrigens das erste Kammerorchester in London gewesen sein, also noch vor dem English Chamber Orchestra und der Academy of St- Martin in the Fields gegründet worden sein. Es spielt in etwa gleichgroßer Besetzung wie die City of London Sinfonie, nur dass es durch den Aufnahmeraum in einer Kirche noch größer zu wirken scheint. Auch die LMP spielen übrigens nicht auf Originalinstrumenten. Das Klavier klingt nun samtiger und brillanter als zuvor und etwas zu hallig, um den schwebenden (schwerelosen) Klang zu unterstützen und kaum transparenter. Das Zusammenspiel erfolgt nun geschmeidiger aber nicht mehr ganz so kraftvoll. Das Blech kommt etwas prominenter heraus (aber nur etwas) und allgemein wird hier noch weiter verfeinert, sowohl spiel- aus auch klangtechnisch.
Das Tempo im Larghetto wird nun erheblich verlangsamt. Dadurch wirkt der Satz nicht mehr so (unangemessen?) fröhlich. Er erscheint völlig frei von jeder Schärfe. Der Flügel klingt etwas brillanter ohne an Wärme zu verlieren. das Orchester verfügt über die noch besseren Holzbläser, die Oboe sticht nun nicht mehr so unangemessen aus dem Bläsersatz heraus. Stimmiges Gesamtbild.
Das Allegretto wird im Tempo gegenüber der älteren Einspielung kaum verändert, es klingt jedoch weniger kraftvoll, aber eleganter mit noch geschmeidigerer Pianistik, kaum weniger empathisch, aber weniger ausdifferenziert, was einem aber nur im direkten Vergleich auffallen sollte. Shelley und die Seinen sind stets um die helleren Töne der Komposition bemüht. Diese Einspielung wirkt etwas weniger „jugendfrisch“ als 1986, dafür verfeinert und aufnahmetechnisch ausgewogener. Zudem spielt hier das bessere Orchester.
Der Klang der Aufnahme wirkt halliger als im Studio zuvor, man spürt durchaus die Kirchen-Akustik. Die Violinen klingen nun nicht mehr scharf, sondern weich und gerundet. Insgesamt klingt es plastisch und räumlich. Die Tiefenstaffelung ist gut, allerdings zahlt man den Preis mit entfernten wirkenden Holzbläsern.
4
Daniel Barenboim
English Chamber Orchestra
EMI
1971
14:05 8:37 9:16 31:58
Daniel Barenboim nahm seine Dirigentenkarriere vor allem mit Werken von Mozart in Angriff. Neben den späten sechs Sinfonien (1966-71) nahm er auch die Da Ponte-Opern auf. Als er das c-Moll Konzert aufnahm (im Londoner Abbey-Road-Studio No.1) war die Gesamtaufnahme der Klavierkonzerte (1967-74) schon weit vorangeschritten. Bei all diesen Projekten stand ihm das ECO zur Verfügung. Man kannte sich also bereits sehr gut. Die Orchesterexposition wirkt recht leidenschaftlich, düster und recht dramatisch, auch opernhaft. Der Orchesterklang wirkt grundsätzlich streicherorientiert, genauer: die ersten Violinen kommen besonders laut und voluminös zu Gehör. Das Holz kommt ganz gut zur Geltung. Zugeständnisse an die HIP gibt es noch keine, wir werden sie auch in den beiden späten Aufnahmen (1988 mit den Berliner Philharmonikern und 2021 Live in Salzburg mit den Wienern) nicht finden. Der Klang des Flügels wirkt voll, plastisch und wird recht groß hervorgehoben. Barenboims Anschlag wirkt noch straff und flexibel. Er hebt die Spitzentöne gerne besonders hervor. Seine Technik wirkt gewandt und geschmeidig. Obwohl er als Dirigent vielleicht noch unerfahrener war als in den späteren Einspielungen hat er alles weitgehend im Griff. Die Musikalität der Darbietung scheint von der Doppelfunktion unbelastet zu bleiben. Das Zusammenspiel hat wohl noch ein paar Ecken und Kanten und manchmal wirkt das Orchesterspiel gerade bei den Bläsern etwas rustikal. Die von Barenboim verfasste (und gespielte) Kadenz machte auf uns den Eindruck, als wäre sie der Kadenz Beethovens nachempfunden, die dieser zum ersten Satz von KV 466 verfasst hat. Er spielt sie druckvoll und man kann nicht sagen, dass sie im weiten Umfeld der so mannigfach verschiedenen und ähnlichen Kadenzen ein schlechte „Figur“ abgeben würde.
Das Larghetto genießt noch ein romanzenhaft langsames Tempo. Der Satz wirkt lieblicher als wenn er nur sechs oder sieben Minuten währen würde. Die Bläserdialoge werden nicht aus den Augen verloren. Pianistisch erscheint das Spiel noch unverzärtelt und zumindest dynamisch korrekt, wenn auch nicht besonders schattierungsreich. Es gibt keinerlei Verzierungen.
Im Allegretto geht es sozusagen zurück ins Ungewisse. Das macht auch Barenboim deutlich. Am Ende wird im übertragenen Sinn die Tür zugeschlagen und danach gibt es nichts mehr. Auch das wird von Barenboim deutlich gemacht. Er zeigt es sogar in aller Strenge.
Der Klang der Aufnahme wirkt weich, voll, offen, ausgewogen. Der Flügel erscheint gut ins Orchester integriert, wirkt naturgetreu bei aller Fülle und klingt recht sonor und brillant. Der Gesamtklang ist transparent zu nennen und angenehm warm, auch gut ausbalanciert. Unsere Pressungen (diverse Einzelaufnahmen und eine GA) wiesen alle eine recht geringe Tiefenstaffelung auf. Das Holz (Oboe) wirkt so mitunter präsenter als es ihm guttut. Die Lebendigkeit des Klangs profitiert jedoch davon.
4
Christian Zacharias
Orchestre de Chambre de Lausanne
MDG
2011
13:58 6:51 9:26 30:15
Die Aufnahme erfolgte im Métropole in Lausanne 25 Jahre nach der Einspielung mit Günter Wand und dem Sinfonieorchester des NDR. Der dirigierende Pianist war dabei 71 Jahre. Das Holz zeigt sich auch gegenüber der eigenen Aufnahme mit Frau Tabe und Herrn Lopéz-Cobos sehr klangschön und ausgewogener. Es klingt damit viel weniger nach einem von französischen Klangvorstellungen geprägten Orchester als zuvor. Die Orchesterexposition ist gut gespielt und wirkt ähnlich wie die von Güter Wand dirigierte, jedoch viel weicher gezeichnet. Der Flügel hat nun mehr „Luft“ um den eigentlichen Klang, fast wie ein „Heiligenschein“, klingt weniger sonor, wenig straff im Anschlag und weniger kontrolliert, lieblicher, unverbindlicher, immer noch nuanciert. Es ist unter Anderem viel mehr Pedal im Spiel. Das Concertare wirkt beiläufiger und nicht mehr so spannend. Die Skalen plätschern bisweilen etwas dahin. Das Spiel allgemein erscheint nicht mehr so drängend und unerbittlich. Mit Günter Wand an seiner Seite konnte sich der Pianist auch auf ein überschaubareres Arbeitsfeld konzentrieren, das merkt man dem Spiel an. Natürlich ist das Niveau immer noch sehr hoch. Die Kadenz hat sich deutlich verändert, das Orchester darf nun mitwirken (Wechselspiele mit dem Holz) und wenn uns nicht alles täuscht wird auch mal die Gran Partita zitiert. Die Entfernung vom thematischen Material geht nun viel weiter als in seiner Kadenz 1986 in Hamburg.
Im Larghetto macht sich der pedalreichere Klang (der den gewissen „Halo“ mit verursachen dürfte) vorteilhafter bemerkbar, wirkt er doch nun fast schwerelos. Genauso kommt nun auch der wirklich schöne Klang des Holzes gut zur Geltung, die jedoch nicht so präsent interagieren wie beim Sinfonieorchester des NDR. Ohne Günter Wand wirkt der Satz zügiger, leichter und serenadenhafter.
Auch das Allegretto wirkt und erheblich leichter als in der 1986er Einspielung, klingt lockerer aber auch „dünner“ und mit weniger Biss. Was bleibt ist die ausgeprägte Finessierung und eine gewisse Eleganz. Stringenter und spannender ist die Aufnahme von 1986.
Der Klang der Aufnahme wirkt weich und abgerundet, recht klar, warm und anschmiegsam. Es gibt eine recht ausgeprägte Tendenz zum Mischklang, weniger Tiefenstaffelung als bei der älteren Denon-Aufnahme mit Frau Tabe und Herrn Lopéz-Cobos.
4
Mitsuko Uchida
Cleveland Orchestra
Decca
2008, live
14:42 8:02 9:51 32:35
Mitsuko Uchida, bei ihrer zweiten Einspielung, aufgenommen in der Severance Hall in Cleveland, 60 Jahre jung, kommt wie Zacharias nun ebenfalls ohne zusätzlichen Dirigenten aus. Die Orchesterexposition wirkt nun etwas düsterer und vielleicht auch etwas tiefgründiger. Das gemessene Tempo hat daran sicher seinen Anteil. Das Cleveland Orchestra, obwohl es recht üppig besetzt scheint, wirkt zurückhaltend und gebremst. Die Oboe dominiert den Bläsersatz, das Blech findet kaum statt. Dem Dialogisieren im weiteren Verlauf fehlt die impulsive Direktheit von Brendel mit Marriner, obwohl es an Kontrasten eigentlich nicht mangelt. Die Dialoge wirken nun nicht mehr kontrovers, wie sie von Mozart gedacht waren, sondern natürlich und vor allem einmütig. Manchmal hat man das Gefühl, dass das Orchester gerne mehr Tempo und mehr Druck machen möchte.
Ein Gewinn bei dieser Einspielung ist die extrem nuancierte Anschlagskultur der Pianistin. Sie spielt singend, zart mit einer Eleganz, die auch flüstern kann. Es gibt wenig unbekümmerter Glanz, die Melancholie obsiegt. Ihre Spielweise wirkt defensiv, gar so als wolle sie etwas Ängstliches vermitteln. Schwerfällig wird es nie und immer wirkt die Faktur besonders klar, was genauso für das Orchesterspiel gilt. Einen Verlust an Spannung muss man ebenfalls registrieren, was man aber der älteren Einspielung mit Jeffrey Tate ansatzweise ebenfalls anmerkt. Ein im Grunde romantischer Ansatz wird hier mit klassizistischem Spiel verwirklicht.
Der zweite Satz wirkt enorm behutsam, heute würde man vielleicht auch „achtsam“ dazu sagen. Obwohl den Tränen nah, will man noch etwas Trostspenden. Erneut gibt es wieder die zurückhaltenden Verzierungen, die wir ähnlich auch von der älteren Aufnahme kennen. Leider haben es die Techniker nicht mehr geschafft, den Klavierklang mit der schwebend-feinen, erhabenen Schönheit von 1988 in den heimischen Hör-Raum zu zaubern. Vielleicht wollte die Pianistin aber durch den nun bescheideneren Glanz auch mehr Aufmerksamkeit auf den tiefgründigen Ausdruck lenken?
Im Allegretto geht das Orchester bisweilen auf eine solistische Begleitung zurück, wie es in älteren Partituren (z.B. Edition Peters von 1936) mehr als nur empfohlen wird. Es fehlt etwas an Schwung und auch ein wenig an der großen Linie. Auch dieses Mal spielt Frau Uchida wieder eine eigene kleine Kadenz. Nach dieser Kadenz wirkt ihr Spiel plötzlich viel mehr einer „Klangrede“ nachempfunden als zuvor.
Der Klang der Einspielung bringt wenig natürlich wirkenden Raumanteil mit. Er wirkt aber nicht trocken, sondern hell und freundlich, scheint den Intentionen der dirigierenden Pianistin ein wenig zuwiderzulaufen. Kammermusikalische Transparenz wird gewährleistet. Die Balance erscheint geglückt, es sind keinerlei Störgeräusche vom Publikum zu vernehmen.
4
Howard Shelley
City of London Sinfonia
MCA, IMP, Alto
P 1986
13:37 7:43 8:39 29:59
Auch diese erste Aufnahme Howard Shelleys erfolgte im Londoner Abbey Road-Studio No. 1. Der Gestus wirkt dieses Mal entspannt und anmutig, das Spiel recht detailliert. Es gibt jedoch kaum mal einen schärferen Kontrast zwischen Klavier und Orchester. Dies ist in dieser Interpretation kein Werk des Sturm und Drang, ohne dass ganz auf kraftvolle Dynamik verzichtet worden wäre. Das Blech wird noch weitgehend ignoriert, die Oboen dominieren auch in diesem Londoner Orchester den Bläsersatz über Gebühr. Einen interessanten Hinweis findet man im Booklet der Einspielung: Die so arg düstere Stimmung soll aus einem gerade erst vollzogenen Raubmord in Mozarts Nachbarschaft resultieren, wen es dabei direkt getroffen hat, wird nicht erwähnt. Eine gewagte Theorie, die uns bisher in keiner anderen Quelle begegnet ist. Auch in seiner ersten Einspielung gibt es keine Selbstgefälligkeit des Pianisten, stattdessen tadelloses Stilgefühl und nahtloses Zusammenspiel mit dem Orchester, mitunter ein allzu gleichmäßiges „Passagenwerk“. Man spielt noch von der HIP ziemlich „unbeleckt“. An einem munteren Concertare fehlt es nicht, immer wieder erfreut das Orchester mit herzhaft gespielten Beiträgen. Die eigene (?), geglückte Kadenz erscheint ausgedehnt, aber nicht redundant.
Im Larghetto erscheint das Orchester ein wenig vom Klavier abgerückt, eine leichte Schärfe insbesondere der Violinen macht sich nun stärker störend bemerkbar. Beim Flügel merkt man davon weniger, er klingt warm und gedeckt. Der Satz wirkt in dieser Einspielung ziemlich heiter, fast schon ein wenig fröhlich und bewahrt sich seine poetische Note.
Das Allegretto wirkt kraftvoll, pianistisch tadellos, mit viel Emphase und unverstellter Musikalität gegeben. Das Spiel wirkt gegenüber der neueren Aufnahme Shelleys etwas weniger differenziert.
Der Klang der Aufnahme lässt, wie bereits beim zweiten Satz erwähnt die Violinen ein wenig scharf klingen, sonst wirkt er natürlich und transparent, dynamisch, präsent und etwas hallig. Dem Klavier scheint noch etwas mehr Hall zugemischt worden zu sein als beim Orchester.
3-4
David Greilsamer
Suedama Ensemble
Naive
2009
12:09 6:24 8:47 27:15
Die Aufnahme zu dieser Einspielung erfolgte im Performing Arts Center des Purchase College in New York. Das Orchester wurde von Greilsamer 2005 gegründet. Man spielt weitestgehend ohne Vibrato, mit sehr kleiner aber nicht solistischer Besetzung, schnörkellos und (nach unserem Dafürhalten) zu schnell. Dazu kommt noch, dass es so wirkt, als würde ohne jede Gefühlswärme gespielt werden. Der Musik wird so das leicht mysteriöse und ganz deutlich das Tragische genommen oder geraubt, wie man es sehen will. Der Gestus erhält nun etwas atemloses. Das Klavier schlägt sozusagen in dieselbe Kerbe, bringt viel Licht in die Musik, auch da wo man zuvor nie welches vernommen hat. Die Atemlosigkeit erscheint jedoch dominierend und lässt kaum andere Emotionen daneben gelten. Technisch ist die Musik weder für den Pianisten noch für das Orchester ein Problem. Man differenziert gerade die Dynamik recht stark, es scheint jedoch dabei darauf anzukommen, in erster Linie die eigene Virtuosität ins rechte Licht zu setzen, denn die Musik wirkt letztlich so gespielt (zumindest auf uns) recht eindimensional. Kontraste wirken bisweilen forciert, aber unmotiviert, Poesie kommt in diesem Spiel eigentlich nicht vor. Die Kadenz vom Pianisten selbst geschrieben wirkt kurz und in unseren Ohren nahezu nichtssagend.
Im Larghetto geht das Orchester immer mal wieder auf die solistische Streicherbesetzung zurück, man konzertiert zwar, aber so, als wolle man sich eigentlich gar nichts mitteilen. Vielleicht war ja das genau die Absicht der Mitwirkenden, für uns und im Zusammenhang mit all den anderen Einspielungen wirkt die Musik oberflächlich und nur abgespult. Als ob man keine Lust hatte, sich auf die Poesie des Satzes einzulassen. Man spielt den Satz so, als wäre Mozart gerade mal zehn oder zwölf Jahre alt gewesen, als er den Satz komponierte. Da steckt mehr drin als wir da hören.
Im Allegretto kann man die leichtgängige Spieltechnik des Pianisten bewundern. Das schmissig agierende Orchester spielt nicht undifferenziert, aber doch seltsam gefühllos. Allerdings sehr dynamisch. Lebendig klingt es jedoch nicht. Der abschließende Lauf wird geradezu zu einer brutalen Schlussattacke mit zwei staubtrockenen Schlussakkorden. Eine seltsame Interpretation, wahrscheinlich zu progressiv für uns.
Die Balance zwischen Flügel und Orchester ist ausgewogen, der Klang der Aufnahme dynamisch, farbig und transparent, es geht keine Stimme verloren. Knackig wie eine tiefgefrorene Mozart-Kugel. Vielleicht ist das die Lösung zum Verständnis dieser Interpretation: Um der Musik die oft falsch verstandene Süße zu nehmen, friert man ihren Gefühlsgehalt einfach ein.
3-4
Mikael Pletnev
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Virgin, Erato
1991
13:18 8:19 9:10 30:47
Diese Einspielung entstand im Kurhaus zu Wiesbaden. Die Orchesterexposition wirkt dynamisch, frisch-entschlossen und theatralisch bzw. opernhaft aufgebauscht. Mit Pauken und Trompeten. Jedenfalls wird man der Größe des Werkes gerecht. Der Pianist zeigt was es kann, z.B. staunenswerte ppp, was fast schon des Guten zu viel erscheint. Der Klang des Flügels wirkt leicht diffus, was sowohl an der Aufnahmetechnik, der Raumakustik als auch am Pedalgebrauch liegen könnte. Technisch gibt es in diesem Werk jedenfalls keine Grenzen für den Pianisten Pletnev. Geläufiger kann man das nirgends sonst hören. Er verbreitet jedoch keinerlei Wärme mit seinem Spiel und trotz technischer Souveränität wirkt der Vortrag doch etwas einfallslos. Am besten gelingt der erste Satz dann, wenn entweder das Orchester oder der Dirigent alleine spielt. Die Kadenz wirkt ähnlich der Kadenz Schnabels wie ein Fremdkörper, damals war die dodekaphonische Kadenz jedoch noch zeitgenössisch und „modern“, heute wäre sie selbst ja schon ein Anachronismus. Wir können uns nicht ganz entscheiden ob sie nun effekthascherisch oder absurd ist, letzteres vielleicht sogar sein soll?
Im ruhigen Tempo des Larghetto wirkt der Klang des Flügels schwebend, wie wir es eigentlich mögen. Der möglichen Entrückung steht aber ein andererseits auch eiskalter Klang entgegen. Pletnev spielt differenziert, zum Herz erwärmen reicht es jedoch nicht, wahrscheinlich stand das auch gar nicht auf seiner To-do-Liste. Dass er den kleinen, einfachen Satz, der wie eine Rettungsinsel zwischen den beiden großen steht aber so uninspiriert runterspielt sicher auch nicht.
Im recht langsamen und gemächlichen Allegretto wird das Konzert wenig aufregend und wenig spannend zu Ende geführt.
Der Klang der Aufnahme ist offen, großräumig, etwas hallig, aber transparent und sogar recht plastisch. Das Orchester wirkt gut strukturiert, das Holz ist gut zu hören, das Blech ebenfalls. Der Klang des Klaviers wirkt wie vom Orchester umschlossen, brillant, aber kühl und wie mit einer Hall-Fahne versehen. Noch ein Hinweis nebenbei, der eigentlich durch die Digitaltechnik nicht mehr vorkommen sollte: Die Ausgabe, in der alle Mozart-Klavierkonzerte beherbergt sind, die Pletnev für Virgin aufgenommen hat, klingt deutlich besser als die Originalausgabe mit den Konzerten KV 499 und KV 491 allein. Letztere klingt leider topfiger, entfernter, leicht verfärbt, weniger plastisch und vergleichsweise zahm. Wie früher zu Zeiten der verschiedenen Pressungen auf LP. Wahrscheinlich gab es da ein neues Mastering.
3-4
Maurizio Pollini
Wiener Philharmoniker
DG
2007, live
12:26 8:10 9:07 29:43
Diese Einspielung entstand im Großen Saal des Wiener Musikvereins. Pollini nimmt den ersten Satz viel zügiger als André Previn. Uns erscheint er nun schon zu schnell und gehetzt. Des Italieners Anschlag wirkt kräftiger, schneller und eine wenig besser fokussiert als beim gebürtigen Berliner Previn. Die Musik klingt nun jedoch wenig charmant, sie kommt gar nicht richtig zum Ausschwingen und durch das hohe Tempo wird das Dunkle relativiert, das Kämpferische hingegen etwas befördert. Leere, unbewusst runtergespielte Skalen hören wir bei Herr Pollini nicht und pianistisch erscheint er vollkommener als Previn. Auch dem Orchester wird kaum Gelegenheit geboten einmal innig zu werden. Strahlend klingen sowohl die Streicher als auch die Bläser. Previn durchschritt den Satz mehr als Dirigent, Pollini eher als Pianist, was zur Folge hat, dass es bei Previn zu einem besseren Konzertieren kommt, zu einem Dialogisieren auf Augenhöhe. Bei Pollini steht die pianistische Brillanz (harter Anschlag) im Vordergrund und vielleicht auch noch der dramatische Zugriff, der Orchesterpart erscheint hingegen weniger profiliert. Besonders Streicher, Pauken und Blech wirken benachteiligt. Pollini spielt eine Kadenz von Salvatore Sciarrino, die halbwegs im Rahmen bleibt, aber für unsere Ohren nicht besonders aus der Masse von Kadenzen, die für diesen Satz geschrieben wurden, hervorragt.
Im Larghetto gerät das Orchester nun etwas mehr in den Fokus und Pollini ringt seinem Spiel größeren Nuancenreichtum ab, er (und/oder die Klangtechnik) verweigert und jedoch den schwebenden Klang eines tragenden Legato (mit Pedalunterstützung). Obwohl langsamer wirkt Pollinis Larghetto erheblich intermezzohafter und weniger leuchtkräftig als bei Previn mit demselben Orchester allerdings an anderer Stelle und 23 Jahre später.
Im Allegretto wirkt der Zugriff Pollinis recht hart. Wie bereits im Live-Mitschnitt aus Berlin bei KV 595 (siehe dort). Pollini belässt an der Musik Mozarts nichts rokokohaftes mehr. Alles wirkt straff durchgespielt. Das Große und Ganze interessiert ihn anscheinend mehr als die Liebe zum Detail. Als Dirigent wirkt der Pianist wenig segensreich in diesem Satz: Wo sind die Hörner, wo ist die Pauke?
Der Klang der DG-Aufnahme wirkt flächiger als die 23 Jahre ältere Philips-Aufnahme mit Andre Previn, etwas weniger brillant, weit weniger schmelzend. Und obwohl die Transparenz des Holzes nicht schlecht ist, weniger klangfarbenstark. Immerhin leiden die Violinen nicht mehr unter dem leichten Anflug von Härte, der bei Previn 1984 noch zu spüren war.
3-4
Rudolf Buchbinder
Wiener Symphoniker
Calig, Hänssler
1997, live
13:03 7:06 8:25 28:34
Das c-Moll Konzert hatte Rudolf Buchbinder bereits in den frühen 70ern mit der Warschauer Nationalphilharmonie unter Karol Teutsch für Muza eingespielt. Zudem gibt es auch noch einen Videomitschnitt von 2006, bei dem der Pianist zudem die Wiener Philharmoniker dirigiert (Euroarts). Beide Einspielungen lagen uns leider nicht vor. Wohl aber noch ein Mitschnitt mit dem BRSO von 2022.
Diese 97er Aufnahme entstand live im Wiener Konzerthaus. Das Orchester wirkt dabei ziemlich stattlich und zeigt die reichhaltige Besetzung sinnfällig an. Gut, dass man die Pauke überhaupt einmal hören lässt. Das Holz hört man jedoch nur, wenn es solistisch gefordert wird. Die Orchesterexposition ist spannend gestaltet, eine geschärfte Dramatik ist jedoch nicht spürbar. Rudolf Buchbinder hält „nichts“ von Hammerklavieren und ist eigentlich den Produkten der Fa. Steinway zugetan, dieses Mal klingt sein Flügel zumindest wenig sonor und auch nicht sonderlich brillant, als ob ein Bösendorfer Verwendung gefunden hätte. Nicht wenige Musikfreunde werden den Klang dennoch als der Musik Mozarts adäquat bezeichnen. Fast möchte man meinen, dass der Pianist sein Licht unter den Scheffel stellen würde, er spielt aber sicher und virtuos, stellt seinen Part inmitten des Orchesters, also nicht deutlich abgehoben davor. Das befördert durchaus das gemeinsame Musizieren und führt fast zwangsläufig zu einer erhöhten Präsenz des Orchesters. Und tatsächlich wirkt das Concertare auch deutlich, mitunter geht „die Macht“ des Orchesters jedoch so weit, dass der Flügel zugedeckt wird. Auch hat man den Klavierpart in den thematisch geprägten Passagen schon liebevoller gestaltet gehört, gerade da, wo er sich mal stärker dem Orchester hinwendet. Der Mann kann sich eben nicht teilen. Auffallend an dieser Einspielung ist, dass es die Pauke fast bis zu einem konzertierenden Instrument geschafft hat. Der Pianist spielt eine eigene Kadenz.
Etwas direkter und schneller schreitend als üblich hören wir das Larghetto. Passagenweise ist ein Hang zum Hastigen, Hurtigen zu bemerken. Manch einem Hörer wird die Stimmung gerade dadurch ein wenig zu oberflächlich wirken. Man strebt eher einen unverbindlichen „Serenadenton“ an. Der Charakter als Romanze, den der Satz gerne annimmt, wenn er langsamer gespielt wird, bleibt fast gänzlich außen vor.
Im Allegretto wertet Buchbinder den Klavierpart durch einige Verzierungen auf, sein Klavierspiel wirkt spielfreudig aber auch „sportiv“. An einem Blick unter die Oberfläche scheint er weniger interessiert zu sein. Da ist viel weniger von der Palette Artur Rubinsteins zu hören, des Pianisten, den Herr Buchbinder am meisten schätzt. Das Orchester wirkt im Allegretto eloquenter als der Solist. Da heißt es vor allem: gerade durch. Für eine kleine Kadenz bleibt keine Zeit.
Der Klang der Aufnahme balanciert Flügel und Orchester ganz gut aus. Dass man passagenweise den Flügel nicht mehr hört, dürfte der Klangtechnik kaum anzulasten sein. In dieser Einspielung hat zur Abwechslung einmal das Orchester ein leichtes Übergewicht. Vom Publikum ist kaum etwas zu bemerken.
3-4
Daniel Barenboim
Berliner Philharmoniker
Teldec
1988
13:56 8:11 9:28 31:35
Der Zyklus der Klavierkonzerte Mozarts wurde von Barenboim 1986-1998 eingespielt. Dabei gehört KV 491 zu den früheren Einspielungen 1986, aufgenommen in der Berliner Siemensvilla.
Das Orchester wirkt jetzt größer besetzt als 1971 in London und die Violinen klingen nun erheblich homogener. Die Phrasierung hat an Lebendigkeit verloren und ist jetzt, wie einst bei HvK, deutlich mehr auf wohl geformte Rundung aus. Als ob das Orchester noch im Karajan-Modus spielen würde. Sanft, weich und in der Manier einer bloßen Aneinanderkettung von „süßen“ und „schönen“ Stellen. Dramatik oder gar Tragik gibt es kaum, wenn dann nur als Nebenprodukt. Der Gestus schreckt niemanden auf und könnte bei jedem anderen der Mozart-Klavierkonzerte „Verwendung finden“. Das Holz agiert in Berlin homogener und klangschöner, aber auch „softer“. Es fehlt die prägnante, spontan wirkende Dialogbereitschaft, das Konzertieren wirkt wenig konfliktbasiert und allzu mühelos. Die Distanzierung durch die Aufnahmetechnik wirkt da eher kontraproduktiv. Spieltechnisch scheint sich der Pianist gegenüber 1971 eher zurückentwickelt zu haben. Es gibt kaum Dynamikunterschiede und die Skalen scheinen die einzelnen Töne nicht alle in der gleichen Prägnanz zeigen zu können. Mitunter scheinen auch mal einzelne Töne ganz zu fehlen. Manche gehen auch unter, da der Pianist nicht akribisch genug auf seine Lautstärke achtet. Manchmal nimmt er seinen Part auch zu wichtig, wo das Klavier nur begleiten dürfte, spielt er zu laut. Der erste Satz ist sozusagen eine rubatofreie Zone. In der Kadenz ist längst nicht mehr die pianistische Attacke von 1971 zu hören.
Das Larghetto wird etwas zügiger, aber auch kühler als 1971 gespielt. Das Spiel der Streicher wirkt wundervoll abgerundet, ebenso der hier sehr schöne Klavierklang. Fesseln kann er uns jedoch kaum.
Das Allegretto klingt dann geradlinig und ohne Gedanken an eine HIP zu verschwenden. Sanftmütig, „gepflegt“ und wenig aufregend. Gegenüber der ersten Einspielung von 1971 macht die neuere Einspielung vor allem pianistisch keine gute Figur, wenn man sie aber mit der Einspielung Barenboims des 2. Chopin-Konzertes vergleicht erscheint das alles nur noch halb so schlimm.
Das Orchester wirkt distanzierter als in der EMI-Aufnahme von 1971, das Klavier ebenfalls. Beides klingt weich, abgerundet sauber. Mit sehr wenig Spannung und wenig lebendig.
3-4
Vladimir Ashkenazy
Philharmonia Orchestra London
Decca
1979
14:16 8:11 9:21 31:48
Der Mozart-Zyklus wurde von Ashkenazy von 1966 (Rondo, noch mit dem LSO und Kertesz), 1975 die Konzerte für zwei und drei Klaviere (mit Barenboim als Dirigenten) und ab 1979 (Ashkenazy alleine) bis 1988 eingespielt. KV 491 gehört also zu den ersten selbstgespielten und dirigierten Konzerten. Zu dieser Zeit begann der Pianist gerade erst, seine Fähigkeiten als Dirigent auf Tonträger zu dokumentieren. Die Orchesterexposition klingt weichlich, rundlich, allzu verhalten und ohne dramatische Schärfe und echten Drang. Sauber, aber ohne Energie. Die lyrische Seite der Komposition liegt ihm spürbar näher am Herzen. Was sich beim Klavierspiel bestätigt. Zudem fehlt dem Anschlag der feste Kern, dem Klang vor allem im f die Brillanz, sodass der Vortrag eine gewisse Blässe erhält. Im p und mf klingt Ashkenazys Flügel substanzreicher und mitunter schwebt der Klavierklang schön im Raum. Die Dialoge werden auf Klangschönheit getrimmt, sodass es vor allem wohlig wirkt. Man feuert sich nicht gegenseitig an, es fehlt einfach die direkte Ansprache. Im Vergleich mit den Besten wirkt es sogar fast schon gelangweilt. Ein leidenschaftsloses, bereits erschöpftes Selbstmitleid, ein sich ergeben. Da fehlt einfach der Schwung und immer wieder bricht eine gewisse Trägheit durch. Ob der Pianist durch die Doppelfunktion damals noch überfordert war? Die Kadenz Ashkenazys gehört dann auch zu den redundanteren, die nichts wirklich Neues bringen. So hören wir in gewisser Weise zwar technisch perfektes, aber uninspiriertes Klavierspiel und ein sauber spielendes Orchester, das unter seinen Möglichkeiten bleibt.
Das Larghetto wirkt eher romanzenhaft, weich, fließend mit dem „neuen“ schön abgerundeten, vollen Philharmonia-Oboenklang. Fast spannungslos, man könnte auch schreiben entspannt, etwas bieder und beschaulich.
Das langsame Tempo im Allegretto hört sich passagenweise mal sanft und weich, manchmal schon fast nach l´art pour l´art an. Meist schwach rhythmisiert und insgesamt pianistisch harmlos. Das klingt sogar bei Barenboim (1971 und 1988) prägnanter. Es fehlt vor allem pianistisch an Schwung. In der kleinen Kadenz kann man Anklänge an „Figaro“ hören, insgesamt hört sich diese Einspielung jedoch mehr nach einer Pflichterfüllung an, denn die Routine steht der Inspiration im Weg.
Der Klang der Aufnahme wirkt weich, warm, soft und nicht übermäßig transparent, recht räumlich, wenig konturenscharf und wenig dynamisch.
3. Einspielungen die den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis folgen und „Originalinstrumente“ der Mozart-Zeit nutzen:
5
Malcolm Bilson
John Eliot Gardiner
English Baroque Soloists
DG
1988
14:06 7:50 9:23 31:19
Nach der Erarbeitung wissenschaftlicher Rekonstruktionen der historischen Klangbilder und der alten Instrumente, bricht man in dieser Aufnahme nicht das erste, aber das zweite Mal in der Diskographie von KV 491 mit gewohnten, „althergebrachten“ Spiel- und Hörtraditionen. Das erste Mal scheint den Herrn Gibbons und Brüggen gemeinsam mit dem Orchestra of the 18th Century zu gehören. Dazu war auch ein konsequenter Austausch mit heutigen (d.h. da es schon 40 Jahre her ist: jetzt schon wieder damaligen) Instrumentenbauern erforderlich.
Das Spiel erscheint nun kontrapunktisch geschärfter, sehr transparent, eher herb und weniger freundlich im Diskurs, mit gemäßigten Tempi, feiner Agogik und demokratisch gesinnter Dialogkultur zwischen nun einem Hammerklavier bzw. Hammerflügel statt eines Steinways und einem individueller und mehr solistisch, orientierten, farbig klingendem Orchester. Dazu muss man wissen, dass das Hammerklavier im Vergleich zum modernen Konzertflügel schwach klingt und nicht über die Fähigkeit verfügt einen länger tragenden Klang zu erzeugen. Die älteren Hammerklaviere bzw. Hammerflügel (die auch zur Zeit von KV 491 noch gebräuchlich waren) verfügten noch nicht über gedämpfte Hämmer und schlugen die Saite mit dem blanken Holz an, was zu einem cembaloähnlichen Klang führte. Nur eine der acht Einspielungen (die mit Artur Schoonderwoerd) folgt dieser Vorgabe in Reinkultur, die anderen Hammerflügel-Rekonstruktionen liegen schon dazwischen oder stammen aus der Zeit, als die Hämmer schon mit Filz oder Leder gedämpft wurden, wie der Hammerflügel, den Mister Bilson nutzt.
Die Orchester spielen ohne Vibrato und ohne das Pathos, das man vor allem in den alten Mono-Aufnahmen noch antrifft, mit viel innerer Spannung und kontrastreich in Dynamik und Gestus.
In dieser Produktion werden diese Eigenschaften prototypisch realisiert. Man lässt der Musik Zeit für Nuancen. Das Blech erklingt akzentuiert und heftig (ähnlich wie bei Vogt und Anderszewski, auch bei Levin) und es gesellt sich eine ziemlich knallig aufgenommene Pauke hinzu, die mit harten Schlägeln traktiert wird. Das Tempo wird flexibel gehandhabt. Der Klavierpart wirkt agogisch ausgefeilter als in der neuen Einspielung mit Robert Levin, flexibler im Tempo und wird nie vom Orchester verdeckt wie bei Gibbons. Und Malcolm Bilson spielt subtiler als Immerseel. Auch Bilsons Wather-Kopie klingt klein, aber nie nach einem Cembalo. Weicher und runder. Orchester und Klavier passen noch besser zusammen als bei Viviana Sofronitski und erst recht als bei Robert Levin. Das Orchester hat die Anfangsschwierigkeiten der HIP bereits längst überwunden (z.B. die lästigen Intonationsprobleme) und spielt mit großer Virtuosität und vor allem: es kann die Übermacht des Orchesters, die von Mozart durch die große Besetzung besonders deutlich gemacht wurde, bereits bestens in Ausdruck umwandeln.
Im Larghetto verzichtet man auf ein übermäßig zügiges Zeitmaß, das die Solist(inn)en mit dem Hammerklavier gerne wählen, weil der Ton nur sehr kurz trägt und sonst die Melodie abreißen würde. So bleibt noch genug Zeit zu erzählen, was auf sehr lebendige Weise gelingt. Die Dialogkultur wird hier auf die Spitze getrieben und es erscheint fraglich, ob es die Einspielungen von Vogt und Anderszewski ohne diese Pionier-Aufnahme in dieser Form überhaupt hätte geben können. Auch in diesem Satz agiert Bilson flexibler als Levin, der ganze Satz wirkt sehr eloquent, auch dank der hervorragenden Bläser.
Im Allegretto gefällt die Präzision im Orchesterpart. Es wird nicht gehetzt, sondern sehr ausdrucksvoll phrasiert, man höre nur einmal die Marschvariation, die mit ihren tollen „Effekten“, die zuvor noch nie zu hören waren und kaum je wieder in dieser Intensität erreicht worden ist. Zur Zeit ihres Erscheinens musste diese Einspielung doch wie ein echtes „Wunderhorn“ erschienen sein.
Die GA der Klavierkonzerte mit Bilson und Gardiner wurde 1984-1989 eingespielt. Es wurde ein Nachbau eines Walther-Hammerflügels von Philip Belt genutzt. Die Aufnahme gelang sehr präsent, transparent, sehr dynamisch und kraftvoll. Sie wirkt noch nicht so körperhaft und das Instrumentarium erscheint noch nicht so gut in die Tiefe hinein gestaffelt wie die von Frau Sofronitski oder Robert Levin. Die Balance erscheint bereits ausgezeichnet, der Solist wird nie übertönt. Das hat diese Aufnahme der mit Sofronitski oder Levin voraus.
4-5
Viviana Sofronitski
Tadeusz Karolak
Musica Antiqua Collegium Varsoviense
Pro Musica, Camerata, Et´cetera
2006
12:58 6:48 8:19 28:05
In dieser Einspielung spielt die Pianistin, was nur sehr selten zu hören ist, den Continuo-Part mit. Das Orchester spielt mit Nachdruck und verfügt über einen sehr deutlichen Streicherbass. Die Pauke klingt wenig knackig, das Blech ist hörbar, wird jedoch nicht zur Schau gestellt. Der sehr farbige Holzbläsereinsatz wirkt sehr plastisch, erscheint jedoch auch fragil und zerbrechlich. Geschmeidig und subtil spielt die Pianistin ihren Part. Obwohl der Hammerflügel im richtigen Verhältnis zum Orchester klingt, tönt er doch oft blass, leise und wenig kontrastreich. So versinkt das Individuum (das Klavier) schon häufiger Mal in der schillernden Masse (des Orchesters). Er klingt aber nicht so nah am Cembalo wie bei Tan oder Gibbons, auch beim zirpenden Immerseel. Man hört schon seine Brückenfunktion im historischen Prozess zum modernen Konzertflügel deutlicher heraus. Das echte Concertare ist so mitunter behindert, weil der Klang des Hammerflügels nicht hinreichend durchkommt. Die Freude am anspringenden, aufmüpfigen Orchesterspiel und -klang kann dadurch jedoch nicht geschmälert werden. Nur bei seinen Soli kommt der Hammerflügel gut zur Geltung. Es werden immer wieder überraschende Effekte aus der Komposition geschlagen, die zuvor kaum oder gar nicht aufgefallen sind. Z.B. die langen, schmerzerfüllten Liegetöne des Holzes.
Im Larghetto ziert die Pianistin schön aus. Das zügige Tempo verleitet jedoch nie zu oberflächlich wirkendem Spiel. Im Gegenteil, es erklingt sehr nuancenreich und ausdrucksvoll. Dazu passt das poetische Spiel des Orchesters, das auch dadurch begeistert, dass es ein ungewöhnlich laut (und über die Register gleichmäßiges) Fagott hören lässt. Allzu oft steht dies eigentlich so voll und rund klingende Instrument im Bläsersatz zurück, auch solistisch. Es wird auch vom Hammerklavier eine hohe Kantabilität erreicht, obwohl er bestenfalls als „Primus inter pares“ auftritt. Bisweilen wird es vom eloquenten Holz aber auch regelrecht „an die Wand gespielt“. Das Larghetto klingt so inspiriert aber auch markant anders.
Das Allegretto erscheint pointiert, rhythmisch, spielfreudig und oft beschwingt und temperamentvoll, gerade im Solistischen. Das Orchester erfährt spürbar wenig Zügel, spielt aber nicht zügellos. Frau Sofronitski zieht gut mit. Allerdings hat man doch den Eindruck, dass das Orchester dominiert, vor allem das enorm spielfreudige Holz lässt das Fortepiano oft blass aussehen, wobei der Pianistin kein Vorwurf zu machen wäre, das liegt in der Natur ihres Instruments. Aber auch die Klangtechnik hat es sehr gut mit dem Orchester gemeint. Insgesamt gelingt besonders dieser Satz der Einspielung mitreißend, musikalisch und klanglich.
Die Aufnahme lässt das Orchester körperhaft, präsent, sehr plastisch, sehr farbig, voll, sehr klar und mit einer sehr guten Tiefenstaffelung erklingen. Die Dynamik ist, was das Orchester betrifft, sehr gut. Der Flügel kann hingegen kaum einmal plastisch hervortreten. Das Klangbild erreicht eine ähnliche Größe im Hör-Raum wie bei Immerssel. Die Balance ist hingegen eher zugunsten des Orchesters ausgefallen. Vielleicht ist das auch werkimmanent, wenn man den Hammerflügel wählt. Der Klangtechnik ist ja heutzutage (fast) alles möglich. Das Fortepiano, so nennt man das Hammerklavier auch, wird in den Orchesterklang eingebettet.
4-5
Robert Levin
Richard Egarr
Academy of Ancient Music
AAM Records
2021
12:40 6:56 9:14 28:50
Robert Levin hatte Kompositionsunterricht bei Stefan Wolpe und Nadia Boulanger, Klavierunterricht bei Jean Casadeus, Meisterkurse besuchte er bei Clifford Curzon und Robert Casadesus. Bei der Aufnahme war er 74 Jahre alt. Kürzlich wurde die bereits vor ungefähr 20 Jahren bei L´Oiseau-lyre (Decca) begonnene (1993) Gesamteinspielung Levins mit den noch fehlenden Konzerten wieder aufgenommen. Statt des inzwischen verstorbenen Christopher Hoogwood dirigiert nun Richard Egarr das Orchester bei KV 491. Aufgenommen wurde in St. Johns Smith Square in London. Auch in dieser Einspielung wurde eine Replik eines Walther-Flügels aus Wien verwendet, gebaut von Chris Maene aus Belgien. Der Stimmton, auch da befleißigt man sich soweit möglich historischer Erkenntnisse, wurde auf A = 430 Hz gelegt. Das ist allerdings eine Wissenschaft für sich, die wir an dieser Stelle nicht vertiefen wollen. Dass Herr Levin ein Musikwissenschaftler und Musiker ist, meint man seinem Spiel anzumerken. Es ist eine Mischung aus Gelehrsamkeit und Spielfreude. Dass es ihm gelänge, dem gewiss spontan wirkenden Spiel Mozarts nachzueifern, möchte man jedoch nicht unbedingt unterstreichen. Das ist nur der Versuch einer Annäherung, denn keiner weiß leider, wie KV 491 bei Mozart selbst geklungen hätte. Davon später noch ein wenig mehr. Doch zunächst zum Orchester, das ja die ersten 100 Takte für sich zu spielen hat. Es geht recht geschwind zu Sache und es klingt jetzt geradezu „blechgepanzert“. Wann immer es in der Partitur auftaucht, man kann sicher sein, dass es auch machtvoll erklingt. Das Orchester klingt insgesamt eloquent, oder vielleicht doch eher raffiniert. Auch in dieser Einspielung denkt man immer mal ans „Requiem“. Wegen des ähnlichen Instrumentariums und einer gewissen zeitweisen thematischen Ähnlichkeit. Irgendwie hat man sich schon, wegen des groß und massiv aufspielenden Orchesters bereits auf einen ähnlich machtvollen Flügel eingestellt, aber umso verblüffter ist man dann mit dem klein und schmal klingenden, auch dieses Mal immerhin nicht cembalohaft zirpenden Klang des Flügels konfrontiert zu werden. Wie ein kleines Insekt auf der bunten Blumenwiese des Orchesters. Im Verlauf des Satzes stellt sich das Orchester dann nicht als ganz so übermächtig dar, wie vermutet und wie man es manchmal bei Sofronitski hören kann. Die Klangtechnik scheint Levins „Standing“ unterdessen gegenüber dem Anfang verbessert zu haben, nicht dass er jetzt dynamischer spielen würde. Das würde wohl bedingt durch das Instrument niemandem gelingen. Leider verbreitet Herr Levin oft statt Spontaneität ein eher gerade durchgespieltes Gleichmaß. Er vermag kaum eigene Akzente zu setzen. Umso größer ist jedoch der Kontrast zum geradezu aufgewiegelten, fast aggressiven Orchesterklang. Das „fetzt“. Das Orchester ist eindeutig der Herr im Hause, das Klavier der kleine Wicht. Graf Arco und Mozart tumultuös in Musik gesetzt. Vielleicht ist die Schwäche des Instruments ja genau richtig in diesem Konzert? Ein Dialog auf Augenhöhe wäre ebenfalls denkbar wie jede Menge Zwischentöne dazwischen. In dieser Einspielung sind die Fronten klar. Die Kadenz des Pianisten erscheint in einer Lautstärke durchgespielt.
Robert Levin gibt dem Larghetto eine reiche Ornamentik mit und spielt es sehr geläufig. Am meisten von allen improvisiert er spontan, wie es heißt. Etwas von dieser Spontaneität hätten wir im ersten Satz auch gerne gehört. Für die Nuancierungen scheint jedoch ausschließlich das hervorragende, sehr markant (auch markig) aufspielende Orchester zuständig zu sein. Die Verzierungen Levins, gespielt mit seinem allerfeinsten Ton, wirken wie ein Gespinst aus Spinnenfäden im Gegenlicht. Genauso schön, genauso dünn.
Auch im dritten Satz verziert Herr Levin mit viel Leidenschaft, sein Spiel wirkt jetzt auch etwas temperamentvoller als im ersten Satz, auch etwas farbiger. Das Orchester stellt ihn jedoch auch diesbezüglich immer wieder in den Schatten. Gut, dass er durch Ausschmückung seines Parts für ein angemessenes Gegengewicht sorgen kann. Ob die Orchester zu Mozarts Zeiten dermaßen elaboriert und perfekt zur Sache gehen konnten wie die Academy 2021, so dynamisch, frisch und gleißend? Und eine anschließende Frage: ist das dann heute überhaupt noch authentisch? Die Antwort wäre genauso müßig wie die Frage. Seien wir froh, dass es solche Orchester überhaupt (noch) gibt.
4-5
Jos van Immerseel
Anima Eterna
Channel Classics
1990
13:39 7:09 9:11 29:59
Diese Einspielung entstand in der Raphaels Kerk in Amsterdam, übrigens im gleichen Jahr wie die Aufnahme mit Melvyn Tan und Roger Norrington. Diese hier ist kraftvoller, lauter und mehr auf Linie gespielt, natürlich ebenfalls vibratofrei, mit exponiertem Blech, auffallender Pauke und sehr deutlich konzertierendem Holz. Leider zirpt das Fortepiano so cembaloartig dünn, dass es gar nicht zum voll und groß aufspielenden Orchester passen will. Immerhin hat die Klangtechnik gegenüber den beiden vorherigen Einspielungen korrigierend eingegriffen, sodass es nicht auch noch schmächtig wirkt, sondern gegenüber dem Orchester gut ausbalanciert. Immerseels Spiel wirkt auf uns ziemlich gleichförmig, als ob ihm die Doppelbelastung die Konzentration geraubt hätte, besser zu differenzieren. Wenn er alleine spielt vermag er sich erheblich besser der Detailakkuratesse zu widmen. Das Orchester hingegen spielt frei auf und seine Präzision überzeugt, gerade wenn man bedenkt, dass es passagenweise auf sich alleine gestellt ist. Bei der Kadenz klingt das Fortepiano viel größer und so mächtig, dass es dem Orchester noch besser Paroli bieten könnte, aber nun schweigt das Orchester ja.
Das Tempo des Larghetto steht zwischen dem Tans und dem Tempo Gibbons´. Das würde gut passen zum serenadenhaften Ton, der auch noch gefühlshafte Regungen ausdrücken könnte. Immerseel und das Orchester ziehen hier jedoch ziemlich ungerührt durch. Kleinere Verzierungen werden angebracht.
Im Allegretto klingt hell und klar. Besonders fällt in diesem Satz das überaus voll klingende, sehr präsent und groß klingende Fagott auf. Die solistischen Passagen werden zu einem (mehr oder weniger) dramatisch geprägten Schlagabtausch. Da wird Immerseel durch sein kraftvolles Spiel (und der Unterstützung der Klangregie) zu einem ernstzunehmenden Gegner. Das ist kein geringes Verdienst. Das Klangspektrum des Instruments kann er jedoch auch im dritten Satz nicht erweitern. Er spielt aber ziemlich kontrastreich und nicht von ungefähr wirkt seine Einspielung besonders opern-nah.
Diese Aufnahme klingt dynamischer und offener als z.B. die Norringtons oder Brüggens. Das Orchester wird groß abgebildet (nicht unbedingt aufgeblasen). Der Gesamtklang wirkt farbig und sehr transparent, brillant und sehr plastisch. Die Balance wirkt ausgewogen. Wenn der Hammerflügel gegenüber dem prallen Orchester nur nicht so anämisch klingen würde. Immerhin klingt das Instrument nicht ganz so sehr nach Cembalo wie bei Tan und Gibbons. Noch weiter dem Cembalo angenähert klingt es übrigens bei Schooderwoerd.
4-5
Ronald Brautigam
Michael Alexander Willens
Kölner Akademie
BIS
2011
12:01 5:57 8:29 26:27
Ronald Brautigams GA entstand von 2007-2016. Normalerweise gehen wir nicht auf die Gestaltung des Covers ein. Dieses Mal aber ist es ein Hinweis darauf, wann innerhalb der GA die Einspielung entstanden ist. Ziemlich am Anfang. Anhand des Zustands des gezeigten Holzes innerhalb der Verarbeitung bis zum fertigen Instrument und seiner kunstvollen Verzierungen ist alles dabei. Es geht mit dem Wald los und endet mit feinen Intarsien-Arbeiten. Bei KV 491 sieht man den gefällten Baum. Einen stattlichen Baum, wie er gerade von einer Spaltaxt geteilt werden soll, von einem Mitarbeiter, der auf dem Stamm steht. Man sieht daran, dass auch Musik nicht ohne Naturverbrauch auskommt, wenigstens wächst diese Ressource wieder nach. Ganz zu Anfang der GA, das Wiener Haydn-Orchester war damals noch daran beteiligt, war die Idee der fortlaufenden Covergestaltung anscheinend noch nicht geboren.
Das Tempo zur Orchesterexposition ist etwas zügiger als bei Bilson und Gardiner, sogar noch schneller als bei Frau Sofrinitski und Herrn Levin. Der Gestus des Orchesters hat sich gegenüber den English Baroque Soloists oder den Warschauern schon wieder etwas abgeschwächt, wirkt nun wieder klassisch-ausgewogener. Das Blech darf nun nicht mehr so (ungezügelt) den Ton vorgeben. Die Kölner spielen leicht und sehr geschmeidig. Man scheint mit nur wenigen Streichern auszukommen (weniger als bei den London Classical Players oder den Warschauern), was der Klangfülle und dem Erzeugen eines wärmeren Klangs nicht entgegenzukommen scheint. Wahrscheinlich will man den Klang aber genauso haben, wie er ist. Das hat ja auch immer etwas mit der Balance zum Hammerflügel zu tun. Trotz des zügigen Tempos kann Brautigam noch gut abschattieren und differenzieren, was seine Läufe viel weniger gleichförmig erscheinen lässt, als bei Robert Levin. Man hat den Eindruck, dass der Niederländer noch das Beste aus dem begrenzten Dynamikumfang seines Instruments herausholt. Das Concertare hat vom Biss früherer Tage schon wieder eingebüßt, es wirkt jetzt eher wie selbstverständlich, auch weniger konfliktreich. Das mag man vielleicht als nächsten Entwicklungsschritt begrüßen, wir empfanden es eher als ein Rückfall in alte Gewohnheiten. Das Spiel aller Beteiligter erscheint sehr sauber und exakt.
Das Tempo des Larghetto ist sehr zügig ausgefallen, rekordverdächtig zügig. Allerdings wird der Rekord 2015 von Arthur Schooderword und Christofori schon wieder „geknackt“. Da bleibt die Poesie schon größtenteils auf der Strecke. Daran ändert auch der mittlerweile bei dem recht „neuen“ Hammerflügel Brautigams schon recht warme Klang nicht viel. Von einem Erzählcharakter lässt sich nun nicht mehr reden und von einer Romanze schon gar nicht. Auch Herr Brautigam ornamentiert aus (nicht so stark und fast schon überschwänglich wie Robert Levin). Trotzdem klingt es hier einfach zu straff und einfallslos durchgespielt. Die Sprachmelodie scheint schon wieder von der großen Linie abgelöst worden zu sein. Vielleicht fällt Mozart auch buchstäblich nichts Entscheidendes ein, um sich von der erdrückenden Umklammerung der beiden letztlich fatalistisch endenden Ecksätze zu befreien und genau das will uns der Pianist sagen?
Wie dem auch sei, im Allegretto wird wieder etwas gefühlvoller zu Werke gegangen. Dennoch wirkt es auch im dritten Satz manchmal wie maschinenhaft und allzu glatt durchgespielt. Das Orchester nutzt eine größere Gestaltungsfreiheit aus, scheint sogar ein wenig zu kokettieren oder gar vor sich hin zu witzeln. Die pianistischen Kommentare Brautigams wirken jedoch immer etwas pauschal und geradeaus gedacht. Allerdings sehr behände und sicher. Wir hören bereits ein sehr gutes Miteinander eines damals bereits erstaunlich gut eingespielten Teams am Anfang seiner GA.
Der Klang der Aufnahme wirkt sehr dynamisch, sehr transparent, lebendig und wunderbar räumlich. Er ist perfekt ausbalanciert. Der Walther-Nachbau von Paul McNulty bringt schon einiges an Wärme mit, was sich angesichts der straff durchspielenden Gangart des Pianisten als nicht zu unterschätzendes Gegengewicht erweist.
4
Melvyn Tan
Sir Roger Norrington
London Classical Players
EMI, Virgin, Warner
1990
12:35 6:20 8:48 27:43
Dies ist ebenfalls eine Aufnahme aus dem Abbey Road Studio No. 1. Die London Classical Players spielen erheblich flotter, temperamentvoller, drängender aber auch heller als das Orchestra of the 18th Century vier Jahre zuvor. Eigentlich gäbe es eine demokratische Dialogkultur, aber das Fortepiano Tans spielt noch leiser als bei Gibbons/Brüggen. Tan spielt zwar flinker, aber ähnlich gezügelt wie Gibbons, aus dem Fortepiano werden nur wenige Nuancen und nur wenig reichhaltige Klangfarben gewonnen. Das Spiel Tans wirkt linear geprägt und zu gleichförmig, zu „cool“. Einen Blick voraus in die Romantik lässt dieses Spiel nicht zu. Das Fortepiano wirkt zu leichtgewichtig, ein „Würmchen“, dass einem Goliath gegenübersteht. Noch ausgeprägter als bei Gibbons/Brüggen. Die Kadenz Tans ist kurzgehalten und wirkt (nicht zu Unrecht) am (beinahe) Cembaloklang seines Instruments orientiert. Der erste Satz stellt sich insgesamt als extrem vom Orchester dominiert dar, während der Diskurs des Solisten sich fast wie in einer anderen Welt abspielt. Freundlich und vor allem von einem gewissen Sportsgeist geprägt.
Das Larghetto wirkt viel zügiger als bei Gibbons/Brüggen, hat aber in Hinblick auf „Zügigkeit“ in Brautigam/Willens seinen Meister gefunden. Ein schnelleres Tempo gibt die (theoretische) Möglichkeit zu einer kantableren Gestaltung, da der Ton der alten Tastinstrumente so schnell „versiegt“. Auch Chopin hatte da 30-40 Jahre später noch seine Probleme. Jedoch scheint es, als wollten Tan und Norrington eine gefühlvolle Aura eher vermeiden als zu befördern. So staubtrocken präsentiert kann sich eine Romanze nicht entwickeln. Es könnte auch poetisch oder verträumt klingen, nostalgisch oder melancholisch. Dazu sind die Briten aber einfach zu cool.
Auch im Allegretto dominiert das Orchester wieder die Szenerie, besonders wenn es komplett zum Einsatz kommt. Das Holz spielt eloquent, das Blech darf reichlich und deftig zupacken. Es wirkt viel lebendiger, sprechender und farbiger als das Spiel des Pianisten, dessen Klang in der Relation viel zu sehr begrenzt erscheint. Da ist die Äquilibristik aus den Fugen geraten. Was allerdings ziemlich genau Mozarts damaliger Weltsicht entsprechen würde, zumindest zeigt er sie uns so.
4
John Gibbons
Frans Brüggen
Orchestra oft he 18th Century
Philipps
1986, live
14:34 8:00 9:22 31:56
Die Einspielung wurde live in Groningen aufgenommen. Erneut spielt das Fortepiano, eine Rekonstruktion eines Hammerflügels von Walter von 1795 eine zentrale Rolle. Das Orchesterspiel weiß zu erfreuen. Es wirkt nuanciert, zart-einschmeichelnd und farbig. Frans Brüggen dirigiert energisch und einfühlsam, was gerade von der Partitur gefordert wird, er zeigt sich offen für alles. Auch für die Feinheiten, das Einschmeichelnde, auch für das Dynamische. Allenfalls ein recht gemächliches Tempo könnte man ihm anlasten. Gerade wenn man an den (allzu) schnell verklingenden Klang der alten Flügel denkt. John Gibbons zeigt sich von seiner einfühlsamen Seite, spielt teils geradezu anmutig, aber die Walther-Kopie scheint tatsächlich klanglich zu „verhungern“. Er klingt eigentlich weich und klar, hat jedoch wenig Volumen, klingt filigran, jedoch meist einfach zu leise und er klingt einem Cembalo noch sehr ähnlich. Im Verhältnis zum Orchester ergeben sich echte Balanceprobleme. Man ist vielleicht als Hörer einfach zu sehr auf den modernen Konzertflügel trainiert und sollte sich umgewöhnen. Man bekäme das Problem vielleicht auch besser ins Lot, wenn man das Orchester weiter verkleinern würde, was in der Aufnahme mit Schooderwoerd versucht wurde. Dazu später mehr. Es fehlt zudem das Gesangliche, die Töne tragen einfach nicht lange genug, verklingen zu schnell, sodass der Flügel nicht ansatzweise richtig mit den Bläsern mithalten kann. Auch in dieser Einspielung dominiert das Orchester besonders. Die Kadenz von Herrn Gibbons wirkte auf uns ausschweifend.
Im Larghetto hat man sich 1986 wieder für ein Tempo entschieden, das zu einer romanzenhaften Erzählung taugen würde. Das wunderbar würzig klingende und ausgezeichnet konzertierende Holz hat damit keinerlei Probleme. Es brilliert und spielt die Vorteile der Originalinstrumente voll aus, incl. der reizvollen Mischklänge. Ganz anders der Hammerflügel, der zirpt vor sich hin, ohne dass sich die Töne zu einem Legato runden könnten. Das Zusammenspiel von Flügel und Orchester wirkt ebenfalls noch reizvoll, wenn auch eher durch die Gegensätze, aber wenn das Fortepiano allein spielt fehlt es einfach an Kantabilität. Solange man nichts Besseres hatte, war es ja gut so.
Das einseitige Kontrastverhältnis zieht sich im Allegretto genauso durch. Mangelnde Durchschlagskraft des Fortepianos im f steht einem geradezu wie entfesselten Orchester gegenüber. Das Übergewicht ist wahrscheinlich Programm. Insgesamt erscheint diese Einspielung dunkel und kommt auf leisen Sohlen daher. Besonders im ersten Satz fehlt es an Temperament.
Der Klang wirkt bereits wunderbar losgelöst und schön breit. Die Instrumente und -gruppen sind sehr gut ortbar, die Balance innerhalb des Orchesters ist hervorragend. Das Klangbild ist brillant, farbig und feingliedrig. Der Flügel ist für eine optimale Balance zu leise und zu weit entfernt.
4
Arthur Schoonderwoerd
Christofori
Accent
2015
12:19 5:39 8:59 26:57
Diese Einspielung entstand im Théâtre de Gray, Haute Saône, also in der Bourgogne. Das Orchester, dessen Chef der dirigierende Pianist übrigens ist, hat seinen Sitz in Besançon. Dies ist unsere einzige Aufnahme in der gesamten Liste, die mit solistisch besetzten Streichern antritt, sodass Holz, Blech und Pauken sehr gut und sehr leicht hervortreten können. Im Verlauf ist man überrascht, wie oft das Horn Einsätze bekommt, die sonst nicht aufgefallen sind. Das Fortepiano spielt hier noch voll als Continuo-Instrument mit und es klingt hier fast wie ein waschechtes Cembalo. Es handelt sich erneut um einen nachgebauten Walther. Es soll sich um ein früheres Modell handeln bei dem die Hämmer, so wie es, wie bereits erwähnt, bis 1800 üblich war, noch nicht mit Filz oder Leder bedeckt waren. So schlägt das „nackte“ Holz auf die Saiten. Und das Instrument zirpt jetzt geradezu mit sich selbst um die Wette. Oder sollte man besser schreiben es pickst? Der Klang dringt so durch und durch und beherrscht so die ohnehin schon ausgedünnte Orchesterlandschaft jederzeit. Wenn wir den Historikern glauben wollen, hören das c-Moll Konzert wir in dieser Einspielung am authentischsten.
Das Larghetto erreicht in dieser Einspielung sein Rekordtempo. Jetzt wirkt es richtig gehetzt. Das Fagott kommt in diesem Tempo bei der ein oder anderen Spielfigur an seine Grenzen und es wird holprig. Ob sich damals so eine Serenade im Konzert angehört hat? Das Orchester spielt auch im 2. Satz stets mit der Continuo-Unterstützung des Solisten.
Warum der langsame Satz so schnell gespielt wird und der schnelle so langsam wird wohl ein Geheimnis von Herrn Schoonderwoerd bleiben. Es unterläuft die Gewohnheiten, aber stimmig wirkt es nicht. Die Pauken werden hier zu einem vollwertigen Teilnehmer eines Kammerkonzerts. Gnädiger Weise verzichtet der Pauker nun auf einen allzu harten, knalligen Ton. Das Concertare als Ganzes wirkt allerdings in dieser Form hellwach und wie eine „Ohrenweide“. Korrekter Weise müsste man jedoch von einem Cembalokonzert sprechen. Insgesamt erscheint diese Einspielung für viele Hörer/innen als unerwartet, gar überraschend. Vielleicht hat sie sich von der Brautigam/Willens-Einspielung inspirieren lassen, der sie in Teilen ein wenig nachzueifern scheint. Vollends zufriedenstellen konnte sie uns nicht, wobei das Larghetto sogar enttäuschte.
Der Klang der Aufnahme wirkt transparent, offen, präsent und farbig.
4. Einspielungen, die mehr oder weniger stark Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis mit in ihr Spiel einfließen lassen, jedoch „modernes“ Instrumentarium nutzen:
5
Jean-Efflam Bavouzet
Gabor Takacs-Nagy
Manchester Camerata
Chandos
2022
14:17 7:17 9:01 30:35
Aufgenommen wurde in der Stoller Hall in Manchester. Die Orchesterexposition bringt die Musik ziemlich in Aufruhr. Auch die Hörner und Pauken werden hier dringend benötigt, das Holz agiert sehr lebendig, klangschön und homogen. Da platzt kein Instrument mehr heraus, alle wirken gleichermaßen deutlich. Das ganze Arsenal wird mobilisiert. Dennoch bleibt Kammermusik ein hohes Gut, das erfolgreich Gestalt annimmt. Hier wird eine gehörige Portion Wut transportiert, man denkt unwillkürlich an den Disput Mozarts mit dem Grafen Arco, der zum „Arschtritt“ geführt hat. Der Pianist lässt sehr flexibles, klangschönes Spiel hören, enorm abwechslungsreich in der Artikulation, mal angetrieben, mal sogar ein wenig forciert, mal ganz lyrisch, immer empathisch und vom aufklärerischen Selbstbewusstsein, der Idee zur Komposition, von der Mozart beseelt war, getragen. Der Klavierpart wirkt keineswegs so schicksalsergeben, wie es in sehr vielen Interpretationen nahegelegt wird. Das wird 1:1 in Ausdruck umgesetzt. Zumindest konnten wir es so hören. Bavouzet bricht da sozusagen mit der sanftmütig-unterwürfigen Tradition der letzten Jahre, eigentlich ungefähr seitdem keine Mono-Einspielungen mehr gemacht werden. Monsieur Bavouzet spielt ebenfalls die gerne (und am häufigsten) verwendete Kadenz von Mozart-Schüler Johann Nepomuk Hummel. Er nutzt übrigens einen Yamaha CFX, der ein wenig „kleiner“ und „leichter“ klingt als die üblichen Steinways. Keine schlechte Wahl für dieses Konzert.
Das Larghetto erscheint als sehr gesangliches, wunderbar aufgelockertes, farbiges Intermezzo zwischen den beiden Blöcken des ersten und dritten Satzes. Bavouzet pflegt kleine unaufdringliche, aber sehr schön verlebendigende Verzierungen ein. Das Spiel ist der HIP stark angenähert, wirkt aber nicht allzu leicht. Wir hören bestes Concertare auf höchstem Niveau, auch der Holzbläser untereinander. Das ganze Orchester und der Solist spielen sagenhaft mitteilsam und lebendig. Toll!
Im Allegretto bringt die feine Pianistik Bavouzets eine enorme Ausdrucksfülle ins Spiel, das Musizieren wirkt gespannt, aber nicht mehr ganz mit dem inspirierten Innovationspotential der ersten beiden Sätze.
Der Klang der Aufnahme bringt eine hervorragende Transparenz und eine exzellente Balance von Flügel und Orchester zu Gehör. Das Klangbild wirkt farbig, homogen und brillant. Der Flügel wird nicht über Gebühr ins Rampenlicht gesetzt. Aber erstaunlich genug: Die 1969er Aufnahme mit Walter Klien und Peter Maag klingt mindestens so körperhaft (im neuen Remaster) und auch 2022 erreicht man noch nicht ohne weiteres die Brillanz der 73er Brendel/Marriner.
5
Jewgeni Sudbin
Osmo Vänskä
Minnesota Orchestra
BIS
2012
13:33 7:25 9:09 30:07
Eine Aufnahme aus der Orchestra Hall in Minneapolis. Das Orchester klingt klar, prägnant und reich abschattiert. Es sind nun wieder ein reicher, satter Streicherklang und wohlklingende Bläser vorhanden, aber man spielt mehr als lebendig, das Orchester steht unter Strom. Energisch und rigoros deutlich. Herr Sudbin übernimmt atmosphärisch vom Orchester, spielt exakt, vollmundig im Klang, biegsam und geschmeidig in der Phrasierung. Sein Anschlag ist gut fokussiert. Sein Spiel als Ganzes elegant und stilbewusst, sein Klang warm. Er spielt einen Steinway D. Das Wechselspiel wirkt reich schattiert, innerhalb des Orchesters und auch mit dem Pianisten, kammermusikalisch, aber auch antagonistisch. Wobei letzteres weniger geschärft in Erscheinung tritt als in der Einspielung zuvor oder gar bei Lars Vogt. In der Kadenz soll der Solist seine bravouröse Technik und seine kreative Vorstellungskraft zeigen, laut Sudbin meint man bei Mozart jedoch, „der Solist könne (höchstens) seine eigene Mittelmäßigkeit ausloten und bestmöglich zur Geltung bringen.“ Man trifft hier eine gute Balance zwischen den drängenden, alten Mono-Einspielungen und den durch den Historismus zum starken Dialogisieren gekommenen Aufnahmen.
Das Larghetto wirkt weich und lieblich, auf eine raffinierte Art „artig“ die unschuldigen Kantilenen verbunden mit zarten, vorsichtig gesetzten Verzierungen.
Im Allegretto wird alles aufgeboten, was an gestalterischer Feinarbeit aufgeboten werden kann. Filigran.
Die Aufnahme wirkt genau und natürlich, sehr transparent mit einer brillanten Farbpalette. Farbig, dynamisch und vorbildlich perspektivisch. Auffallend ist der für Mozart satte Bass. Noch prachtvoller klingt es im Mehrkanal-Modus der SACD.
5
Franz Vorraber
Morten Schuldt-Jensen
Leipziger Kammerorchester
Thorophon, Bella Musica
2003, live
13:08 6:18 8:20 27:46
Aufgenommen wurde im Leipziger Gewandhaus. Auffallend gleich beim Anfangsmotiv ist der sonst nie zu hörende „Schweller“ auf dem nach oben drängenden as. Die Orchesterexposition wirkt energisch, konturiert, prägnant und schnell. Das Orchester ist klein besetzt, aber füllig genug. Man spielt luzide, kammermusikalisch gewandt mit schönen, kommunikativen Soli, fast wie unter Strom gesetzt. Der Flügel klingt trocken, präsent, doch warm timbriert und passend zum Orchester luzide. Die exzellente Geläufigkeit und Anschlagskultur lassen die Läufe perlend und energetisch, die Phrasierung fast ein wenig jazzig und freier als üblich klingen. Es wird viel weniger auf Linie gespielt, vielmehr werden kurze, prägnante Motive herausgeschält. Das wirkt abwechslungsreich und doch wirkt die Motorik mitunter als wäre das Stück von Bach. Ob das Gewandhaus oder sogar die ganze Stadt da auf den österreichischen Pianisten abgefärbt haben? Die Musik hat gar nichts Zuckersüßes, nichts mozartkugeliges mehr. Der Gestus ist dramatisch geprägt, nicht auf die romantische Art, sondern leichtgewichtig, nichtsdestotrotz leidenschaftlich und drängend. Man wird nun weniger an „Figaro“ erinnert, vielmehr an „Don Giovanni“. Dieser erste Satz wirkt unkonventionell und pfeift weitgehend auf die Konventionen. Das Zusammenspiel wirkt sorgfältig, mit genauestem Timing. Die Kadenz von Franz Vorraber trumpft ganz schön auf und wirkt teils fulminant.
Das Larghetto wird sagenhaft pointiert gespielt in einem flotten, tänzerischen Tempo. Es ist jetzt wohl kein langsamer Satz mehr im eigentlichen Sinn. Er wird erneut weitgehend unter Spannung gesetzt. Der Satz trägt so kaum noch zu seinem üblichen Zweck, einer gewissen Entspannung, bei. Undogmatisch.
Das Allegretto klingt dann sehr temporeich und sehr lebendig. Man erinnert sich, dies ist ja eigentlich immer noch das Werk eines jungen Mannes. Das konnte man in der Tat nach einer Fülle von bereits gehörten Aufnahmen fast vergessen. Das Holz spielt herausragend (insbesondere Oboe und Fagott). Spannende Eingänge von Herrn Vorraber. Man korrespondiert rege miteinander. Das Werk wird in dieser Einspielung gegen den Strich gebürstet. Und immer wieder wird die Nähe zu Bach deutlich gemacht, viel deutlicher als üblich.
5
Martin Helmchen
Gordan Nikolic
Netherlands Chamber Orchestra
Pentatone
2007
14:07 7:35 9:11 30:53
Diese Einspielung entstand in der Philharmonie in Haarlem. Die Orchesterexposition beginnt mit symphonischem Atem, leidenschaftlich, dramatisch, fast furchteinflößend, kämpferisch-wütend, aufgebracht. Man spielt rhythmisch, kontrastreich und drängend. Es handelt sich hier um eine der dramatischsten Orchesterexpositionen überhaupt. Dabei ist das Tempo mäßig. So ist man für Nuancen offen und kann dennoch enormen Schwung aufbauen. Das exzellente Holz dialogisiert in bester Äquilibristik, das Blech wird relativ stark exponiert. Man spielt weitgehend vibratofrei, was man mittlerweile wohl vibratoarm nennt. Es klingt nie dünn. Helmchen setzt sein Spiel zunächst in den stärksten Kontrast zum Orchesterspiel, was den Konflikt besonders deutlich macht. Sein Vortrag besticht durch enormen Nuancenreichtum und hoher Eloquenz, er wirkt teilweise äußerst bewusst phrasierend. Er spielt übrigens die Kadenz seines guten Freundes und Kollegen, Lars Vogt.
Das Larghetto besticht durch feine Anschlagskultur und strömende, lebendige Kantabilität. Wir bekommen einen schwebenden und farbigen Klang geboten. Wie bei einer serenadenhaft-unbeschwerten Opernszene. Mehr oder weniger unbeschwert.
Das Allegretto bietet virtuoses, hellwaches Spiel, nie selbstdarstellerisch, wie selbstverständlich. Der straffe, trockene Anschlag lässt ein wenig an Glenn Gould Anschlagskultur gelten, der dem Werk zwar skeptisch gegenüberstand, aber bei seiner Einspielung doch sein Bestes investierte. Die Variationen werden scharf gezeichnet und es ist erstaunlich wie gut der Geiger Nikolic die Bläser des Orchesters befeuern kann, die hier besonders pointiert und homogen zu spielen wissen. Die Tempogestaltung erscheint wie bereits beim ersten Satz als moderat, der Ausdrucksgehalt wurde jedoch auf den besten historisch orientierten Weg gebracht. Wie bei den drei Einspielungen zuvor stellt auch diese hier eine besonders geglückte Verbindung der „beiden Welten“ dar.
Der Klang der Aufnahme ist (dieses Mal auch in Stereo sehr plastisch und dreidimensional, saftig, breit und tiefgestaffelt, sehr transparent und körperhaft. Der Klang des Flügels wirkt sonor, brillant und frisch. Das Holz wird bestens konturiert dargestellt, jedoch ziemlich deutlich vom Flügel entfernt. Die Streicher sind deutlich dichter dran. Dies ist in jedem Fall (also als CD und SACD) eine audiophile Empfehlung.
5
Imogen Cooper
Bradley Creswick
Northern Sinfonia
Avie
2007
13:38 7:37 9:13 30:58
Die Aufnahme fand in The Sage in Gateshead statt. Bradley Creswick wirkt hier als Co-Dirigent und teilt sich die dirigentischen Aufgaben mit Frau Cooper. Die Orchesterexposition erscheint kontrastreich und bringt einigen Aufruhr mit. Ein unroutinierter Zugang mit intensiviertem, aufmerksamem Concertare. Frau Cooper steht ein vollkommenes Legato zur Verfügung, das sie sehr gut von ihrem Non-Legato oder ihrem Staccato absetzt. Ihr Anschlag ist geschmeidig, der Sound ihres Flügels weich und rund. Ihr glückt eine hervorragende Kombination der dramatischen und lyrischen Passagen. Ihr Spiel wirkt spontan und leidenschaftlich teils fast feurig. Ihr Vortrag gelingt vielleicht nicht ganz mit der Akkuratesse von Clara Haskil. Cooper spielt übrigens die Kadenz von Alfred Brendel, allerdings nicht ganz so kraftvoll wie dieser selbst. Man erinnert sich, dass sie mit ihm häufiger Stücke für zwei Klaviere oder zu vier Händen aufgeführt und eingespielt hat. KV 365 eingespielt für Philips gehört ebenfalls dazu.
Das Larghetto strahlt Wärme und Lebendigkeit aus. Frau Coopers Spiel wirkt natürlich, fein abschattiert und mit leichten Verzierungen versehen, die nicht unwesentlich zur Verlebendigung des Gestus beitragen. Zudem hat sie eine reichhaltige Klangpalette zur Verfügung.
Auch im Allegretto gelingt es musikalische wirkende, feine Agogik einfließen zu lassen. Der Satz verliert so alles steife, dass er mitunter erhält, wenn man das Gelehrte an der Variationen-Bildung herausstellen möchte. Frau Cooper spielt sehr dynamisch, ohne dass das mozartische f ins ff geweitet werden würde. Immer wieder begeistert der Nuancenreichtum, der uns das eine ums andere Mal über Kleinodien staunen lässt. Diese Einspielung besticht durch hohe Sensibilität für alle Belange des Mozart-Spiels. Es fällt schwer einen der drei Sätze herauszustellen, aber wir würden nach unserer unmaßgeblichen Meinung, besonders den dritten Satz (aber auch den zweiten) als eine besondere musikalische Perle bezeichnen.
5
Jean-Claude Pennetier
Christoph Poppen
Orchestre Philharmonique de Radio France
Mirare
2016
13:20 6:44 8:52 28:56
Der Pianist dieser Einspielung, bei Aufnahme derselben 75 Jahre jung, geht außer seiner musikalischen Berufung auch noch einer religiösen nach: Er ist Diakon der orthodoxen Kirche. Er verfügt über einen sehr klaren, perlenden Anschlag, gepaart mit einem ordentlichen Klang-Fundament und vollkommener Geläufigkeit. Er ist dem leichten Rubato nicht abgeneigt. Der Streicherapparat in dieser Einspielung aus Paris wirkt geradezu durchleuchtet aber auch die Bläsersoli erklingen deutlich und klar. Der klagende Tonfall wird immer wieder plastisch herausgearbeitet. Mächtige Pauken und teils bedrohliche Bässe werden geschickt mit einigen anderen Elementen der HIP ins Spiel integriert. Man spielt zwar mit sehr wenig Vibrato, es klingt auf den modernen Instrumenten jedoch stets voll, nie dünn. Hervorzuheben sind die liebevoll wirkenden Nuancierungen des Holzes. Das Orchester spielt hier trotz des eloquenten Klavierspiels die eigentliche Hauptrolle. Gar nicht einmal zu Unrecht, wenn man in die Partitur sieht. Monsieur Pennetier spielt seine eigene Kadenz brillant.
Im Larghetto hat man sich für ein sehr zügig wirkenden Tempo entschieden, das jedoch die Gesanglichkeit nicht bedroht, sogar eher noch fördert. Die Solisten des Orchesters spielen sehr flexibel und empathisch. Wie sehr hätte man auch Clara Haskil bei ihrer Pariser Einspielung 1960 einen solchen Orchesterklang gewünscht. Pianist und Orchester gelingt das Kunststück zur Ruhe auch noch ein gewisses Maß an Lebensfreude zu vermitteln, Das Spiel als solches beglückt.
Im Allegretto werden die Charaktere der einzelnen Variationen wunderbar deutlich gemacht. Ein gelöstes Musizieren auf höchstem Niveau. Schöner und melancholischer geht es kaum. Kombiniert eine historisch orientierte Spielweise mit dem vollen, runden Klang eines modernen Sinfonieorchesters und den eines ausgewachsenen Steinway.
Die klanglichen Meriten fallen gegenüber den musikalischen nicht ab. Die Aufnahme klingt sehr klar und deutlich, zeigt eine sehr gute Präsenz, ohne spürbar mit Hall versehen zu sein. Der Klang von Flügel und Orchester ist voll, rund, brillant und warm zugleich. Kurzum reichhaltig. Die Balance ist exzellent. Die Räumlichkeit erscheint der Besetzung und dem Werk gegenüber als passend, die Dynamik sehr gut.
4-5
Andras Schiff
Sandor Vegh
Camerata Academica des Salzburger Mozarteums
Decca
1988
13:35 7:40 8:54 30:09
Aufgenommen wurde im Salzburger Mozarteum. Besonders angesichts des Aufnahmedatums entlockt Herr Vegh dem Orchester Besonderes. Die präsenten Pauken werden mit harten Schlägeln tracktiert, das Blech erscheint bereits markant, aber noch nicht so offensiv exponiert wie z.B. bei Lars Vogt, während das Holz gegenüber der Vergleichsaufnahme mit Vogt aber auch schon der Academy 1973 zurückbleibt (trotz erlesener Besetzung). Es klingt trotz prominenter Namen lange nicht so plastisch. Herr Schiff ist mit seinem Bösendorfer geschmackvoll, sauber, subtil mit aller technischer Perfektion und Musikalität beteiligt. Seine klangliche Brillanz wirkt (wie bereits bei KV 595) reduziert, seine technische Brillanz und seine Musikalität hingegen kaum. Das Orchester und das Klavier sind gleichberechtigte Partner, ohne Schnörkel und emotional vielschichtig spielen sie beide. Das Orchester steht mehr für das Lebendige, der Pianist mehr für das melancholische und anmutige Moment. Das Orchester nimmt den offensiveren Part für sich in Anspruch, spielt rhythmischer und im Verhältnis zu Schiff drastischer, temperamentvoller, ja draufgängerischer, wenngleich da mittlerweile andere Einspielungen die Führungsposition übernommen haben. Man kann sagen, es gibt ein gutes Miteinander im Gegensatz. Die Tempi werden von Schiff flexibel gehandhabt (eine Wohltat gegenüber den zahlreichen „Robotereinspielungen“, die alles in einem durchspielen). Wir hätten uns lediglich noch etwas mehr Tempo gewünscht. Die eigene Kadenz von Schiff ist eine weitere unter den vielen guten Kadenzen, die man bei KV 491 mittlerweile hören kann.
Im Larghetto gefällt diese Einspielung noch besser. Innig, doch lebendig und zudem mit einem farbigen, warmen Klang gespielt. Zarter und zurückgenommener lässt sich der zweite Satz kaum spielen als es Schiff hier tut. Bewegter kaum ein anderes Orchester. Hervorzuheben das exzellente Fagott und die auffallend „sprechenden“ Bässe.
Im Allegretto wir plastisch gespielt, lediglich scheint bei Schiff und seinem Flügel in der „Marschvariation“ die Durchschlagskraft zu fehlen, auch im weiteren Verlauf spielt die Oboe oft lauter als Herr Schiff und sein Bösendorfer. Und dass, obwohl sie gegenüber den Kollegen im Bläsersatz ausgewogen spielt und keinesfalls als vorwitzig oder zu laut apostrophiert werden müsste. Zu diesem schon ein wenig auftrumpfenden Orchester hätte vielleicht doch ein brillanterer Flügel besser gepasst. Im Bläsersatz vertreten waren u.a.: Aurèle Nicolet, Maurice Bourgue und Klaus Thunemann.
Generell wurde diese Einspielung leiser auf CD überspielt als üblich, Daher muss man um ihr volles Volumen zu erhalten den Pegelsteller gegenüber den anderen Einspielungen bemühen. Erst dann stellt sich ein deutlich plastischerer Klang und höhere Transparenz ein. Die Balance ist gut, an Brillanz fehlt dann immer noch ein Quäntchen.
4-5
Angela Hewitt
Hannu Lintu
National Arts Orchestra, Ottawa
Hyperion
2013
13:46 7:14 9:10 30:10
Eigentlich wäre diese Einspielung eine glatte „5“. Es legt sich jedoch eine gewisse Kühle, noch nicht einmal Kälte über sie, die uns kaum erklärlich scheint und die diese Eingruppierung verhindert. Dies ist jedoch sehr subjektiv und könnte in anderen Ohren, wie bei eigentlich allen Einspielungen, schon anders bewertet werden. Wenn man jedoch die Spreu vom Weizen trennen möchte, gehört diese Aufnahme aus Kanada unbedingt zum Weizen. High-Quality-Weizen sogar.
Die Orchesterexposition wirkt gewinnend durch das federnde, tänzerisch orientierte, sehr aufmerksame und klangschöne Spiel. Die Holzbläser agieren mit ausgewogenem Timbre, bestens ausbalanciert auch im Zusammenspiel mit dem Flügel. Der einzige Fazioli-Flügel in unserem Vergleich (soweit wir wissen) passt sogar besonders gut zu KV 491, wie wir finden, zumal Frau Hewitt vielfältige Details in Artikulation, Anschlag und Phrasierung bereithält. Sie spielt ihren Part dennoch mit der größten Selbstverständlichkeit und Stilsicherheit, pointiert immer wieder auch mit der linken Hand, beredt und absolut klar. Besonders hervorzuheben ist ihre extreme Detailgenauigkeit. Viel Liebe zum Detail im Orchesterspiel bewirkt sicher auch das Dirigat von Herrn Lintu. Immer wieder begegnet uns dramatisches Aufbegehren im Stile einer Oper. Alles wirkt in dieser Einspielung bestens durchdacht, aufeinander abgestimmt und wohlproportioniert. Dass sich auch Frau Hewitt für die Kadenz von Camille Saint-Saëns entschieden hat, freut uns besonders. Im dialogorientierten Diskurs (so genauestens austariert mag es wirken) mag der letzte Funken Leidenschaft fehlen.
Im Larghetto hören wir eine gute Verbindung von deklamatorischem und kantablen Vortrag. Insgesamt ist das Niveau sehr hoch, jedoch wirkt das Spiel trotz der gelegentlichen Ornamentik etwas gleichförmig. Das konnte beispielsweise Imogen Cooper durch etwas mehr agogische Finesse vermeiden.
Im Allegretto erfreut man sich an der vorbildlichen Präzision und der gedanklichen und spieltechnischen Klarheit. Frau Hewitt lässt mehr pianistische Attacke hören als Herr Lintu mit dem Orchester.
Die Aufnahme klingt enorm klar, präsent und körperhaft, weich, dreidimensional aber nur recht (d.h. mittelprächtig) dynamisch. Hervorzuheben ist der hervorragende Klang des Flügels. Auch dieser Einspielung gebührt das Prädikat audiophil.
4-5
Charles Richard-Hamelin
Jonathan Cohen
Les Violons du Roy
Analekta
P 2019
13:47 7:16 9:10 30:13
Aufgenommen im Salle Raoul Jobin im Palais Montcalm in Quebec City, dem Stammsitz des Orchesters. Beim Orchester haben sich außer beim Namen, der auf die barocken Könige in Frankreich Bezug nimmt, keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass man auf Originalinstrumenten spielen würde. Allerdings klingen Pauken und Blech durchschlagend und gewaltig, im späteren Verlauf sogar fast aggressiv und feindselig, besonders und gerade vor der Kadenz (vielleicht die Ultima ratio, den „Arschtritt“ des Grafen Arco bezeichnend?) Das Holz hingegen wirkt nicht besonders „bissig“ und wird nicht besonders in den Vordergrund gestellt. Die Bläser spielen jedoch exzellent und holen durchaus, trotz des moderaten Tempos, kecke Töne aus ihren Instrumenten. Der Flügel hingegen erscheint souverän, gelassen und ruhig gespielt fast schon meditativ. Angst will man bei ihm nicht diagnostizieren. Es wird sehr wenig Pedal genutzt, an Brillanz und an Sonorität scheint gespart zu werden. Wir vermuten, dass kein mächtiger Steinway zum Einsatz kam, wissen aber nicht welches Modell gewählt wurde. Man will natürlich mit ihm (meistens) die erwünschten Relationen einhalten und die überlassen dem Orchester in diesem Fall häufig ein Übergewicht. Kammermusik wird allerdings großgeschrieben. Bei der ausgedehnten eigenen Kadenz nimmt Monsieur Richard-Hamelin oft thematisch Bezug auf Themen des Satzes wie viele andere auch, trotzdem wirkt sie frisch und neu.
Das Larghetto wird flüssig und gesanglich gespielt, das vibratolose Spiel der Streicher wirkt dabei nie dünn. Der Pianist schmückt seinen Part gefühlvoll aus, sein Spiel wirkt klar, nie süßlich. Das Orchester brilliert mit seinem Holz und tritt hier auch mit solistischen Streichern in Erscheinung. Akzentreich, flexibel und inspiriert dargeboten.
Beim Allegretto fällt besonders die Marschvariation auf, die vom Blech richtig viel militärischen Pomp mitbekommt. Ansonsten triumphieren Akkuratesse und versierte Musikalität. Wie in der zuvor bereits genannten Einspielung aus Kanada verbindet man hier glücklich die Brillanz moderner Instrumente mit der Leichtigkeit und Freiheit in der Artikulation wie man sie häufig von Einspielungen mit historischem Instrumentarium hören kann.
Der Klang der Aufnahme zeigt den Flügel ins Orchester integriert, kaum je kann man ihn wie an der Rampe stehend hören. Besonders das Orchester klingt farbig, weich, klar, körperhaft und mit großer Dynamik ausgestattet.
4
John O´Conor
Sir Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Telarc
1991
12:12 7:04 8:52 28:08
Diese Aufnahme entstand in der City Hall, Glasgow. Sieben Jahre vor der Einspielung mit Alfred Brendel klingt das Klaver bei Telarc etwas heller und ein wenig klarer als in der Philips-Aufnahme. Das Orchester etwas räumlicher und weniger eingedunkelt. Es klingt nach dem ersten Eindruck größer, obwohl es das von der Besetzungsstärke wahrscheinlich gar nicht ist. Das Tempo ist fließend, eigentlich sogar ziemlich zügig, ja flott. Im Gegensatz zu Alfred Brendel spielt Mister O´Conor weniger nachdenklich, im direkten Vergleich sogar einfach drauflos. Der Gestus wirkt entsprechend lebendiger, befindet sich eher noch auf Brendels Linie von 1973 als 1998. Allerdings wirkt das Spiel auch dann oberflächlicher, es fehlt das Drama und an der feinen Nuance. Technisch spielt O´Conor ohne Fehl und Tadel, kristallklar bei klarer Linienführung. In die „Abgründe“ des Werkes führt er uns nicht. Das Orchester „übt“ schon für die 98er Aufnahme und kommt dem Ergebnis schon sehr nahe. Der Pianist spielt eine eigene Kadenz.
Im Larghetto werden die Aufnahmepegel deutlich höher gedreht. Es klingt viel lauter als der erste Satz. Trotz der p-Spielanweisung. O´Conor ziert aus und sein Steinway klingt brillant. Hinzu gesellen sich die schön gespielten Soli des Orchesters von Telarc mit bemerkenswerter Brillanz eingefangen. Das Spiel ist der HIP zugewandt, intermezzo- und serenadenhaft. Trotz des immensen Glanzes, der mitschwingt. Aber auch hier spielt Brendel einfach nuancierter, er vermittelt einfach mehr Zwischentöne.
Im dritten Satz lassen die prallen Pauken und das pralle Blech, die Bezüge zur HIP deutlich werden, gerade gegenüber dem ersten Satz, bei dem sie noch zurückhaltender agierten. Der Flügel steht nun seltsamerweise nicht mehr so präsent im Vordergrund, wirkt weiter im Orchester aufgestellt, was dem Concertare sehr gut bekommt. Er klingt nun allerdings „blasser“. Das Orchester übernimmt in diesem Satz die Hauptrolle. Das Orchester unter seinem scharfsinnigen Dirigenten, klingt in dieser Einspielung überhaupt sehr brillant, reichhaltig und mit besonderer Klarheit Dieses Niveau kann der Pianist klanglich halten, musikalisch nicht ganz. Bei ihm sind kaum Einflüsse der HIP auszumachen.
Der Klang der Telarc-Produktion ist frisch, offen, prall, knackig, räumlich und vor allem dank des Orchesters sehr dynamisch und sehr gut gestaffelt. Der Klang des Flügels wirkt ein wenig halliger als der des Orchesters. Die Balance ist gut. Aus audiophiler Sicht gefällt die Telarc besser als die eingedunkelte, im direkten Vergleich gar etwas muffig wirkende Philips-Aufnahme von 1998.
4
Carmen Piazzini
Michail Gantvarg
Leningrad Soloists
Col legno, Hera, Membran
1990
13:15 6:46 8:49 28:50
Trotz seines Namens wirkt das Orchester gar nicht solistisch, sondern bringt eine solide Kammerorchesterstärke mit. Seine Spielweise wirkt kaum von der HIP inspiriert, es spielt aber mit Schwung und der Zugriff wirkt recht dramatisch. Frau Piazzini, Argentinierin, von Hans Leygraf und Wilhelm Kempff ausgebildet, ist eine sehr gute Mozart-Interpretin, ihre Phrasierung wirkt atmend, ihr Anschlag erscheint differenziert, gut fokussiert und kraftvoll. Ihr Spiel wird durch Hallzugabe leicht beeinflusst, man könnte so den Verdacht hegen, sie würde mit reichlich Pedal spielen, was gar nicht stimmt. Sie entgeht nicht immer ganz einer gewissen Monotonie bei den Läufen und Figurationen. Als einzige hat sich Frau Piazzini für die Kadenz von Soulima Strawinsky entschieden, des Sohnes von Igor. Uns gefällt sie.
Das Larghetto spielt Frau Piazzini sehr zügig und serenadenhaft (alla breve). Hier wurde glücklicherweise die Hallzugabe reduziert, die Musik wirkt so viel klarer und wunderbar korrespondierend die Wechselspiele mit dem Holz, auch wenn es weit entfernt spielen muss. Insgesamt ist das Tempo vielleicht doch ein wenig zu zügig genommen.
Im Allegretto hätte ein wärmerer, transparenterer und präsenterer Klang die musikalisch hochwertige Darbietung deutlich aufgewertet. Etwas uneinheitlich wirkt sie wegen des bisweilen ein wenig burschikosen Orchesters, das dem leichten, besonders klaren und geläufig-sauberen Spiel der Pianistin nicht ganz entsprechen will.
Der Klang der Aufnahme wirkt meist etwas zu hallig, was das Orchester leicht diffus klingen lässt. Der Flügel wird mit in den Hall einbezogen. Die Transparenz wirkt leicht beeinflusst. Das Klavier erscheint in der Balance leicht bevorzugt und wirkt etwas präsenter als das Orchester. Insgesamt fehlt es auch an Wärme und Sonorität.
4
Martin Stadtfeld
Bruno Weil
Sinfonieorchester des NDR
Sony
2005
14:37 6:20 8:39 29:36
Das Orchester wirkt in dieser Aufnahme, was den Erkenntnissen der HIP eigentlich zuwiderläuft, eher groß besetzt, denn es klingt voluminös, auch weich und geschmeidig. Spielt jedoch weitgehend ohne Vibrato. Es bringt aber auch eine pulsierende Unruhe mit, die Dramatik wird jedoch nicht exzessiv gestaltet, der Gestus wirkt jedoch durchaus getrieben. Es wird deutlich und sauber phrasiert, der Stimmenverlauf erscheint glasklar, eine gute Vorrausetzung einen gleichberechtigten Dialog hören zu lassen. Im weiteren Verlauf gesellt sich auch ein stark kontrastierendes Blech hinzu. Martin Stadtfeld ist bei der Aufnahme gerade einmal 25 und wir hören hier seine Debüt-Aufnahme mit Orchester. Sein Flügel klingt weniger schmelzend, sein Spiel nicht gerade ungestüm oder gar stürmisch, eher sachlich und freundlich. Sein offener Gestus lässt die Dämonen die in der Partitur (oder in Mozarts Kopf) ihr Unwesen treiben zu Hause. Er ist eines virtuosen Spiels durchaus fähig, er artikuliert recht frei, also weniger starr, aber doch an der Linie orientiert. Insgesamt wirkt das Bild des ersten Satzes trotz der aufgegriffenen Elemente der HIP weichgezeichnet. Es fehlt ihr vor allem beim Klavierpart der emotionale Nachdruck beispielsweise eines Brendel mit Mackerras und auch das Brio eines Lars Vogt lässt sie vermissen. Die Kadenz Stadtfelds ist außergewöhnlich lang (deshalb die lange Spielzeit des ersten Satzes, die Tempi sind eher zügig) und wirkte auf uns ein wenig redundant. Sie unterscheidet sich jedoch deutlich von vielen anderen und erinnert vielleicht doch mehr an Beethoven als an Mozart.
Sehr geschwind und irgendwie auch „knapp angebunden“ erklingt das Larghetto. Es wird dessen ungeachtet weich und sanft artikuliert und phrasiert und kleine verzierende Applikationen und „keck“ wirkende Eingänge angebracht. Das Holz zeigt sich von seiner besten Seite, weshalb man fast schon von einer Bläserserenade mit obligatem Klavier reden könnte. Romanzencharakter kommt nicht auf, eher könnte man von einer flüchtigen Dialogszene mit Klavier und Bläsern sprechen. Es wirkt ungekünstelt aber auch etwas „obenhin“.
Im Allegretto spielt Herr Stadtfeld immer mal wieder Teile des Orchesterparts mit, das war zur Mozarts Zeit durchaus üblich und belebt des Gestus auch hier durchaus ein wenig. Der Pianist bringt sich so noch etwas stärker in den Fokus als ohnehin. Insgesamt wirkt diese Einspielung sauber, ein wenig aufpoliert, zügig und zeitgemäß (durch die Verwendung der Elemente der HIP). Durch den Versuch an möglichst alles zu denken und dabei nichts falsch zu machen wirkt sie vielleicht doch etwas zu wenig leidenschaftlich. Dennoch eine beachtliche Debüt-Aufnahme.
Die Aufnahme klingt weich und rund, das Orchester etwas entfernt und weniger konturiert. Immerhin hat man auf zusätzlichen Hall verzichtet und erhält so einen natürlichen Konzertsaal-Eindruck. Insgesamt wirkt das Klangbild weiträumig bei guter Tiefenstaffelung. Der Klang hat etwas Balsamisches, die Brillanz wirkt reduziert, das Dialogisieren des Holzes wird nicht ausdrücklich exponiert. Die Balance von Flügel und Orchester ist gleichberechtigt.
4
Lang Lang
Nikolaus Harnoncourt
Wiener Philharmoniker
Sony
2014
15:22 7:43 9:43 32:48
Auch die Wiener Philharmoniker werden in dieser Einspielung zu vibratofreiem Spiel angehalten. Wir hören eine sehr lebendige, fast feurige, großformatige Orchesterexposition, nachdrücklich, gewichtig, mit Sturm und Drang sozusagen. Sie klingt transparent, mit gut herausgestelltem Blech, während das Holz eher zurückhaltend agiert. Es geht bisweilen gar drastisch, hart, kantig und polternd zu. Der wütende Graf Arco scheint Musik geworden zu sein. Lang Lang nimmt sogleich beim ersten Einsatz Tempo und Feuer heraus, spielt dann aber angemessen klar und deutlich, aber auch sehr weich und fast schlaff wirkend. Mitunter buchstabiert er sich geradezu durch seinen Part hindurch. Eine Gangart, die nach und nach geradezu ins Orchester „einsickert“. Harnoncourt treibt immer wieder an, verbreitet Unruhe und scheint die Balance gerne über den Haufen zu werfen. Lang Lang scheint hingegen sein eigenes Tempo zu spielen und verweichlicht alles, technisch versiert und teils sogar elegant, was bei Harnoncourt noch Kontur hatte. Das scheint jedoch Absicht gewesen zu sein, denn der Dirigent lobte seinen Solisten über alle Maßen. Lang Langs Kadenz fast das Geschehen zuvor zwar zusammen, wirkt dabei jedoch verhalten, gar lahm und dadurch, dass ihn die Technik dabei noch ins Rampenlicht setzt („aufblustert“) wirkt sie auf uns ziemlich kitschig. Seltsam eingebremst wirkt sein Spiel jedoch immerhin ungleich farbiger als noch beim f-Moll-Klavierkonzert Chopins mit Zubin Mehta.
Im Larghetto klingt Lang Langs Flügel sehr gut, solange er kein f zu spielen hat. Seltsamerweise verliert der Klang seines Flügels dann die Leuchtkraft. Er versucht sich im variablen Spiel der HIP, was aber nur ansatzweise gelingt. Ungleich frecher lassen sich da die Bläser der Wiener hören und darunter besonders hervorzuheben: die Klarinetten. Langweilig wird der Satz nie, denn es gibt so immer was zu entdecken. Er wirkt allerdings so, als würde er betont anders gespielt werden, um sich vom bisher gewohnten abzusetzen.
Der Pianist wirkt im Allegretto etwas überzeugender als bisher, kommt aber an die Überzeugungskraft von Curzon, Haskil, Brendel, Bavouzet, Vogt, Imogen Cooper oder Anderszewski u.v.a. nicht heran. Harnoncourt lässt bei der Marsch-Variation unverblümt Militärmusik erklingen, exzessiv und bedrohlich. Davon lässt sich Lang Lang mitreißen. Was aber nicht gefällt ist, dass die ff-Kaskaden am Ende effektvoll eingehallt werden, obwohl alles zuvor trocken-modern klang. Das wirkt manipuliert und diese Art von Marktschreierei hätte der Pianist nicht nötig. Auf einen echten Raumklang müssen wir indes verzichten. Diese Einspielung wirkt ziemlich knallig-bunt aber musikalisch unausgewogen und sozusagen durchwachsen. Uninteressant ist sie nicht.
Der Klang der Aufnahme wirkt transparent, voll, präsent und plastisch. Weich, warm und brillant.
4
Matthias Kirschnereit
Frank Beermann
Bamberger Symphoniker
Arte Nova
2005
14:25 7:06 9:23 30:54
Wenn man die 2005er Einspielung der Bamberger Symphoniker mit der von 1960 (DG mit Kempff und Leitner) vergleicht, fällt sofort auf, dass auch 2005 gut gespielt wird, dass 2005 jedoch der ungestüme Aufruhr, den Leitner noch zu entfachen wusste, weitgehend abhandengekommen ist. Der Ton ist schlanker geworden, das Blech kommt ein wenig besser zur Geltung, ebenso das Holz, das jedoch an Individualität gegenüber 1960 verloren hat und dem ein wenig die Farbe ausgewaschen wurde. Einflüsse der HIP sind also spürbar, wenn auch nicht sehr deutlich. Man legt nun weniger Vibrato auf, der Klang des ganzen Orchesters wirkt aufgehellt, die Darbietung schlichter und schnörkellos, geradliniger und geheimnisloser. Das emotional aufgeladene, der romantische Einschlag ist verschwunden. Kempffs Klang wirkte substanzreicher, Kirchnereits Klang wirkt transparenter, luzider. Er spielt ebenfalls sicher, nicht jede Phrase wirkt jedoch geistig so durchdrungen vom „Geist des Konzertes“ wie bei Kempff oder bei Haskil. Wir hören bei den älteren auch ein größeres Reservoir an Schattierungen. Kirschnereits Spiel wirkt dagegen locker, leicht und vor allem unverbindlich. Wohlgemerkt immer in Relation zu Kempff und anderen hochklassigen Interpretationen. Herr Kirschnereit spielt eine eigene Kadenz, die der Dramatik des ersten Satzes kaum gerecht wird. Ein geschärftes eigenes Profil können wir gegenüber den überaus zahlreichen anderen Kadenzen kaum erkennen. Das wird ja auch immer schwerer, je mehr es gibt.
Im Larghetto spielt Herr Kirschnereit Eingänge, bleibt seinem geradlinigen Stil jedoch weiterhin treu. Er nuanciert weniger als Kempff, hat wenig Glanz im Klang, der zudem nicht wie losgelöst von der Schwerkraft schweben kann. Trotz des recht zügigen Tempos herrscht Erdenschwere. Der Satz klingt vor allem aber schlicht und trocken.
Im Allegretto geht es meist bedächtig voran, aber nun vergleichsweise nuancenreicher in Anschlag und Dynamik. Man hat aber auch den dritten Satz schon weniger gleichförmig und inspirierter gehört. Kirschnereits Darbietung entbehrt nicht einer gewissen Schlüssigkeit, bleibt insgesamt jedoch eher unauffällig und blass.
Am Gesamteindruck hat die Klangtechnik großen Anteil. Sie lässt ihre Herkunft aus dem Low-Budget-Bereich nicht ganz verleugnen. Sie wirkt zwar klar, aber doch wenig klangfarbenreich, insgesamt zwar natürlich, aber wenig markant. Nur höchstens durchschnittlich brillant, eher sogar blass. Die Balance ist in Ordnung. Der Klavierklang trägt nur dann richtig gut, wenn das Orchester schweigt.
5. Historische Aufnahmen in Mono-Technik:
5
Artur Schnabel
Walter Süsskind
Philharmonia Orchestra London
EMI, Music and Arts, Arabesque
1950
13:04 8:32 9:10 30:46
Damals führte Walter Süsskind, ähnlich wie elf Jahre später in der kanadischen Einspielung mit Glenn Gould, das Orchester in eine kämpferische Exposition mit offen dramatischem Impuls, mit runtergelassenem Visier sozusagen. Das dunkel klingende Orchester wirkt dabei zu allem entschlossen. Dass die piepsige, hart klingende und vorlaute Philharmonia-Oboe heute nicht mehr als optimal gelten darf, liegt auf der Hand. Zumal in einem Werk, dass von demokratisierter Dialogkultur lebt, wie kaum ein anderes zu seiner Zeit. Der Pianist ist in dieser Einspielung wenige Monate vor seinem Tod zu hören. Er sammelt die ganze Bekümmertheit Mozarts ein und verdichtet sie wie durch ein Brennglas. Als Zusammenfassung übersetzt er uns in seiner Kadenz in seine eigene Zeit, also die Zeit von ca. 1920-1950. Sie wirkt im Werk wie ein „schräger“, dodekaphonischer Fremdkörper wie keine zweite Kadenz, führt uns also ganz weit weg vom Werk mitten ins 20. Jahrhundert hinein. Es ist die Beschreibung von Mozarts Ausweglosigkeit als expressionistische Zustandsbeschreibung. Pianistisch allerdings eine runde Sache. Das Zurückkommen zum Konzert empfindet man als Hörer kaum als ein Rausschmiss aus dieser neuen Welt, vielmehr als ein wieder Heimkommen in Mozarts Welt. Ganz bemerkenswert.
Das Larghetto leidet (genau wie unsere Ohren) erheblich unter der Philharmonia-Oboe, die die Aufmerksamkeit von den anderen Bläsern, ja vom ganzen Werk auf sich selbst wegsabotiert. Schnabel spielt mit schnörkelloser Klarheit, unsentimental aber doch gefühlvoll. Mit viel Charisma erweckt er die mitleidvolle Ader in uns. Er artikuliert manches Mal sehr trocken. Im Eingang (T. 73) katapultiert er uns erneut von Mozarts Zeit 150 Jahre in die Zukunft, also in seine Gegenwart.
Im Allegretto lässt das emphatische Spiel die unterschiedlichen Charaktere der Variationen hervorragend plastisch werden. Stark akzentuiertes Spiel auch im Orchester, das alles andere als antiquiert wirkt, sondern besonders modern. Auch für den dritten Satz hat Schnabel eine (wenn man alle anderen dagegen vergleicht) total ausgeflippte Kadenz vorbereitet, die Mozart vielleicht um 1950 gespielt haben könnte und die sogar heute noch progressiv wirkt (wie die Kadenz im ersten Satz). Diese Darbietung irritiert nicht wenig und lässt den Hörer sogar heute noch in völlig aufgewühlter Unruhe zurück. Vielleicht ist es den Hörern in Mozarts Akademie bei der Uraufführung ganz ähnlich ergangen.
Der Klang der Aufnahme ist klar und deutlich, obwohl die Bläser nur klein und recht undeutlich abgebildet werden. Es wurde gut remastered, es gibt auch kaum Rauschen.
5
Solomon (Cutner)
Herbert Menges
Philharmonia Orchestra London
EMI
1955
12:29 8:11 8:31 29:11
Vom Pianisten gibt es nur wenige Aufnahmen im Katalog, denn er musste wegen der Folgen eines Schlaganfalls bereits 30 Jahre vor seinem Tod sein aktives Musizieren beenden. Wir können uns freuen, dass es zu einer Aufnahme von KV 491 mit ihm gekommen ist. Auch Herbert Menges gibt dem Philharmonia Orchestra viel Schwung mit auf den Weg durch die Orchesterexposition. Solomon spielt ungleich zärtlicher als die Pianisten der anderen Aufnahmen der frühen Zeit (Schnabel, Edwin Fischer, Gieseking). Sein fließendes Legato erreicht bereits die Perfektion der besten Pianist/innen der Neuzeit, wenn man das mal so schreiben darf. Er spielt mit nobler Zurückhaltung und in plastisch wirkender nahtloser Zusammenarbeit mit Menges und dem Orchester. Sein Spiel ist nonchalant in der Wirkung, also nie mechanisch wirkend, aber auch nie verwischt, immer konturenscharf. Eine eher seltene Kombination. Sein Flügel klingt nie hart und sein Spiel wirkt trotz Mono-Technik richtig atmosphärisch, wirkt also nicht mehr wie ein klangliches Abziehbild der Wirklichkeit mehr. Die Streicher (resp. die Violinen) klingen sehr gut und werden gut zur Geltung gebracht, ebenso wie die kräftigen Holzbläser, wobei die Oboe dieses Mal klangtechnisch viel besser im Zaum gehalten wird, wie bei Schnabel und Süsskind. Sie spielt aber immer noch lauter als die anderen Holzbläser: Sie kann einfach nicht leise. Solomon hat sich wie Robert Casadesus und einige andere die farbig-virtuose Kadenz von Camille Saint-Saëns ausgewählt, während sich Gieseking für die besser zu Mozarts Stil passende Hummel-Kadenz entschieden hat.
Das Larghetto erklingt nicht so langsam (fast lahm) wie bei Gieseking/Karajan und überzeugt mit Wärme und zurückhaltender Emphase. Nicht nur Solomon, auch das Philharmonia gibt sich die Ehre und klingt weich und rund, sogar der Oboe gelingt es, sich zu mäßigen.
Im Allegretto zeigt Solomon besonders schönes, weiches und außerordentlich sensibles Klavierspiel ohne jede Härte. Man gibt dem Satz mit dem jetzt temperamentvollen Orchester und dem mit herausragender nie vordergründig wirkender Technik des Pianisten besondere Tiefe und besondere Größe.
Der Klang der Einspielung, die nur ganz knapp eine Stereo-Aufnahme verpasst haben sollte, wirkt bereits recht füllig-voluminös und klangfarbentreu. Der Flügel klingt bereits voll und körperhaft. Eine differenzierte Dynamik kann 1955 bereits bereitgestellt werden. Nur wenig mangelt es noch an der Brillanz des Klavierklangs. In der Relation klingt der Flügel besser als das Orchester, das im ff ein wenig dazu neigt härter und unklarer zu werden.
5
Clara Haskil
André Cluytens
Orchestre de RTF (heute: Orchestre National de France)
INA, Tahra, Documents, Amadeo
1955, live
13:10 8:07 7:51 29:08
Dies ist eine Live-Aufnahme des französischen Rundfunks aus dem Théâtre des Champs-Elysées. André Cluytens geht die Orchesterexposition mit viel Schneid und Biss an und mit viel Feuer. Die Pauke kommt für damalige Verhältnisse sehr gut zur Geltung. Das Orchester scheint bestens auf Mozart eingestellt und wirkt von Beginn an hellwach. Man achtet auf ein aufmerksames, glutvolles Miteinander. Die Philips-Aufnahme von 1960 mit dem Lamoureux-Orchester wird orchestral ziemlich deutlich in den Schatten gestellt. Clara Haskil erreicht eine bewundernswerte Balance von Sanftmut und Härte. Ihr Flügel klingt beseelt und glanzvoll. Sie ist in toller Spiellaune, das wirkt nicht porzellanhaft wie in Lausanne, sondern prall und mit voller Energie gespielt. Mit dem Orchester interagiert sie sozusagen wie in direkter Tuchfühlung. Es klingt alles dunkler und mächtiger als in Lausanne. Obwohl ihr starker Gegenwind vom Orchester entgegensteht, erscheint Frau Haskil dominanter als in Lausanne. Sie spielt zudem viel spontaner, was auch ihrer eigenen, ausgedehnten Kadenz zugutekommt.
Im Larghetto überrascht die Einspielung mit wunderbar klarem, vollen und brillantem Klavierklang. Selten klang Frau Haskils Flügel besser, raumfüllender (trotz Mono-Aufnahme) und das schließt auch ihre Studio-Aufnahmen mit ein. Leider erscheint das Orchester im Verhältnis um Klassen schlechter aufgenommen. Im Ganzen hat man den Aufnahme-Pegel anscheinend gegenüber dem ersten Satz stark erhöht. Leider hat man dadurch auch die Huster und die anderen Störgeräusche vom Publikum lauter aufgenommen (z.B.: das Stühle-Knarren). Das mag zwar einerseits stören, andererseits erhöht es die prickelnde Live-Spannung. Das Holz klingt erstaunlich ausgewogen, die Oboe plärrt nicht penetrant hervor. Man wundert sich passagenweise, wie hart und kräftig Frau Haskils Klavier auch klingen kann. Auch vom Klavierklang her gesehen ein wahrer Höhenflug.
Das Allegretto klingt frisch und mit viel Verve, bei Flügel und Orchester. Es klingt sehr wenig pastellen und es wird viel Freude am Spiel vermittelt.
Man kann es kaum glauben, wie unterschiedlich die beiden Mitschnitte von Frau Haskil aus Paris und Lausanne ausgefallen sind. Das gilt auch für den Klang. In Paris klingt es viel voller, runder, praller, viel präsenter und dynamischer als in Lausanne. Bereits das Orchester, aber mehr noch der Flügel. Zu Beginn wurde dieser noch nicht ganz sauber eingefangen, immer wieder bruzzelt es leicht neben dem Klavier her, Insgesamt dominiert aber ein voller, runder, biegsamer und enorm dynamischer Klavierklang.
5
Edwin Fischer
Lawrence Collingwood
London Philharmonic Orchestra
EMI, Piano Library, Altair
1937
12:52 6:36 8:10 27:38
Dies ist die älteste Aufnahme unserer Liste. Sie soll die erste Studioaufnahme des Werkes sein, ob es die erste Aufnahme überhaupt ist, können wir nicht mit Sicherheit behaupten. Sie entstand wie einige später ebenfalls in den Abbey Road-Studios. Die Orchesterexposition mit recht schnellem, aufgebrachtem Tempo zeigt aufgewühltes Orchesterspiel. Romantisch, emotional, aufgepeitscht. Die erste Antwort des Klaviers ist eher selbstbewusst und keinesfalls so unterwürfig, wie man es heute häufiger hören kann. Edwin Fischer, damals 51, spielt virtuos, temperamentvoll und konfrontativ. Es ergibt sich ein munterer Schlagabtausch, stärkt doch das Klavier entschieden positioniert und mit dramatischer Präsenz seine Position gegenüber dem ebenfalls dramatisch aufgeladenen Orchesterpart. In der ausgedehnten Kadenz lässt Fischer seine dramatische Lesart wie unter einem Brennglas verdichten. Wie ein soeben entfachtes Feuer wird die Glut weiter gesteigert. Schon im ersten Satz ist diese Einspielung ein Statement. Sie wirkt intensiv durchlebt. Dass Adolf Busch an seinen Bruder Fritz schrieb, diese Aufnahme sei dilettantisch, lässt sich für uns kaum nachvollziehen. Vielleicht ist dieses viel zu harte Urteil einer Animosität geschuldet, einer Animosität gegenüber den in Deutschland gebliebenen Musikern allgemein. Mancher weiß da sicher mehr als wir. Edwin Fischer war übrigens auch ein erfolgreicher Lehrer. Schüler von ihm waren Paul Badura-Skoda, Daniel Barenboim, Alfred Brendel, Jörg Demus, Detlev Kraus, Conrad Hansen und viele mehr.
Das Larghetto schlägt deutlich zärtere Töne an. Fischer und das Orchester machen einen hellwachen Eindruck und gestalten hier keine Romanze, schnörkellos, schnell, aber auch spielerisch geprägt klingt es auch hier völlig unverzärtelt. Die Bläser des LPO erklangen damals ausgewogener als beim Philharmonia etliche Jahre später.
Im Allegretto hören wir vorantreibendes, beherztes und entschlossen wirkendes Klavierspiel mit dramatischem Drive, sehr kontrastreichen Variationen mit einem immer wieder den Ausbruch wagenden Aufbegehren. Pianistisch wirkt Herr Fischer nicht immer ganz treffsicher, was aber nicht viel bedeutet. Mozart aus dem Blickwinkel Beethovens, die kleine Kadenz, die manche Pianist/innen im dritten Satz einfügen wirkt bei Edwin Fischer umfangreicher als üblich (ab T. 220).
Die alte Mono-Aufnahme lässt einen präsenten Flügel hören und einen ganz gut durchhörbaren Orchestersatz.
4-5
Walter Gieseking
Herbert von Karajan
Philharmonia Orchestra London
EMI
1953
12:58 9:34 9:05 31:37
Die Orchesterexposition klingt charaktervoll und differenziert. Der 45jährige Karajan, scheint das Holz deutlich zum konzertieren aufzufordern. Das zieht sich durch den kompletten ersten Satz. Es ist eine gewisse Leuchtkraft, besonders bei den Violinen festzustellen, die auch richtig losbrausen dürfen. Man kann den später vervollkommneten, dann verselbstständigten Legato-Stil Karajans in Ansätzen bereits erkennen. Es fehlt nicht an Ausdruckskraft, wirkt aber gerade auch im Vergleich zu den anderen Philharmonia-Aufnahmen der Zeit, etwas herausgeputzt. Giesekings Spiel wirkt energisch mit klarem, profundem Anschlag, nicht grob, aber auch nicht besonders nuancenreich, gerade wenn man Solomon noch im Ohr hat. Er spielt die Kadenz von Johann Nepomuk Hummel, die wenig stilistisch herausfällt und das bisher gehörte gut weiterverarbeitet. Der erste Satz wirkt streng, spannend und zwingend.
Das Larghetto wirkt dagegen nicht so zwingend, lässt sich ausnehmend viel Zeit. Ist das Tempo für das eigentlich simple Thema nicht schon zu langsam? Das Larghetto sollte eigentlich keine ausgewachsene Elegie sein, jedenfalls sehen das nur wenige außer Gieseking Pianist/innen anders. Das Spiel wirkt hier vom Pianisten und Orchester konventioneller als im ersten Satz. Man scheint etwas ermüdet vom Kampf im ersten Satz, aber noch nicht ganz resigniert. Selten (gerade beim Philharmonia) wirken die Lichteinfälle durch das Holz so abgedämpft wie hier.
Gieseking klingt im Allegretto mit den leichten Verzierungen, dem gebremsten Feuer und dem gedeckten Klang ein wenig nach Robert Casadesus. Insgesamt sehr dunkel und nachdenklich. Mozarts Musik könnte kaum auswegloser klingen. Im Allegretto noch mehr als im Larghetto. Mit Trauerflor im Revers. Abgründig.
Der Klang dieser EMI, drei Jahre nach der Einspielung Schnabels aufgenommen, klingt bereits etwas dynamischer, luftiger und offener. Insgesamt bekommt man einen sehr guten Mono-Klang geboten. Besonders im zweiten Satz. Die Violinen klingen im dritten Satz drahtiger als in den Sätzen zuvor.
4-5
Clara Haskil
Victor Desarzens
Orchestre de Chambre de Lausanne
Claves
1956
12:56 7:16 7:40 27:52
Diese Aufnahme resultiert aus einem Radiomitschnitt aus dem Théâtre de Beaulieu in Lausanne. Das Orchester wirkt recht klein besetzt und bietet transparente Leichtigkeit, damit der Flügel der Solistin nie zugedeckt wird. Es bleibt mehr dienend im Hintergrund. Dirigent und Orchester harmonieren jedoch ohrenscheinlich sehr gut miteinander. Das zusammengebraute Konfliktpotenzial und das mächtige Hin und Her der Dialoge erklingen in Lausanne deutlich abgemildert. Frau Haskil spielt wir immer eine eigene Kadenz.
Im Larghetto spielt sie die Eingänge, die so viele gerne auslassen. Und überhaupt zügig, einfach, klar und vollkommen, auch nahezu vollkommen ausbalanciert im Zusammenspiel. In Sachen Klangschönheit kann das Orchester mit dem erhabenen Klavierklang der Pianistin nicht mithalten. Dies kann die Gesamtwirkung indes kaum schmälern.
Wie manch eine Casadesus-Aufnahme wirkt der Gestus im Allegretto emotional etwas reserviert und pastellfarben gezeichnet, aber so klar und licht, dass sich erneut eine gewisse Erhabenheit einstellt. Geschwind, leicht, fast schwerelos bei bester Anschlagskultur und höchster Präzision. Die kleine Kadenz, die Frau Haskil im dritten Satz spielt ist von Nikita Magaloff.
Diese Aufnahme ist leider allzu leise überspielt worden, da hilft wieder nur der beherzte Griff zum Potentiometer. Da die Solistin genauso leise abgebildet wird wie das Orchester wird sie nie übertönt. Das Publikum ist nahezu vollkommen still. Dies muss ein Konzert von erhabener Wirkung gewesen sein. Wir ziehen dennoch die Pariser Aufnahme mit André Cluytens vor, die tendenziell mehr den offenen Schlagabtausch sucht und daher weniger vergeistigt wirkt.
4-5
Friedrich Gulda
Igor Markewitsch
RIAS Sinfonieorchester, Berlin
Audite
1953
13:26 7:26 8:17 29:10
Diese Einspielung entstand 1953 in der Jesus Christus Kirche in Berlin-Dahlem. Es handelt sich also um eine Studioproduktion. Es gibt von Herr Gulda nur noch eine weitere Funk-Produktion mit Joseph Keilberth am Pult, leider ist es nie zu einer Studioproduktion mit Claudio Abbado (KV 466, 467, 503, 595) oder Nikolaus Harnoncourt (KV 488) gekommen. Auch spätere Mitschnitte mit Radioorchestern sind von KV 491 bisher nicht veröffentlicht worden. Gulda war, wenn wir uns nicht verrechnet haben 1953 gerade einmal 22 Jahre jung, Markewitsch 41. Markewitsch lässt das Orchester groß besetzt, zügig und engagiert aufspielen. Er lässt die Details gut durchscheinen, auch im damaligen Berlin dominiert die Oboe noch etwas zu sehr den Bläsersatz. Gulda spielt linear und zielstrebig, ganz ähnlich, wie 25 Jahre später in den DG-Aufnahmen mit Claudio Abbado. Extrem virtuos zieht er pianistisch bereits meisterhaft „stringent“ durch. Straff, dynamisch ohne Pedal (oder nur ganz wenig), so wie es sich anhört. Seine Art zu spielen hat etwas Motorisches, so als würde er noch ein Cembalo spielen. Die Kadenz (es ist die von J. N. Hummel) wird fast zu einem sigulären Ereignis, denn in dieser extrem virtuosen, fast grimmigen Art spielt sie sonst niemand. Das musste damals sehr modern wirken. Insgesamt erscheint der Satz kraftvoll, teils geschärft, aber wenig dunkel oder gar abgründig.
Das zügig genommene Larghetto wirkt dagegen geradezu naiv-freundlich und unschuldig. Man erlaubt sich kontrastierende Einwürfe. Dem Holz fehlt noch ein wenig die Klangfarbenpalette, vor allem die Oboe spielt noch recht starr, während Klarinette und Flöte schon weiter sind. Gulda will jedenfalls nicht zauberhaft oder gar entrückt klingen, es gibt auch kein „Relaxen“ und es gibt kaum ein Hören nach innen.
Das Allegretto wird noch mehr als der erste Satz durch die lineare Motorik Guldas geprägt. Rhythmisch straff, Anschlag straff. Orchester etwas flexibler. Alles wirkt irgendwie auf Angriff gebürstet. Völlig unsentimental, vielmehr trotzig. Gulda hebt durchaus die Lust am Spiel in seiner Darstellung hervor.
Der Klang der Aufnahme wirkt bereits recht offen, sehr transparent und dynamisch. Die „Studio“-Produktion wirkt schon recht detailreich, man hört sogar das Umblättern der Noten. Sie wirkt allerdings noch recht trocken, von Kirchenakustik jedenfalls keine Spur. Die Kirche wurde ja auch von der DG nicht von ungefähr für ihre Einspielungen genutzt. Man schätzte und schätzt noch immer ihre ausgezeichnete Akustik. Guter Mono-Klang, bereits erstaunlich farbig und erneut hat die gute Überarbeitung durch Audite daran einen großen Anteil. Mit der Aufnahme hat man auch ein glückliches Händchen bei der Repertoire-Auswahl aus den beiden Rundfunkarchiven bewiesen, aus denen sich Audite bedient. Sie steht hat auch musikalisch was zu sagen.
4-5
Friedrich Gulda
Joseph Keilberth
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (damals noch Südfunk-Sinfonieorchester, heute SWR Sinfonieorchester)
SWR
1959, live
14:53 8:48 8:36 32:17
Langsamer und behutsamer als 1953 in Berlin geht es mit Gulda an der Seite Joseph Keilberths zu. Das Holz macht noch einen etwas bemühten Eindruck und legt nach heutigen Gepflogenheiten (zu) viel Vibrato auf. Man spielt ebenfalls kontrastreich und sehr sauber, klanglich weniger hart als das RIAS. Gulda spielt erheblich ruhiger und nachdenklicher, erneut (also auch live) mit äußerst präzisem Anschlag. Man hört ein sehr gutes, nahtloses Miteinander, allerdings weniger von antreibenden Impulsen geprägt als noch sechs Jahre zuvor in Berlin. Gelassenheit ist Trumpf. An der starken rhythmischen Akzentuierung hat sich bei Gulda nichts geändert, durch das langsamere Tempo wird nicht mehr Wärme ins Spiel gebracht. Die Kadenz wirkt etwas gebremster, es gibt nun weniger Bravour, sie wird jedoch genauso mit höchster Virtuosität und höchster Präzision abgeliefert. Gulda was damals 29 Jahre jung, Keilberth 51.
Im Larghetto wird nun atmender, gefühlvoller und auch klangvoller erzählt. Mit mehr Wärme, einer gewissen Andacht und einem feinen Anschlag. Der Klang des Klaviers trägt besser als in Berlin. Das Orchester wirkt demgegenüber etwas zurückgenommen, vielleicht damit dem Klavier die uneingeschränkte Aufmerksamkeit zuteilwerden kann. Es klingt insgesamt längst nicht mehr so sachlich-neutral wie 1953.
Das Allegretto kommt erneut straff und unverzärtelt, jedoch wärmer im Klavierklang. Von Gulda gibt es also derzeit zwei recht unterschiedliche Einspielungen Mit Markewitsch zusammen gibt es mehr Feuer und Gulda spielt zwar ultrapräzise und jugendlich-drängend, aber stilistisch noch etwas ungeschliffen, mit Keilberth gibt es mehr Valeurs und ein ausgewogeneres Holz. Besonders der zweite Satz profitiert durch mehr Noblesse und mehr klangliche Wärme. Der Klavierklang wirkt da reicher und fängt bereits an zu schweben.
4-5
Paul Badura-Skoda
Carl Schuricht
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart
SWR Classic Archive
1962, live
13:51 7:47 8:31 30:09
Herr Badura-Skoda machte diese Aufnahme ebenfalls in Stuttgart gerade einmal drei Jahre später als Friedrich Gulda mit 35 Jahren. Da liegt der Vergleich mit seiner älteren Aufnahme mit Felix Prohaska nahe. Schuricht lässt langsamer spielen als Prohaska (aber immer noch zügiger als Gulda mit Keilberth spielt), jedoch ebenso nachdrücklich und kontrastreich, aber leider klingt es nun viel weniger „wild“ und weniger feurig, dafür aber viel offener. Die musikalische Flamme brennt aber nicht weniger heiß. Das Klavier erhält viel mehr Valeurs als 1951. Badura-Skoda wirkt nachdenklicher aber auch emotionaler, wirkt jedoch in der Live-Situation technisch nicht mehr ganz so souverän wie in Wien unter Studiobedingungen. Rein manuell betrachtet fällt er gegenüber Gulda dieses Mal leicht ab, da bleibt auch mal ein Ton hängen und das Figurenwerk wirkt nicht immer ganz frei oder gar schwerelos. Das passiert jedoch ganz selten und stört kaum, fällt aber trotzdem in diesem erlauchten Kreis auf. Gulda spielt seine Kadenz viel dynamischer und die Extreme aufsuchend. Die Badura-Skodas (er spielt eine eigene) bleibt dagegen kaum im Gedächtnis haften, so brav wirkt sie dieses Mal dagegen.
Gegenüber seiner eigenen älteren Aufnahme wirkt das Larghetto nun gesanglicher, spielfreudiger und differenzierter, mit viel mehr rhythmischer Finesse. Allerdings wirkt sein Spiel immer noch fast so trocken wie eine Hammerklavieraufnahme der frühen Jahre.
Gegenüber dem ersten Satz hat Badura-Skoda im Allegretto wieder vollkommen zu Sicherheit und Souveränität zurückgefunden. Er deutet auch im 3. Satz eine kleine Kadenz an.
Gegenüber seiner Aufnahme von 1951 klingt diese bereits offener und transparenter. Es liegt hier ein gut restauriertes Mono-Klangbild vor, aber immer noch trocken, aber immerhin schon etwas dynamischer. Der Flügel wirkt viel deutlicher, farbiger und ebenfalls dynamischer. Die Lautäußerungen des Publikums konnten fast völlig weggefiltert werden. Das Orchester klingt voller als 1951, ist aber immer noch recht weit entfernt. Die Aufnahme klingt weniger lebendig als die 59er Darbietung mit Gulda und Keilberth.
4-5
Clifford Curzon
Josef Krips
London Symphony Orchestra
Decca
1953
13:03 7:34 8:24 29:01
Diese früheste Aufnahme von Clifford Curzon (in unserer Liste) entstand in der Kingsway Hall in London, wie bei der Aufnahme mit Artur Rubinstein mit der Mozart-Koryphäe Josef Krips am Dirigentenpult. Das Orchester zeigt eine gute Leistung mit genau hörbarem Holz. Obwohl es nicht einmal vorgezogen erscheint. Die Oboe klingt dieses Mal viel besser auch als die ungefähr zeitgleich entstandenen Aufnahmen des Philharmonia. Allerdings spielt sie 1953 auch nicht auf dem Präsentationsteller. Die Qualität schwankt also je nachdem wer gerade Dienst hatte, denn bei großen Orchestern ist die Soloposition (nicht nur beim Holz) immer doppelt besetzt ist, es kommen also zwei verschiedene Spieler für die Soli infrage. Curzon erscheint dieses Mal mit einer eher dunklen Farbpalette. Seinem Flügel fehlt es besonders gegenüber der glanzvollen Darbietung von 1967, ebenfalls mit dem LSO, an Fülle und Brillanz. Dieses Mal spielt Mister Curzon eine Kadenz von Nina Milkina, die alleine schon deshalb prädestiniert erscheint, weil sie am selben Tag Geburtstag hat wie Mozart höchstselbst (kleiner Scherz am Rande). Es handelt sich bei Frau Milkina um eine russische Pianistin, die damals in GB sehr beliebt war, nicht zuletzt durch Radiosendungen, die sie moderierte. Sie schrieb auch Kadenzen für Myra Hess und wohnte zeitweise mit Herr Curzon in einem Haus. „Oben ich, unten Clifford. Es hätte umgekehrt sein sollen.“ Er war ihr immer ein guter Freund und Kollege wird in der Quelle noch schnell ergänzt, damit man nicht auf falsche Gedanken kommt.
Im Larghetto wirkt Curzons dunkler Ton voller und runder, geheimnisvoll und dezent, erneut mit dem fantastischen Anschlag, der dem Mozart-Ideal wohl sehr nahekommen dürfte. Kraftvoll, aber trotzdem sensibel, zart, weich und zugleich prägnant mit seinem besonders fein abgestuften Nuancenreichtum. Die Oboe wird von der Decca-Technik gut im Zaum gehalten.
Das Allegretto wird vom LSO leicht intoniert. Curzon spielt mit perfekter Virtuosität ohne jede Show. Dezent aber enorm bestimmt. Es klingt wehmütiger als bei vielen anderen. Wobei das dunkel klingende Klavier eine verstärkende Rolle einnimmt.
Die Aufnahme wurde sehr leise auf CD überspielt. Das Orchester klingt bereits transparent jedoch noch recht entfernt. Der Flügel erscheint bereits naturgetreu und klar und er ist gut separiert vom Orchester zu hören. Die Aufnahme wurde erst 2024 remastered, es fehlt ihr dennoch erheblich an Fülle und Brillanz. Klanglich stellt sie keine ersthafte Konkurrenz zu Curzons 67er Remake mit Istvan Kertesz dar.
4-5
Edwin Fischer
Danish Chamber Orchestra
Urania
1954, live
14:04 6:58 8:39 29:41
Der nun 68jährige Edwin Fischer bleibt zumindest orchesterseits seinem dramatischen Ansatz von 1937 treu, allerdings wirken die Tempi deutlich aufgeweicht und es gibt nun mehr gefühlvolles Rubato. Pianistisch zeigt er sich, vielleicht weil er jetzt auch noch das Dänische Kammerorchester zu dirigieren hat, nachgiebiger, defensiver, zarter. Sein Klang ist immer noch warm, rund und voll, in der Passagenarbeit gibt es nun allerdings live ein paar Fehlgriffe. Der Pianist litt bekanntermaßen an Lampenfieber (das Studio 1 der Londoner Abbey Road Studios bezeichnete er als Folterkammer). Das Orchester kann sich nicht ganz mit dem LPO von 1937 messen, es wirkt zwar fülliger (!) aber auch etwas plump.
Das sehr zügig genommene Larghetto wirkt dieses Mal leichter und noch versöhnlicher, insgesamt ein wenig romanzenhaft.
Das Allegretto klingt erheblich dezenter als 1937 mit Collingwood gemeinsam und schon moderner, das heißt nicht mehr so vom Geist der Romantik durchweht, der die 37er Aufnahme noch viel stärker prägt.
Zunächst wirkt der Klang des Mitschnitts erschreckend dumpf, aber auch völlig rauschfrei. Das heißt, da wurde recht unsensibel mit dem Filter gearbeitet. Man hat aber die Verschlimmbesserung (allerdings etwas zu spät) bemerkt, denn alsbald klingt es etwas brillanter.
4
Paul Badura-Skoda
Felix Prohaska
Wiener Symphoniker
Westminster-BnF
1951
12:51 6:58 8:46 28:25
Paul Badura-Skoda studierte u.a. bei Edwin Fischer und war ab 1954 dessen Assistent. In den 50er Jahren gehörte er mit Brendel und Gulda zu den strahlendsten Sternen der Wiener Klavierszene. Die anderen beiden erhielten jedoch später bessere Verträge, sodass sie vielleicht heute noch bekannter geblieben sind. Badura-Skoda setzte allerdings mit seinen Aufnahmen bei Transart noch zu einer bemerkenswerten Alters-Platten-Karriere an. Es sind mindestes sechs Aufnahmen mit ihm erhalten geblieben, wovon wir drei in unsere Liste aufnehmen konnten (mit Prohaska, 1951, mit Schuricht, 1962 und alleine in Prag 2001. Es gibt dann noch eine weitere, die ebenfalls bei Westminster erschienen sein soll, die ihn auch als Dirigent eines sogenannten Wiener Konzerthaus-Orchesters ausweist. Dann veröffentlichte Supraphon 1971 ebenfalls mit dem Prager Kammerorchester und mit Wilfried Böttcher gibt es noch eine Aufnahme, die auf Europa erschienen ist (gemeinsam mit dem NDR-Sinfonieorchester).
Das Orchester klingt 1951 dumpf, jedoch gut durchhörbar. Das Klavier ebenfalls nicht gerade offen und brillant. Musikalisch gesehen agiert der 24jährige Pianist bereits als voll ausgereifter Mozart-Spieler mit jugendlich, frischem Anschlag und etwas empathischer und nicht so arg motorisch und geradeaus als Friedrich Gulda 1952 in Berlin. Allerdings wirkt sein Spiel ein wenig monochrom. In Markewitschs Orchester hört man jedoch viel mehr Details. Und beim realisierten Klang kann man kaum mit dem gleichen Maß messen, soviel schlechter klingt diese Digitalisierung einer alten Westminster-Platte aus den Beständen der Bibliothèque national de France gegenüber der restaurierten Audite-Ausgabe. Wie Friedrich Gulda bevorzugte auch Herr Badura-Skoda ebenfalls den Bösendorfer-Flügel. Später wandte sich Badura-Skoda auch dem Hammerklavier zu. Alternativ, nicht ausschließlich.
Im Larghetto klingt das Orchester deutlicher und transparenter, wie aufgelichtet. Das Tempo ist sehr zügig und das Metrum wird exakt gehalten. Der Pianist spielt keine Eingänge, klanglich recht variabel, im Tempo unnachgiebig. Die Kontraste wirken schwach, die Dynamik fast eingeebnet. Der Klang immer noch einfarbig.
Das Allegretto nimmt etwas mehr für sich ein. Wir hören ein ausgesprochen klares, „antiromantisches“ Mozartspiel, unverzärtelt, technisch unanfechtbar, traumhaft sicher. Die Musik wirkt in diesem Klangkleid jedoch kaum sinnlich und letztlich durch die dynamische und klangfarbliche Eintönigkeit auch harmlos.
Die Überspielung erfolgte erfreulich rauscharm und von Knackgeräuschen des Plattenlaufs befreit. Sie ist fast frei von Unterschieden in der Dynamik. Aufnahmetechnisch steht die Aufnahme weit hinter den allerdings überarbeiteten beiden Aufnahmen mit Friedrich Gulda zurück.
4
Glenn Gould
Leonard Bernstein
New York Philharmonic Orchestra
IDIS, WHRA, Urania
1959, live
14:23 7:26 8:35 30:44
Diese Live-Aufnahme aus den West Hill Radio Archives entstand ungefähr zwei Jahre vor der Studio-Einspielung für CBS. Die New Yorker spielen mit großen Streicherbesetzung, klingen bei den solistischen Beiträgen der Bläser jedoch deutlich. Die Oboe enttäuscht, man kennt sie, wenn der etatmäßige erste Oboist, Harold Gomberg spielt, erheblich klangschöner. Die vermeintliche Zweitbesetzung spielt schwergängig und die Oboe klingt schalmeienhaft. Die Flöte gefällt hingegen viel besser. Die Orchesterexposition erscheint noch im romantisch-emotionalen Mozart-Bild, dem Bernstein anhing. Gould hingegen spielt betont zurückhaltend und viel sachlicher als es das Orchester vorgibt. Er spielt besonders differenziert im Dynamischen und trocken in der Artikulation, bestenfalls ein bisschen elegisch klingt es da, keinesfalls düster. Es ergibt sich ein nicht uninteressanter Kontrast zum schicksalsschweren Orchesterspiel, dem alles rokokohaft-leichte abgeht. Gould spielt (sehr gut) die Kadenz von Hummel. Der düstere Charakter durch das Orchester wird durch den an sich schon dunklen Klang noch befördert.
Im Larghetto wirkt Mister Gould viel gelöster, konzertanter eingestellt, kantabler. Er geht sogar konziliant, ja geradezu freundlich auf das Orchester ein. Das Tempo wird ziemlich subjektiv gedehnt und gestaucht. Gold betreibt keinen Staccato-Kult.
Im Allegretto greift Bernstein den schweren Schicksals-Gestus des ersten Satzes wieder auf. Der Satz hat Fluss und es gibt immer wieder musikalisch gelungene Details. Dass Gould Mozart nicht mochte: „Mozart starb zu spät.“ Oder: „Das hätte ein Fünfjähriger schreiben können.“ Oder: „Ich denke Mozart war insbesondere in seinen späten Jahren kein sehr guter Komponist.“ Hatte Mozart überhaupt „späte“ Jahre?), würde man auch seiner Live-Darbietung nicht anmerken.
Die Aufnahme klingt schlecht, besonders im Tutti dröhnt oder fallweise donnert es. Es mangelt ihr generell an Transparenz und sie wirkt sehr trocken. Außerdem gibt es viel, laute Publikumsgeräusche. Kein Genuss.
4
Carl Seemann
Ferdinand Leitner
Berliner Philharmoniker
DG
1952
12:54 7:26 8:37 28:57
Engagiert, groß und ziemlich mächtig wird die Orchesterexposition vorgetragen, die Oboen haben noch nicht das Klang-Niveau der späteren Besetzungen, klingen im Umfeld der 50er Jahre aber bereits erstklassig. Das Holz erklingt leicht distanziert und geht lange noch nicht so in die Dialoge hinein wie bei Brendel/Marriner. Carl Seemanns Spiel wirkt klar und deutlich, uneitel, weit zurückgezogen. Sein Anschlag ist gut fokussiert. Er spielt nur den ausgeschriebenen Notentext, auf zusätzliche Ornamente wird verzichtet. Er nutzt das Pedal wenig und lässt den Ton selten einmal ausschwingen, sodass seinem Spiel eine gewisse Trockenheit verbleibt. Soweit wir das überblicken, ist Seemann der Einzige, der die Kadenz von August Eberhard Müller nutzt. Dieser war Thomaskantor von 1804-1810) und hat eine „Anleitung zum genauen und richtigen Vortrage der Mozart´schen Clavierconcerte in Absicht richtiger Applicatur“ verfasst (Leipzig 1797). Die Kadenz passt sehr gut zu Carl Seemanns Vortragsstil.
Recht zügig im Tempo, unverzärtelt, aber auch etwas einfallslos geradeaus nimmt man sich des Larghetto an. Ohne Eingänge, ohne Verzierungen, ohne Überraschungen und für manch ein Empfinden auch etwas steif und ohne die Phantasie mit einzubeziehen. Damals war das sicher eine im gewissen Sinn unanfechtbare Art Mozart zu spielen.
Was im übertragenen Sinn ebenfalls für das Allegretto gelten kann, wobei das Holz etwas besser zur Geltung kommt als im ersten Satz. Seemann erinnert hier an den ebenfalls uneitlen Vortragsstil von Robert Casadesus, auf den wir im Anschluss in einer eigenen „Rubrik“ noch zu sprechen kommen wollen, wobei dessen Flexibilität nicht erreicht wird.
Der Klang der Aufnahme könnte etwas transparenter sein, ist aber noch als deutlich zu bezeichnen. Er bietet nur wenig Dynamik und wirkt insgesamt trocken. Der Flügel klingt noch nicht mit der heute üblichen Brillanz, aber weder topfig noch grau. Der Flügel hat klangtechnisch immer Vorrang vor dem Orchester. Übrigens: Von den beiden Orchestern, die Ferdinand Leitner in KV 491 dirigiert, gefallen uns die Bamberger Symphoniker dieses Mal besser, sie konnten allerdings auch die bessere Klangqualität in Stereo nutzen, die sie in allen Belangen (außer der fehlenden Dreidimensionalität) wirksam unterstützt.
4
Grant Johannesen
Otto Ackermann
Netherland Philharmonic Orchestra
MMS (Musical Masterpiece Society = Concert Hall), Mezzoforte
Späte 40er – frühe 50er Jahre
12:27 7:12 8:16 27:55
Otto Ackermann (1909-1960) war Chef in Düsseldorf, Köln und am Theater (Oper) in Zürich. Er lässt das groß besetzte, aber hart und platt klingende Orchester mit einer dramatisch geprägten, fast schon durchpeitschenden Lesart beginnen. Die schlecht klingenden Oboen prägen dabei den Bläsersatz. Das Tempo wirkt angetrieben; sehr emotional, ja kämpferisch die Orchesterexposition. Da denkt man mehr an „Don Giovanni“ als an „Figaros Hochzeit“. Das Klavierspiel des Amerikaners (1921-2005) wirkt hingegen motorisch geprägt. Fast klingt es noch nach einem Barockkomponisten mit einem kurzen, schnellen Anschlag. So als würde er noch ein Cembalo spielen. Im Ganzen erscheinen Artikulation und Phrasierung einförmig und stromlinienförmig, aber doch gespielt wie mit selten anzutreffendem Hochdruck. Als Schüler von Robert Casadesus übernimmt Johannesen dessen Kadenz, es ist bekanntlich die von Saint-Saëns. Auch diese wird auf fast schon furchteinflößende Weise durchgepeitscht.
Das Larghetto dürfte wohl das lauteste der ganzen Lise sein. Einmal durch das f der Musiker und dann auch noch verstärkt durch die technische Aufnahme. Johannesen scheint hier einen großen Ton zu favorisieren, der besser zu Rachmaninoff gepasst hätte. Allerdings auch mit wenig Nuancen. Sehr wenig innig auch vom Orchester gespielt, das sich in kräftigem Espressivo ergeht. Die Dialoge lassen jede Zartheit oder Intimität vermissen. Man vermisst die liebevolle Detailzeichnung.
Im dritten Satz scheint das drängende, durchzugskräftige Espressivo eher angebracht. Hochdruck ist angesagt. Der kämpferische Diskurs wird nun gepflegt. Selten klingen die Oboen dabei so „übel“, ja plärrend wie in dieser Einspielung. Es klingt eher nach einer Kreissäge. Der Flügel und sein Spieler geben sich trotz der Übermacht des Orchesters nicht geschlagen.
Die Überspielung einer LP gelang nicht ohne teils starke Verzerrungen. Der Klang wirkt undeutlich und das Orchester-Innenleben (Holz) bleibt wenig transparent. Das Klavier klingt topfig, teils verzerrt und der zweite Satz wird von Gleichlaufschwankungen geplagt.
4
Kathleen Long
Eduard van Beinum
Concertgebouw-Orchester, Amsterdam
Decca
1948
13:36 7:11 9:04 29:51
Die 52jährige Kathleen Long verfügt über eine feine Anschlagskultur und eine nuancierte, klare Phrasierung, die jedoch kaum zwischen p und f vermittelt oder andererseits kontrastiert. So wenig dynamisch scheint sie in den Auseinandersetzungen mit dem Orchester wenig Paroli bieten zu wollen oder zu können. Man wundert sich, dass van Beinum, der bei anderen Werken keiner Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen scheint, vice versa auch das Klavier nie kampfbetont mit dem Orchester angeht. Dieser erste Satz erscheint so in den Kräfteverhältnissen vollends ausgewogen.
Leicht, locker und ziemlich sachlich erklingt dann das Larghetto. Ähnlich der zuvor erwähnten Oboe im Netherlands Philharmonic Orchestra klingt auch die Oboe im Concertgebouw Orchester noch Kreissägen ähnlich. Eine echte Stimmungskillerin.
Erstaunlich durchsichtig dann das Allegretto, in dem erneut kaum Dynamik spürbar ist. Das Spiel der britischen Pianistin wirkt besinnlich und beherrscht. Insgesamt ein pastellfarbener, rokokohafter Mozart, den wir da hören.
Der Klang ist, wenn man das AD bedenkt sehr transparent und gut ausbalanciert. Das Orchester ist selbst ein zurückhaltender, sehr leiser Partner. Der Klang wirkt flach und sehr wenig dynamisch.
2-3
Rudolf Serkin
Michel Singher
Oberlin Chamber Orchestra
Doremi
1985, live
14:03 8:25 10:11 32:39
Hierbei handelt es sich um eine Live-Aufnahme, bereits weit in der Stereo-Zeit und trotzdem nur Mono aus dem Konservatorium in Oberlin, einer kleineren Stadt in Ohio, die besser nicht den Weg aus dem dortigen Konzertsaal herausgefunden hätte. Das Orchester spielt zwar nachdrücklich aber nicht ganz intonationssicher. Auch der Flügel klingt seltsam, wie abgedämpft und leider auch ziemlich stark verstimmt, so als hätte er eine Generalüberholung schon seit einiger Zeit dringend nötig. Der Pianist trifft zudem nicht immer die richtigen Tasten und spielt mit unausgewogenem Anschlag. Insgesamt macht das Orchester noch den besseren Eindruck als der Pianist. Falls es wie angegeben Rudolf Serkin gewesen sein sollte, wäre er 82 Jahre alt gewesen. Der Dirigent ist übrigens Sohn des französischen Sängers Martial Singher und Enkel von Fritz Busch, womit der Pianist Rudolf Serkin wieder etwas plausibler wird. Michel Singher unterrichtete außer in Oberlin auch in Freiburg, Washington, New York und San José.
Das Larghetto zeigt leider kein verbessertes Bild: Der Flügel klingt sehr unausgewogen, das Spiel wirkt sehr unpräzise und die beiden Hände spielen sich nur uneben zu. Das Spiel ist spannungslos. Mit der Veröffentlichung dieses Mitschnitts macht sich die Bildungseinrichtung selbst keine Ehre, falls sie überhaupt gefragt wurde. Und Rudolf Serkin hätte einer Veröffentlichung niemals zugestimmt. Er wirkt, auch gegenüber der Einspielung mit Claudio Abbado, die ja zeitlich bald nachfolgen wird, wie ein Schatten seiner selbst. Plump und ohne jede Eleganz. Auch Stars haben mal einen schlechten Tag.
Im Allegretto wirkt das Spiel nicht wesentlich geschickter, nur halbwegs geläufig und immer noch wackelig, mit fehlenden Tönen und Fehlgriffen dazwischen. Fast schon karikaturhafte Passagen wechseln sich mit halbwegs gelungenen ab. Die Identität des Pianisten wäre eigentlich massiv infrage zu stellen. Es gibt jedoch typische Eigenheiten, die sie verifizieren können, wenn man die DG-Aufnahme hört.
Der Klang ist tatsächlich noch monaural aufgenommen worden. Man denkt sofort an ein Amateur-Bootleg ohne Genehmigung. Die Transparenz ist noch ganz passabel, die Dynamik schwach. Insgesamt klingt es eher nach 40er Jahren als nach den 80ern. Sehr unvorteilhaft für alle Beteiligten.
6. Einspielungen von Robert Casadesus, der das Konzert als sein „Lieblingsstück“ bezeichnete und entsprechend oft spielte.
5
Robert Casadesus
George Szell
Cleveland Orchestra
CBS-Sony
1961
12:57 7:50 8:40 29:27
STEREO Monsieur Casadesus hatte sich, obwohl er viele Mozart-Klavierkonzerte in seinem Repertoire hatte, durchaus ein wenig auf KV 491 spezialisiert, wie man an der Fülle von Einspielungen und Mitschnitten erkennen kann, die man heute noch zur Verfügung haben kann. Sicher gibt es noch einige mehr in den Archiven der Rundfunkanstalten. Er selbst bezeichnete es als sein „Lieblingskonzert“. Es gibt in der kleinen Extra-Liste vier Studioeinspielungen darunter drei mit George Szell (darunter wiederum seine einzige Stereo-Aufnahme) und eine mit Eugène Bigot, die, um den Musikfreund zu verwirren inzwischen mit zwei verschiedenen Orchestern firmiert. Genaues Hinhören offenbart jedoch die Gleichheit. Dazu gesellen sich noch sechs Live-Mitschnitte, die alle von 1954-58 entstanden sind.
Alle Aufnahmen wirken mehr oder weniger emotional zurückhaltend und klassisch ausgewogen, ohne Anflug von Romantik, oder „romantischem Reichtum“ oder gar Überschwang, aber auch nicht trocken, für manch einen Hörer jedoch ein wenig kühl. Uneitle Eleganz geht hier weit vor Auftrumpfen. Die Fingerarbeit wirkt mühelos und klar, es gibt aber keine „Durchbuchstabiererei“. Eher ein wenig akribisch und sehr sorgfältig durchdacht. Klanglich fehlt eine gewisse Üppigkeit, die man bei Mozart jedoch weniger vermisst als etwa bei Brahms, von dem er sich sowieso ziemlich ferngehalten hat. Temperamentvolle Ausflüge gibt es bei dem einem Dirigenten mehr, beim anderen weniger. Szell, mit dem Monsieur Casadesus eine lange gemeinsame Konzertgeschichte verbindet, tut nichts, um dem gemeinsamen Konzertieren einen wärmeren Grundton zu verleihen, wie wir es damals von Bruno Walter oder Leonard Bernstein, um einmal bei CBS zu bleiben, hätten erwarten können. Romantisieren liegt ihm genauso fern wie Casadesus. Die beiden lagen also diesbezüglich auf einer Wellenlänge. Dagegen wirkt das Konzertieren mit ihm markant, detailreich, präzise und bestechend klar, wie es mit kaum einem zweiten damals gelang. Wir setzen die neuste Aufnahme an die Spitze der Liste, weil sie am besten klingt.
Zusammenfassend können wir sagen: Wir hören hier Mozart eher in klassischer Tradition, bei Casadesus speziell von der Tradition des Clavecin-Spielens aus der Rameau-Zeit herkommend, denn als beginnender Romantiker. Wir hören unsentimentales Jeu perlé fast in Reinkultur mit ganz wenig Pedaleinsatz und einer speziellen Anschlagskultur, die diesbezüglich bereits 25 Jahre vor ihrem eigentlichen Auftreten an die Historisten denken lässt.
1961 gehen die beiden an der gleichen Stelle, der Severance Hall, mit der gleichen Entschlossenheit und Intensität an den ersten Satz heran wie 1954, jedoch nicht mehr ganz so zügig. Eigentlich sogar deutlich langsamer. Die exzellenten Holzbläser agieren in bester Äquilibristik, markant und detailreich. Die Oboe spielt mitunter ziemlich vibratoreich. Das Spiel gerade der Holzbläser ist besonders genau, aber keineswegs kalt, nie fest, aber pointiert. Von allen Aufnahmen mit Casadesus agieren sie in dieser Aufnahme im besten Abstand zum Flügel und spielen besonders gelöst. Casadesus´ Flügel klingt im Vergleich zum Orchester wenig brillant, aber mit dem besten Concertare, zart aber nicht verzärtelt und reichhaltiger im Klang als in Salzburg (mit Mitropoulos) oder Luzern (mit Karajan). Der Pianist war übrigens 1961 62 Jahre alt, aber alles andere als „altväterlich“. Die Saint-Saëns-Kadenz gehörte zu seinen Markenzeichen. Er spielt sie im Studio etwas weniger „aufgedonnert“ als in den Live-Konzerten in Salzburg, Luzern und München.
Im Larghetto herrscht ebenmäßige Klarheit und beseeltes Spiel bei allen Partnern. Die Oboe dominiert den Bläsersatz mit ihren hellen, aber nicht dünnen und nicht harten Klang und ihrem schnellen, auffallenden Vibrato. Diese Dominanz bleibt jedoch der einzige mögliche Einwand für uns, ansonsten herrscht in diesem Satz eine gewisse Art Mozart-Glück vor.
Im Allegretto wirkt das Spiel von Klavier und Orchester besonders finessenreich und besonders gut austariert. Bestechend wirkt das stimmige Ganze. Das Attribut „vollkommen“ erscheint hier angemessen, wenn nicht, wo sonst. Sanft beschwingt ist der Satz auch ein sinnlicher Hochgenuss und Balsam für die Seele. Trotz des Fatalismus in dem Mozart den Satz enden lässt.
Der Klang der Aufnahme wirkt nun, sieben Jahre nach der Mono-Aufnahme, erheblich offener, transparenter, voller, weicher und dynamischer. Es ist ein ganz leichtes Rauschen zu hören. Das hat man bei Hänssler bei der der 54er-Einspielung übrigens vollkommen eliminiert. Das Orchester wirkt brillanter als der Flügel, dennoch wirkt die Aufnahme sehr gut ausbalanciert.
5
Robert Casadesus
George Szell
Columbia Symphony Orchestra
CBS-Hänssler
1954
11:48 6:56 8:04 26:48
MONO Auch 1954 traf man sich in der Cleveländer Severance Hall zur Einspielung. Szell und das Orchester strotzen in dieser Aufnahme nur so vor Tatkraft, was sie jedoch nicht daran hindert ihr energisches, strenges Spiel voller Ernst mit kompromissloser Präzision abzuliefern. Auch Casadesus, 55, schließt sich da an. Sein Spiel wirkt wie eine Reinschrift, er scheint jeden Ton eigens zu formen mit einem noch etwas virtuoserem Aplomb als in der Aufnahme mit Eugène Bigot, seiner Erstaufnahme von 1937. Das Concertare wirkt bereits 1954 hellwach, pointiert und hochkonzentriert, womit man den Aplomb Brendels mit der Academy von 1973 fast schon vorwegnimmt. Der Gestus ist noch ein wenig weniger ebenmäßig, weniger proportioniert als später, dafür wirkt es grimmiger und weniger blass. Die Kadenz die Casadesus spielt ist immer die seines Landsmanns Camille Saint-Saëns. Bei ihr kann er zeigen, was er in Sachen Virtuosität draufhat. Man wird sozusagen völlig in die Romantik „gebeamt“.
Im Larghetto spielt das Holz mit höchster Qualität, sowohl intonatorisch als auch in Hinsicht spielerischer Virtuosität. Sehr kantabel und pulsierend lässt der französische Meisterpianist die Tongirlanden hören, weich und doch damals schon körperhaft, klanglich noch von der Technik eingeengt, doch schon sprechend, extrem fein nuanciert und brillant. Werkdienlicher kann man das kaum spielen.
Im Allegretto wird jede Variation plastisch charakterisiert, besonders die zackige Marsch-Variation. Das Holz begeistert mit Finesse, perfektem Zusammenspiel, Intonationssicherheit und Klangschönheit. Casadesus gelingt eine vollkommene Balance von Intimität und „Attacke“. Schneidender finaler Lauf und betont trockene Schlussakkorde.
Die Violinen klingen gegenüber 1961 noch dumpf und glanzlos. Hell aufblitzen können sie bereits verschiedentlich, genau wie der Bass bereits sehr deutlich kommt. Der homogene Gesamtklang ist noch ganz leicht angeraut. Diese Studio-Mono ist klanglich besser als alle Live-Monos, die in der Liste noch folgen, letztlich ist sie auch frei von den üblichen Störgeräuschen wie Rauschen oder Husten. Obwohl die Dynamik schon gut gefällt, kommt die Mono- an die Klangfülle der Stereo-Aufnahme sieben Jahre später nicht heran.
5
Robert Casadesus
George Szell
Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester (heute: WDR Sinfonieorchester Köln)
Archipel,
1960, Live
12:24 7:26 8:18 28:08
Medici Arts
1960, Studio
12:24 7:20 8:09 27:53
MONO Wenig überraschend gleicht die Darbietung in Köln, einmal von Archipel als live-Dokument veröffentlich, ein zweites Mal von Medici Arts als Studio-Produktion veröffentlicht, der CBS-Produktion in Cleveland nur ein Jahr später.
Die Orchesterexposition wirkt straff, ernst, fast grimmig, geradliniger als bei Mitropoulos und entschlossen. Casadesus wie in Cleveland mit klarem, gut fokussiertem Anschlag, wie immer zurückhaltend, mal fast ergeben ins Schicksal, mal angetrieben, immer bestens ausbalanciert, lebendig, stark nuanciert. Das Holz geht allerdings noch bei weitem nicht so auf Tuchfühlung im Dialogisieren wie in Cleveland oder wie 1973 bei Brendel und Marriners Academy. Die Oboe klingt 1960 auch in Köln noch hart. Auf Medici Arts erscheint Casadesus´ Spiel kraftvoller, präsenter und sogar temporeicher (bei gleicher Spielzeit), das Zusammenspiel noch hellhöriger, obwohl es sich um dieselbe Besetzung handelt. Zuerst glaubten wir noch nur an unterschiedlich gelungene Bearbeitungen. In den beiden folgenden Sätzen stimmten dann auch die Spielzeiten nicht überein, sodass es sich um zwei verschiedene Sessions handeln müsste.
Das Larghetto, zügig im Tempo, zeigt wieder die entwaffnende Schlichtheit, die Casadesus´ Spiel auszeichnet. Leiser kann man einen Flügel kaum noch spielen. Uneigennütziger ebenfalls kaum. Auch Casadesus´ spielt keine Eingänge oder zusätzliche Verzierungen. Szell lässt recht locker spielen, nie steif.
Mit der „Wut eines Tigers“, wie einmal in einer Kritik geschrieben wurde und mit „Fingern aus Stahl“ soll Casadesus hier spielen. Dabei macht es mehr den Eindruck, als dass das Holz ihn zu mehr Tempo und zu mehr Durchsetzungskraft anstacheln wollte oder es dazu provozieren wollte. Und tatsächlich kommt er zu einer stärkeren Durchsetzungskraft. Alle Variationen werden wie unter einen Bogen gespannt. Die Spannung von A bis Z gehalten.
Klanglich könnte der Unterschied zwischen beiden Aufnahmen kaum größer sein. Archipel nutzt eine schlechte Rauschunterdrückung (oder auch gar keine), denn die Aufnahme rauscht aufdringlich. Dazu gibt es auch noch eine Brummschleife. Das Holz ist entfernt, aber trotzdem gut durchhörbar, der Flügel wenig exponiert. Aus klanglichen Gründen lohnt das Hören dieser Aufnahme ganz sicher nicht.
Ganz anders bei Medici Arts: Hier klingt es offen, völlig störungsfrei, das Holz erheblich präsenter. Hier wurde gewissenhaft neu abgemischt. Und im Funkhaus zu Köln offensichtlich ohne Publikum aufgenommen.
5
Robert Casadesus
Dmitri Mitropoulos
Wiener Philharmoniker
Orfeo
1956, live
12:13 7:46 8:20 28:19
MONO Hier sind wir zu Gast bei den Salzburger Festspielen, Casadesus war dabei 56, Mitropoulos 60 Jahre alt, und wir erleben durchaus ein Mehr an knisternder Live-Spannung im impulsiv und dynamisch, fast schon herrisch aufspielenden Orchester. In Hinsicht auf einen entschlossen-kämpferischen, sanguinischen Gestus liegt diese Aufnahme vorne, noch vor Karajan und Jochum. Casadesus´ p wirkt nun noch kleiner, ja winziger und machtloser bei seinem ersten Einsatz. Die Wiener begleiten anschmiegsam und enorm hellhörig. Der Bläsersatz wird von Flöte und Oboe dominiert, Klarinette und Fagott stehen dagegen weit zurück. Der Flügel von Herrn Casadesus klingt hier von all seinen Einspielungen am dynamischsten.
Das Larghetto erklingt auch in Salzburg ganz in sich zurückgezogen. Der „Zauber der leisen Töne“ kann sich wieder verbreiten, das Holz musiziert „beseelt“ dazu. Gleichwohl erstarrt man hier nicht in Ehrfurcht, sondern bringt noch viel Herzenswärme ein. Leiser hat man Klavier und Orchester wohl in keiner anderen Aufnahme gehört, obwohl man immer wieder staunt, auch bei manch einer anderen Aufnahme mit Casadesus.
Im Allegretto lässt Mitropoulos das Orchester besonders beherzt spielen, was Casadesus ebenfalls anspornt, mehr aus sich herauszugehen. Das Holz zügelt sich kaum und wirkt ziemlich prall. Dadurch wird das Spielerische und Kämpferische mehr in die Interpretation aufgenommen als in den anderen Einspielungen von Robert Casadesus, auch das volkstümliche. Das Zärtliche ist bei ihm immer dabei. Das resolute Moment auch bei Szell. Eine reichhaltige und bereits vielfältige Darstellung des Werkes.
Die Klangqualität ist ein Hemmschuh für diese Aufnahme. Vor allem der Mangel an Klangfülle, sie wirkt jedoch auch eindimensional. Nichtsdestotrotz noch erstaunlich klar und präsent und mit dem Karajan-Mitschnitt die klanglich beste Live-Aufnahme. Sehr geringes Rauschen.
5
Robert Casadesus
Herbert von Karajan
Schweizerisches Festspielorchester (heute: Lucerne Festival Orchestra)
Audite
1952, live
12:56 8:30 8:06 29:32
MONO Dies ist Karajans erster Beitrag zur Diskographie von KV 491, es folgt dann nur noch ein Jahr später die Aufnahme mit Walter Gieseking. Danach ist uns kein weiterer Beitrag mehr bekannt. Die Orchesterexposition mutet recht spontan musiziert, kraftvoll und kontrastreich an. Die Bläser verfügen noch lange nicht über den Schmelz der Berliner, klingen aber für die 50er Jahre sehr gut besetzt. Man spielt sehr viel dynamischer, bewegter als das französischer Funkorchester unter Pierre Monteux, zudem sauberer. Der Flügel wirkt noch klarer umrissen als bei der BR-Aufnahme mit Eugen Jochum. Casadesus (52) fühlt sich auch zu mehr Spiellaune, größerem Kontrastreichtum und stärkeren Dynamikgegensätzen hingerissen. Casadesus gibt offensichtlich mehr von sich preis als mit anderen Dirigenten (Mitropoulos einmal ausgenommen). Karajan lädt den Orchesterpart dramatisch auf und lockt damit den Pianisten aus der Reserve. Solchermaßen gesteigerte Spielfreude wirkt sich auch auf die Kadenz aus, die ganz besonders ins Romantische hineingesteigert und ausgespielt wird (es ist ja immer dieselben von Camille Saint-Saëns).
Mit Karajan ergibt sich im Larghetto ein deutlich langsameres Tempo. Es wirkt so gefälliger. Casadesus spielt erneut ganz abgedämpft und extrem abschattiert wie in München. Das Holz klingt deutlich besser als beim französischen Funkorchester. Das Zusammenspiel erfolgt nahtlos.
Im Allegretto scheint Karajan ein temperamentvolleres, drängenderes Tempo vorzulegen als Szell. Casadesus ist voll auf der Höhe und gefällt durch eine weitere dynamische Spreizung als es das später zu tun pflegt. Hochkonzentriert. Karajan, gerade 44jährig und noch ohne feste Position, versuchte in diesen Konzerten auch in der Schweiz wieder fußzufassen, diese besondere Bedeutung für ihn mag man seinem Musizieren auch anmerken.
Der Klang der Aufnahme, von Audite klangveredelt wirkt vergleichsweise voluminös, sehr klar und sogar ein wenig räumlich. Das Klavier wirkt voll und sonor, klar vom Orchester losgelöst und davorgestellt. Die Störgeräusche vom Publikum sind selten und wenn, dann nur hintergründig. Insgesamt klanglich die beste Live-Aufnahme mit Casadesus.
4-5
Robert Casadesus
Eugen Jochum
Sinfonieorchester des BR
BR-Archipel
1954. live
12:35 7:47 8:21 28:43
MONO Die Orchesterexposition wirkt in München getragener, breiter als mit George Szell. Erneut leise und zurückhaltend der Klavierklang, sogar etwas fülliger und brillanter als in Cleveland. Faszinierend erneut die reiche dynamische Abschattierung im leisen Bereich zart und zärter sozusagen). Die Oboe klingt in den 50igern ebenfalls noch recht hart und hell. Das Konzertieren erfolgt noch undeutlich aber doch ansprechend gespielt, allerdings ohne die Verve in der Aufnahme von Brendel (1973). Die romantisch-virtuose Kadenz, fällt aus der üblichen Mozart-Manier Casadesus´ heraus, gerade wenn sie so offensiv akzentuiert wird wie hier. Dass ein Exponent der französischen Klavierschule eine Kadenz von einem Franzosen wählt erscheint ja plausibel und gefällt sie ja auch mit am besten.
Grazil und fragil wird das Larghetto auch in München vom Pianisten gespielt, bescheidener oder schlichter geht das kaum noch. Wie in tiefer Versenkung, fast schon Transzendenz gestattet sich Casadesus kaum einmal eine leichte eigene Gefühlsregung. Er steht ganz hinter dem Werk zurück.
Jochum gibt dem Orchesterspiel im Allegretto einen sanguinisch anmutenden Drive. Das Zusammenspiel wirkt bereits, wie zuvor präzise. Im Holzbläsersatz erscheint das Fagott akustisch benachteiligt. Casadesus ist wie immer allem Brillieren abhold, unaufdringlich im Virtuosen. Wenn man einmal von der Kadenz im ersten Satz absieht, da bekennt er höchst virtuos „Farbe“.
Die Aufnahme lässt immer mal vereinzelte Huster durchkommen, wirkt aber recht transparent und recht präsent. Erheblich klarer klingt es im Larghetto. Nur die Violinen klingen ein wenig hart, das Holz könnte viel näher am Geschehen beteiligt sein. Es gibt wenig Klangfülle und Tiefe, d.h. wenig Bass und wenig räumlichen Tiefeneindruck. Es fehlt an Dynamik.
4-5
Robert Casadesus
Eugène Bigot
Orchestere Symphonique de Paris
French Columbia, heute: APR
1937
12:48 8:08 8:39 29:35
Orchestre de la Société des Concerts di Conservatoire de Paris
Documents
1960
12.42 8.02 8.31 29:16
MONO Um dem Verwirrspiel gleich zuvorzukommen: Es handelt sich bei beiden Editionen um dieselbe Aufnahme, obwohl sie sich ziemlich klanglich ziemlich deutlich unterscheiden. Das Klavier klingt deutlich anders und man meint sogar, dass bei Documents das Orchester ein wenig besser spielt. Was ein gutes Remaster doch ausmacht. Verführt wird man natürlich auch durch die unterschiedlichen Aufnahmedaten: 1937 und 1960, das muss doch anders klingen und schließlich sind ja auch zwei verschiedene Orchester beteiligt. Beonders seltsam: Die Spielzeiten stimmen nicht genau überein. Da lief ein Plattenspieler anscheinend etwas schneller als der andere. Das Horn hat es dann verraten, natürlich mit einem markanten Kickser. Genau bei 7:36. In „beiden“ Aufnahmen, die ja 23 Jahre auseinander liegen sollen. Monsieur Bigot, Jahrgang 1888. lebte übrigens bis 1965, ein AD 1960 wäre also durchaus im Bereich des Möglichen. Und weil Herr Casadesus das Werk so gerne spielt, warum also nicht ein Remake 1960?
Dies ist und bleibt also die erste Aufnahme, die zumindest uns von Herrn Casadesus bekannt ist. Das Bescheidene im Spiel des Franzosen hat auch 1937, als er 38 Jahre zählte bereits Bestand und es hat seinen Reiz. Er reiht die Perlen bereits damals zu makellosen Perlenschnüren auf, hebt aber im Gegensatz zu späteren Aufnahmen die linke Hand (sogar mit Kraft) deutlicher hervor, was ihm später offensichtlich obsolet wurde. Vielleicht war aber auch einfach noch eine größere innere Beteiligung vorhanden, die ihren Weg nach außen suchte? Später klingt es noch ausbalancierter, noch klassisch-subtiler. Das Holz ist schon bemerkenswert gut hörbar und was fast noch wichtiger ist, es klingt dezenter als bei Monteux. Oboen können ja so schneidend-dünn klingen. Hier jedoch nicht. Die Streicher klingen bereits recht angenehm voll. Damals schon wählte der Pianist die Kadenz von Saint-Saëns, einer Entscheidung, der er immer treu blieb. Sie katapultiert uns 100 Jahre in der Musikgeschichte nach vorne. Diesmal klingt sie besonders viril, extrem virtuos und fast donnernd. Ist ja auch kein Mozart.
Das Larghetto klingt markanter anders als später. Obwohl nach der Uhr nicht schneller wirkt es so, als ginge es den Musiker um Geschwindigkeit. Es klingt viel lebendiger als später, zumindest was die pianistische Seite betrifft. Und die Dirigenten passten sich zumeist an. Auch damals verweigerte uns der Pianist die Eingänge, in einer unserer Partituren werden sie als ein Muss bezeichnet. In der älteren von 1936 (Edition Peters).
Im Allegretto geht es hingegen entspannt und eher getragen zu. Die Punktierungen in der Marsch-Variation sind deutlicher als später.
Die Aufnahme klingt in beiden Versionen besser als der Kölner Mitschnitt von 1960 auf Archipel (den man auch als klanglich misslungen bezeichnen könnte). Das Orchester klingt da 1937 in Paris schon deutlicher und das Klavier klingt bereits natürlich.
Auf Documents sind die Abspielgeräusche der alten Schellack-Platten so gut wie eliminiert. Der Klang wirkt nun fast steril, es gibt gegenüber der APR kein Rauschen mehr. Man hat das Gefühl, das Orchester spiele sogar besser, weil der Klang klarer und aufgelichtet wirkt. Wie man sich doch täuschen kann.
4
Robert Casadesus
Pierre Monteux
Orchestre National de France
Music and Arts
1958, live
12:27 7:46 8:15 28:28
MONO Die Orchesterexposition krankt am wenig ausgewogenen Holzbläsersatz der z.B. dem des BRSO 1954 deutlich nachsteht. Die Oboe klingt noch schärfer und dominanter und zudem immer zu laut, ans Cleveland Orchestra 1954 darf man erst gar nicht denken. Casadesus strahlt nicht die gewohnte, ultimative Ruhe und Gelassenheit aus. Sein Klavier erscheint auch schlecht umrissen, verschwommener als z.B. in München. Er scheint dieses Mal immer den Drang des Orchesters vermitteln zu wollen. Umgekehrt hat man auch mitunter den Eindruck, dass Monteux dem Pianisten kaum folgen kann.
In Paris 1958 spielt man dasselbe Tempo wie 54 in München. Das Pariser Orchester klingt grober als das Münchner. Die Bläser spielen einfach kein p und auch sonst ohne Finesse. Auch Casadesus kommt nicht auf den gewohnten „Samtpfödchen“ daher. Kein Glanz.
Auch im Allegretto wirkt der Pianist nicht so souverän wie von ihm gewohnt. Es gibt minimale Unschärfen und nicht die gewohnte Mühelosigkeit. Er geht mehr aus sich heraus.
Der Klang der Aufnahme zeigt sich erneut wenig dynamisch. Das Holz ist eigentlich immer zu laut (lauter als beim BR). Der Flügel wirkt etwas weniger klar. Das Orchester generell weniger transparent als das BRSO 1954 in München. Für diese Aufnahme spricht nicht viel.
4
Robert Casadesus
Hans Schmidt-Isserstedt
NDR-Sinfonieorchester
Tahra
1954, live
12:16 7:29 8:15 28:00
MONO Das großsinfonisch wirkende Orchester hatte keinen guten Tag und spielt weit entfernt von der Klasse des Cleveland Orchestra. Knapp, streng etwas roh, aber auch feurig. Casadesus nicht mit seinem typischen Jeu perlé, spielt häufiger mal legato, erreicht aber fast den Grag an Versenkung wie bei seinen besten Aufnahmen. Die Bläserdialoge wirken gegenüber den Aufnahmen mit Szell oder auch Karajan unterbelichtet, kein Wunder die Bläser wurden weit in den Hintergrund verbannt. Wie immer spielt Casadesus „seine“ Saint-Saëns-Kadenz, dieses Mal nicht mit all den sonstigen Finessen und nicht so kraftvoll. Er scheint in Hamburg nicht ganz fit gewesen zu sein.
Das Larghetto geht wieder flott von der Hand, schneller als mit Karajan oder Bigot, aber betont introvertiert, „still“ und in sich zurückgezogen, extrem leise, doch mit Spannkraft und fein abschattiert. Das Orchester gefällt hier etwas besser, zumindest die Streicher.
Im Allegretto erreicht Casadesus nicht ganz die gewohnte traumwandlerische Sicherheit.
Das Orchester klingt, was die Violinen betrifft schon recht brillant, wenngleich noch nicht so rein. Mitunter klingen sie auch mal schrill. Das Publikum ist nur recht leise hörbar, gehustet wird sehr oft. Die Auswahl an Aufnahmen mit Robert Casadesus ist groß. Die Hamburger Aufnahme kann als entbehrlich gelten.
7. Live-Konzerte, mitgeschnitten bei Rundfunk-Sendungen, bisher auf Tonträger nicht veröffentlicht, mitunter aber auch in den jeweiligen Mediatheken oder bei YouTube abrufbar:
5*
Lars Vogt
Alan Gilbert
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
BR
2015, live
13:14 6:19 8:27 28:00
Alan Gilbert lässt das Orchester in der Orchesterexposition dramatisch aufgewühlt spielen. Holz, Blech und Pauken erscheinen schon im Tutti sehr plastisch hervorgehoben, bei solistischem Hervortreten spielt man einander ausgesprochen zugewandt, also sehr dialogorientiert. Vorbildlich dabei: Die Oboe. Man spielt stark an der HIP orientiert und ausgesprochen getrieben, deftig kontrastierend und nuancenreich. Und wenn man dann die spätere Einspielung Vogts mit dem Pariser Kammerorchester kennenlernt, erkennt man, wie sehr sie sich ähneln. Es scheint, als hätten sich die Herren Vogt und Gilbert bestens abgesprochen. Der Klang von Vogts Klavier wirkt kernig und ebenfalls enorm detailreich und mit einer enorm kotrastreichen Dynamikgestaltung. Es ergibt sich ein Concertare auf höchstem Niveau, absolut nahtlos und sagenhaft kommunikativ. Der ganze erste Satz wirkt enorm spontan und inspiriert.
Im Larghetto hat man die Aufnahmedisposition, wie es in vielen Einspielungen geschieht, leicht verändert. Der Flügel wirkt jetzt wie näher an den Hörer herangeschoben. Auch das Orchester wirkt präsenzgesteigert. Es wird angetrieben, um nicht zu sagen „angeschärft“ musiziert, hellwach, „aufgeweckt“. Ungemein lebendig, sowohl das Orchester als auch und insbesondere der Pianist. Vogt lässt auch in diesem Satz den Flügel kernig klingen, nie rührselig oder um ein klangliches Erreichen von Transzendenz bemüht. Da ist nichts, was einem Notturno ähneln würde und nichts romanzenähnliches an diesem Satz Aber doch erneut wird sehr nuancenreich mit einem fast schon burschikos-frechem Unterton gespielt.
Das Allegretto erklingt detailreich, zugleich großbogig und ungemein spannend. Pianistisch erweist sich Herr Vogt (auch live) als ein herausragender Mozart-Spieler, griffig und ausdrucksvoll. Plastisch und genau werden die einzelnen Variationen in ihrem Ausdrucksgehalt scharf umrissen, genau wie später in der Pariser Einspielung in der er ja auch das Dirigat übernommen hatte. Er muss sich mit Alan Gilbert sehr gut verstanden haben. Ein Extra-Bravo an den Solo-Oboisten, denn lebendiger, klangschöner und zugleich prägnanter lässt sich diese Stimme nicht darstellen.
Das Klangbild aus dem Herkulessaal wirkt sehr transparent, breit und tief gestaffelt, räumlich, dynamisch, farbig und warm. Der Klavierklang ist sonor und brillant, scheint des Schwebens (bei Bedarf) mächtig. Das Holz erscheint sehr präsent, fast wie auf dem Präsentierteller, was der Einspielung guttut vor allem unterstützt dies die kammermusikalische Durchdringung. Der Klang wirkt erheblich plastischer als bei Vogts Darbietung in Berlin (RBB) ein Jahr später.
5
Vikingur Ólafsson
Paavo Järvi
Philharmonia Orchestra
BBC, gehört auf YouTube
2021, live
13:03 7:47 8:50 29:40
Dies ist ein Mitschnitt von den BBC Proms aus der Royal Albert Hall (während der 150. Saison). Es war das Debüt des damals 37jährigen Pianisten aus Island. Paavo Järvi fungierte als Einspringer für den sich in Terminschwierigkeiten befindlichen Santuu-Matias Rouvali. Paavo Järvi dirigiert jedoch absolut souverän wie immer. KV 491 ist wie bei Robert Casadesus auch Vikingur Ólafssons Lieblingsstück. Er meint Mozart blicke mit ihm im ersten Satz in die Zukunft (ins 19. Jahrhundert), während das Larghetto fest in der Klassik verankert bleibt. Und im dritten Satz würde Mozart den Blick zurück wenden in die Vergangenheit, zu Bach. Man fühle so die Romantik, die Klassik, den Barock. Gleichzeitig funktioniere das Werk als Ganzes, es wäre eigentlich wie ein Universum. Der Anfang wäre vermutlich die ungemütlichste Musik, die Mozart je komponiert hätte. So perfekt harmonisch er klingen könne, so unheimlich könne er auch komponieren. Das mache er auch beim „Don Giovanni“ und beim Requiem. In diesem Konzert sehe man sich nicht als Außenstehender, sondern als Teil des Orchesters und auf Augenhöhe mit diesem. „Einmal spielt man Quintett mit den Bläsern oder Streichern und plötzlich ist man wieder heroischer Solist. Der unglaubliche Dialog ist immer da.“
Obwohl 2021 noch zu den Jahren der Corona-Epidemie gehört spielt das Orchester komplett ohne Masen, man hält aber noch einen erhöhten „Sicherheitsabstand“ zu den Mit-Musikern. Auf dieses Weise konnte man zugleich mit relatib wenigen Musikern die große Bühne der Royal Albert Hall füllen. Das Orchester spielt denn auch schlank und deutlich mit einer der HIP angenäherten Phrasierung. Das Holz wirkt präsent, das ganze Orchester optimal transparent. Das Blech ist gut hörbar, auf Originalinstrumente hat auch das Blech verzichtet. Die Klarinette steht der Oboe in der Präsenz und im Klang ein wenig nach. Der Pianist lässt weiche, federleichte Läufe hören genau wie sogfältig kontrollierte Akkorde. Sein Anschlag gebietet genauso über die tiefen Bass-Resonanzen im f und ff. Ingesamt ist der Klang des Flügels von erlesener Schönheit. Vikingur meint, dass aus Mozarts Verspieltheit der Kern seines Erfindungsreichtums erwachsen würde. So spielt er auch: Aufmerksam und erfrischend, auch die transparenten Dialoge mit den Bläsern. Man bemerkt ein herausragend leises, aber auch substanzreiches p und pp. Die Kadenz aus eigener „Fertigung“ wirkt weit ausholend, aber abwechslungsreich , virtuos und glanzvoll.
Im Larghetto gibt es auch mal kleine Tempowechsel, mal spielt man zurückhaltend, mal vorantreibend, aber ohne Manierismus, eloquent und frei-fließend. Der exquisit-feine Anschlag lässt bei leisem Spiel große Wirkung entfalten. Kristallklar. Auffallend die geschmeidigen Interaktionen der Musiker untereinander. Es gibt kleinere Auszierungen, Meisterfaht.
I Allegretto wirkt das Spiel straff-pulsierend, sensibel, verspielt, pointiert, elegant bei vollem Dynamikspektrum, bewegt und wie immer: absolut klar.
Der Klang der Aufnahme ist transparent, brillant, offen, gut gestaffelt und sehr gut ausbalanciert.
5
Lars Vogt
Ion Marin
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
RBB
2016, live
13:14 6:32 8:25 28:11
Auch bei diesem Konzert in der Berliner Philharmonie gab es einen Einspringer: Ion Marin musste kurzfristig Simone Young ersetzen. Auch in diesem Mitschnitt wurde das Spiel in Teilen von der HIP geprägt, wenn auch nicht so konsequent umgesetzt wie ein Jahr zuvor in München. Auch hier wirkt die Orchesterexposition dramatisch und leichtfüßig zugleich, Holz, Blech und Pauken sind nicht ganz so stark exponiert und nicht ganz so überbordend ausdrucksvoll. Vogt scheint aber auch in dieser Einspielung seinen Stempel auch dem Orchesterspiel aufgedrückt zu haben. Er fordert erneut kammermusikalisches Agieren vom Orchester ein, was in München noch etwas besser umgesetzt wird. Man hört immer genau, wer gerde führt und wer folgt. Die Solisten im BRSO wirkten dabei noch etwas agiler, allen voran: die Oboe. Aber die Berliner machen das auch super. Die Kadenz Vogts wirkte in München und Paris noch etwas gewaltiger. Die Spielzeit ist sekundengenau dieselbe wie in München. Wer mag da wohl das Tempo vorgegeben haben?
Die 13 Sekunden, die man in Berlin langsamer spielt als in München meint man schon zu spüren. In Berlin gibt es übrigens kein virtuelles Heranrücken an die Musiker wie in München. An den Aufnahmeeinstellungen wird nichts verändert. Es klingt tatsächlich ein klein wenig gefühlvoller oder romantischer als in München. Das Holz zeigt sich in seiner ganzen Exzellenz und hochmotiviert. Vogt scheint einfach mitzureißen, denn es war in allen drei Einspielungen zu bemerken. Es ist ja bekannt, dass er ein begnadeter Kammermusiker war.
Das Allegretto erklingt mit viel Spielfreude und ansteckender Musizierlust, Die dynamische Skala wird voll ausgereizt (in den von Mozart gesetzten Grenzen). Diese Aufnahme ist spannend von der ersten bis zur letzten Sekunde. Hier geht es um was!
Auch der RBB stellt eine plastische, transparente Aufnahme bereit. Und erneut wirkt der sonore Klavierklang schwebend, bei guter Brillanz. Beim BR klingt es noch etwas farbiger und praller. Datenrate ist eben durch nichts zu ersetzen. Lebendig und saftig klingt es auch in Berlin, aber nicht ganz so brillant auch das Orchester.
5
Khatia Buniatishvili
Stanislaw Skrowaczewski
Deutsche Radio-Phiharmonie Saarbrücken Kaiserslautern
SR
2013, live
13:29 7:42 8:00 29:11
Dies ist der Mitschnitt eines Teils des Geburtstagskonzertes, das anlässlich des 90. Geburtstages des damaligen ständigen Gastdirigenten des RSO Saarbrücken und später der DRP stattfand. Der SR sendet es immer wieder gern, es hat den Weg aber auch auf YouTube gefunden. Das Orchester beginnt zügig, mit angetriebenem Gestus und ausgezeichneter Stimmentransparenz. Im Verlauf verspürt man auch eine gewisse Festlichkeit, die aber nicht vom 90. Geburtstag herrühren sollte. Der Flügel der Pianistin hat einen klaren, brillanten Klang, der sehr gut trägt, mal klingt es schlank, mal wird nicht an Pedal gespart. Das Spiel ist technisch makellos und versprüht temperamentvolle Verve. Frau Buniatishvili kann sich aber auch gut zurücknehmen, dann wirkt ihr Klang erheblich wärmer. Man hört ein hervorragendes Konzertieren auf Augenhöhe, präzise im Zusammenspiel. Bemerkenswert ist auf jeden Fall die mitunter romantisch anmutende Fülle sowohl im aufwallenden Klang des Flügels als auch beim gleichgesinnten Orchester, das kraftvoll zu Werke geht. Es wird eine breite Skala von Gefühlen abgedeckt. Die Kadenz wirkt hochvirtuos und schillernd. Sie bliclz weit in die Romantik voraus, fällt aber stilistisch nicht aus dem Rahmen.
Im Larghetto spendiert der SR wieder eine Nahaufnahme, die sowohl Klavier, Holz und die Streicher begünstigt, wie oft in langsamen (leisen) Sätzen bei diesem Sender. Sehr gefühlvoll, aufwallend, beredt und herzerwärmend wird gespielt und mit der Großaufnahme dieses Mal eine wunderschöne Darbietung begünstigt. Bravo!
Perlend, transparent, schlank, virtuos, hochkonzentriert, präzise und zwingend. Con fuoco e passione.
Die Aufnahme klingt dynamisch und räumlich, aber auch präsent, brillant und gut gestaffelt. Die Saarbrücker Kongresshalle scheint für Mozarts Klavierkonzerte eine gute Akustik zu bieten.
4-5
Radu Lupu
Kurt Sanderling
Berliner Philharmoniker
Deutschlandradio
1993, live
13:23 7:23 8:48 29:34
Es gibt keine Studioeinspielung von KV 491 mit Radu Lupu. Im Konzert scheint er es jedoch oft gespielt zu haben, denn auf YouTube sind ein paar Mitschnitte zu finden. Wir beschränken uns jedoch auf die zwei aus dem Radio. Der 2022 verstorbene Pianist studierte bei u. a bei Neuhaus in Moskau. Dass es überhaupt Karriere gemacht und es dabei so weit gebracht hat, wäre heute wohl undenkbar, denn er vermarktete sich selbst nicht. Es gab kein Internetauftritt, keine Öffentlichkeitsarbeit, keine Interviews am Mikrophon, keine Präsenz in sozialen Medien. Sein Repertoire beschränkte sich auf „Kompositionen, die mich mögen“, wie er zu sagen pflegte. Werke von Mozart waren auch dabei. Die Erlaubnis zu Radiomitschnitten hat er nur selten gegeben. Er war auch seinem Spiel gegenüber sehr skrupulös. Ein Meister der leisen Töne und der lyrischen Ausdruckskraft, Äußerlich oft teilnahmslos, gar düster und introvertiert, bewegten sich nur die Hände, der Rest des Körpers strahlte Ruhe aus. Er spielt zurückgelehnt an eine Lehne, entspannt, als wäre er nur ein Kanal durch den die Musik durchfließt. So muss es wohl auch 1993 in der Berliner Philharmonie gewesen sein. Das Orchester wirkt großformatig, getragen, sehr auf Kantabilität aus. Vin HIP unbeleckt. Es gibt zwar kein Imponiergehabe (oder nur kaum), doch die Musik erklingt mit Autorität und Macht, dabei wirkt der Streichersatz erstaunlich transparent. Der Flügel klingt warm, voll und schmelzend. Legato ist Trumpf, da gibt es keine „schlanke Linie“, obwohl die Phrasierung schlackenlos und fein wirkt. Das Spiel ist voller Akkuratesse, nie leblos. Klanglich wird sowohl vom Pianisten als auch vom Orchester höchstes Niveau geboten. Es ergibt sich sozusagen ein Klang wie aus einem Herz und einer Seele. Dunkel, etwas mysteriös, suchend, fragend. Auf Äußerlichkeiten wird völlig verzichtet, es gibt kein Auftrumpfen. Dieser erste Satz wirkt auf eigene Art vereinnahmend. Uninspiriert oder gar langweilig wirkt diese Darbietung nie. Es gibt nur eine kurze, prägnante Kadenz.
Das Larghetto erklingt weich und subtil, jedoch im Ton recht brillant. Das Spiel Lupus wirkt sehr kantabel. Extrem nuancenreich scheint dieser Flügel klanglich eine kleine Welt für sich zu sein.
Dolce klingt das Allegretto schon im Orchester, bei der Zusammenarbeit geht man weitestmöglich aufeinander ein. Der Anschlag erfolgt mit sagenhafter Geschmeidigkeit mit leisen und leisesten Tönen wirkt das Spiel auf seine Weise sehr suggestiv. Eine Spur meditativ. Eine eigenständige Interpretation, der man jedoch ganz gebannt zuhört.
Die Aufnahme des Deutschlandfunks wirkt transparent und räumlich, das Klavier ist klar und deutlich vom Orchester abgegrenzt. Das Klangbild wirkt warm, weich und recht farbig.
4-5
Radu Lupu
Christoph von Dohnanyi
NDR-Sinfonieorchester
NDR
2008, live
13:51 7:05 9:20 30:11
Auch diesen Mitschnitt aus der Laeiszhalle Hamburg (damals gab es noch keine Elbphilharmonie) kann man als Audiomitschnitt auf YouTube hören. Das Orchester klingt ebenso groß besetzt und voll wie die Philharmoniker in Berlin. Auch dunkel, warm und farbig. Beim Pianisten hat sich 15 Jahre nach dem Berliner Mitschnitt nicht viel geändert. Selten erhebt er einmal seine „Stimme“, obwohl sie nie leidenschaftslos oder gar monochrom wirken würde. Sein Spiel fesselt trotzdem. Das Geheimnis liegt hier in der feinen Kunst der Nuancierung. Das bietet Lupu ein ganzes Füllhorn. Das Orchester wirkt vielleicht sogar noch enger mit dem Spiel des Pianisten verzahnt. Die Konflikte werden abgemildert und werden nie zugespitzt. Es wirkt fast so, als würde der Pianist dem Orchester den Stachel ziehen. Obwohl es keine offene Spielfreude gibt, wirkt es nie desinteressiert. Es spräche mehr Trost aus der Musik klänge sie sie nicht so dunkel.
Das Larghetto gleicht der Berliner Aufnahme noch mehr. Erneut gedämpft und subtil, nur ein klein wenig schneller. Kantabel, mitteilsam. Herr Lupu kann sich aussingen und wählt dazu genau das richtige Tempo. Auf betörende Weise unschuldig, dazu belebend das perfekt eingestellte Orchester mit seinem hervorragenden Holz. Lupu ziert dieses Mal etwas mehr aus, alles wie auf „Samtpfötchen“.
Das Allegretto fällt in unseren Ohren gegenüber der Berliner Aufführung ein wenig ab. Etwas weniger zügig, sehr gebunden, konzentriert und enorm klangschön wirkt sie immer noch, aber kaum dramatisch, kaum Blech, kaum Aufwallung von Temperament, sodass die Marschvariation eher einem Kindermarsch gleicht. Einen „Sternenlichteinfall“ gibt es in der 5. Variation. Schade, dass Herr Lupu (wer sollte es sonst sein?) immer leise mit summt, leider nicht in der richtigen Tonhöhe. Es klingt als wären die Bässe verstimmt, und das bei dem peniblen Herrn von Dohnanyi. Weniger düster, weniger dramatisch aber in sich stimmig und in Vollkommenheit vorgetragen. Fast ein eigener Mozart-Stil.
Der Klang der Aufnahme lässt das Orchester voll, rund und farbig klingen, etwas entfernter als in Berlin. Dynamisch scheint das Orchester etwas eingebremst. Der Flügel klingt klar und deutlich vor dem Orchester, wie in Berlin.
4-5
Rafal Blechacz
Kent Nagano
Deutsches Sinfonieorchester Berlin
BR
2023, live
13:45 7:10 8:07 29:02
Dieses Konzert wurde im Regentenbau in Bad Kissingen aufgezeichnet. Das erklärt auch, warum der Bayerische Rundfunk beteiligt war und nicht der RBB. Am Tag des Konzertes konnte Rafal Blechacz übrigens seinen 38. Geburtstag feiern. Kent Nagano war 2000-2006 Chefdirigent des DSO, seitdem ist er dort Ehrendirigent.
Die Orchesterexposition erscheint weniger akzentuiert, die große Linie scheint Herrn Nagano wichtiger. Der Klang des DSO wirkt etwas füllig und sehr warm. Der Klavierklang begeistert (wie bereits beim 2. Klavierkonzert f-Moll von Chopin). Der polnische Pianist trifft mit seiner exzellenten Spieltechnik den schmalen Grat zwischen intimer Trockenheit und schwebendem Glanz in Vollkommenheit. Sein Anschlag wirkt straff und präzise, seine Phrasierung voller Akkuratesse und schlüssig auf den Punkt gebtacht. Man geht im Dialogisieren gut aufeinander ein. Hierzu könnte das Holz etwas näher wirken. Man wollte beim aufgezeichneten Klang anscheinend auch einen gewissen Repräsentationsanspruch mit übertragen. Die Spannung wird nicht immer ganz durchgehalten. Blechacz Spiel besticht insbesondere auch durch die makellose Eleganz. Durch eine gewisse kristalline Kühle im Ausdruck wäre ihm ein Lars Vogt noch überlegen was analog vom Orchesterspiel des BRSO in Vogts Einspielung gegenüber dem DSO gelten würde. Der von der HIP und vom kammermusikalischen Elan angetriebene Vogt wirkt auch noch in die beteiligten Orchester hinein. In der Kadenz (es ist die von J. N. Hummel) wird mit brillanter Virtuosität mehr dramatischer Drang vermittelt als im Satz zuvor.
Romanzenhaft, verträumt und gefühlvoll. Hier kommt die Belcanto-Schule voll zum Zuge, kaum jemand singt so schön und ungekünstelt wie Rafal Blechacz. Zauberhaft und ohne Zuckerguss-Zugabe.
Das Allegretto klingt immer fließend, sogar in der Marsch-Variation, obwohl diese viel Energie mitbekommt. Das Spiel des Pianisten ist stets hochvirtuos und beherrscht, hochkonzentriert, das Zusammenspiel hervorragend. Das Orchester ist fast ganz ohne Blech zu hören, ein echter Verlust. Auf die manchmal eingebrachte zusätzliche Mini-Kadenz verzichtet Herr Blechacz. Mit blitzsauberem Klavierspiel gelangt mehr Lichteinfall als üblich in diesem Satz hinein.
Die Aufnahme des BR wirkt räumlich, voll, farbig und sehr transparent. Das Orchester wirkt dynamisch etwas eingeschränkt, es werden nur wenige Aspekte der HIP berücksichtigt, es gibt kaum Akzente vor allem beim Blech und den Pauken nicht, die Bässe klingen ein wenig dick. Es wird mit Vibrato gespielt und mit großer Klangfülle man pflegt ein eher apollinisches Mozart-Bild und die Klangtechnik unterstreicht das noch zusätzlich.
4-5
Rudolf Buchbinder
Elim Chan
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
BR
2022, live
12:20 6:28 8:08 26:56
Wir hören erneut eine Aufnahme aus dem Herkulessaal der Münchner Residenz. Das Konzert hält das Debütb von Elim Chan beim BRSO fest. Sie sprang damals für Daniele Gatti ein. Das Tempo ist nun durchweg schneller als in Buchbinders Einspielung für Calig 25 Jahre zuvor, was wir auf den sehr lebendig wirkenden Dirigierstil von Elim Chan zurückführen. In der Orchesterexposition ist nun große Spannung und einiger Aufruhr zu hören. Das Orchester spielt exzellent: kontrastreich, pulsierend, pointiert, rhythmisch leicht angeschärft. Das Blech tritt allerdings kaum hervor. Im Folgenden huscht Buchbinder (schneller als im lieb zu sein scheint) mit seinen Arpeggien durch die Partitur, das Orchester macht ihm häufiger in Hinsicht auf Detailfülle was vor. Es spielt ungemein lebendig, er eher starr und trocken. Sein Klavierklang wirkt in den ruhigeren Passagen voller und brillanter, in den schnelleren, verhuscht er zwar nicht, sie lassen aber an Deutlichkeit nach. Insgesamt kann er die pianistische Klasse eine Rafal Blechacz nicht halten. Immerhin wird der Klavierpart jetzt, da der Pianist seine dirigentischen Aufgaben an Frau Chan abgegeben hat, nicht mehr vom Orchester zugedeckt, wie dies noch häufiger bei seiner Wiener Einspielung von 1997 zu hören ist. Buchbinders Kadenz kommt dieses Mal ohne Pauke als „konzertierenden“ Partner aus. Er spielt nicht immer ganz rund.
Das Larghetto wird in einem zügigen Tempo flüssig und noch kantabel vorgetragen. Ein Serenaden-Charakter wird vor allem vom Orchester herausgestellt. Buchbinder fällt durch leicht überhastete Skalen auf, das Tempo scheint ihm doch etwas zu schnell zu sein. Gefühlswärme stellt sich vor allem dann ein, wenn Buchbinder langsame Kantilenen spielt und er auf den sanften Wogen des Orchesters mit segeln kann.
Im Allegretto ziert Buchbinder sogar trotz des schnellen Tempos noch ein wenig aus. Er spielt jetzt lockerer und gelöster als noch im ersten Satz. Er hat sich jetzt der lebendigen Gangart der Dirigentin gut angepasst. Das Konzertieren wirkt nun stimmig. Dennoch klingt es bei Buchbinder manchmal etwas überhastet. Auch er verzichtet, wie viele andere, auf die kleine Kadenz vor Mozarts Klavier-Solo-Einschub, den selbstverständlich alle spielen. Die Hinzunahme der Dirigentin erweist sich (gegenüber Buchbinders Aufnahme ohne separaten Dirigenten in Wien 1997) als ein Segen. Das daraus resultierende hohe Tempo für Herrn Buchbinders Klavierspiel nicht so ganz. Er zieht sich jedoch immer hochprofessionell aus der Affaire. Das Orchester ist aber in dieser Aufnahme der eigentliche Star.
Der Klang der Aufnahme ist räumlich, dynamisch, farbig und sehr transparent. Das Orchester wird gut gestaffelt wiedergegeben. Die Balance Flügel/Orchester ist gelungen.
4-5
Kit Armstrong
Schumann-, Hermès- und Minetti Quartett, Konzertmeister und Stimmführer renommierter Orchester u.a. Jasmine Choi, Flöte; Ramon Ortega Quero, Oboe; Theo Plath, Fagott; Alessandro und Milena Viotti, Horn, Ben Griffith, Bass, Jonathan Klein und Gregor Zayer, Trompete, Lars Rupp, Pauke und Andrej Bielow als Konzertmeister
BR
2024, live
16:00 6:34 9:17 31:51
Dies ist eine Aufnahme vom Mozartfest Würzburg aus dem Kaisersaal der Residenz. Die Orchesterexposition lässt die Streicher im Tutti homogen hören, das Holz harmoniert noch nicht ganz perfekt dazu. Man verbessert das jedoch recht schnell. Dass die ordnende Hand eines Dirigenten fehlt ist in der Orchesterexposition unwahrscheinlich, Kit Armstrong hätte ja beide Hände frei fürs Orchester. Der Flügel danach klingt brillant, mit perfekter Spieltechnik und mit nicht zu viel Pedal, nuancenreich und gefühlvoll. Mittlerweile kommt das exzellente Holz vorzüglich zur Geltung. Die Violinen wirken mitunter ein wenig dünn dagegen, artikulieren aber besonders bewusst. Wir hören nur einen geringen Einfluss der HIP. Es gibt Vibrato, Blech gibt’s nur im Hintergrund. Der ganze Satz erhält jedoch lange nicht die Leidenschaft und Verve, die ein Lars Vogt im eingegeben hat. Leider hört man in Würzburg den Takt (nur im ersten Satz) immer mit. Die Kadenz dürfte zeitlich ausschweifendste der ganzen Liste sein, sie ist harmonisch stark geschärft, teils sehr virtuos und tief melancholisch bis hoffnungslos verloren. Die lange Spieldauer erklärt sich vor allem durch die ausgedehnte Kadenz.
Das Larghetto erklingt sehr zügig (mehr ein Dauerlauf als ein Schreiten durch Mozarts Gefühlsleben) aber trotzdem mit viel Gefühl. Es ragt das leidenschaftlich-glanzvolle Spiel der Bläser hier besonders heraus, der Pianist kann da kaum mithalten. Vielleicht sucht er deshalb Zuflucht im Pedal, denn der Klang des Klaviers zieht nun immer ein kleines Hallfähnchen hinter sich her. Für unser Gefühlsleben erscheint der Satz zu hurtig, als ob man der musikalischen (zugegeben einfach gestrickten) Substanz eine leichte Dehnung nicht zutrauen würde.
Das Klavier zeigt sich nun völlig im Ensemble integriert. Das kammermusikalische Miteinander erscheint nun gelungener als im ersten Satz. Man spielt sich jetzt so homogen die Bälle zu wie ein schon ewig zusammenspielendes Kammerorchester. Armstrong gefällt in diesem Satz am besten. Wir hören jetzt “sprechendes“ Klavierspiel, lebendig, zupackend und packend.
Der Klang der Aufnahme ist präsent, warm, farbig, weich und voll. Die Tiefenstaffelung ist nur schwach ausgeprägt, man spielt ziemlich „zweidimensional“. Auch die Räumlichkeit ist nur schwach ausgeprägt. Trocken wirkt die Aufnahme jedoch nicht. Das Orchester erscheint dicht zusammengedrängt. Aber durchaus brillant. Und dynamisch, wie man es generell von Übertragungen des BR kennt und schätzt.
4
Elisabetha Leonskaja
Jan Willem de Vriend
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Deutschlandradio
2025, live
13:56 7:36 9:55 31:27
Seit 2019 ist übrigens Stefan Vladar, der in unserer Liste ebenfalls einen Beitrag als dirigierender Pianist erbracht hat, GMD in Lübeck, das nur nebenbei. Jan Willem de Vriend ist mittlerweile einer der bekannteren heutigen Dirigenten, die man der HIP-Bewegung zurechnen kann. Elisabetha Leonskaja ist, obwohl 2022 eine Gesamtaufnahme der Mozart-Klaviersonaten bei Warner erscheinen ist auf dem Plattenmarkt bisher trotz ihrer 79 Jahre noch nicht mit einer Mozart-Konzert-Einspielung hervorgetreten.
In der Aufnahme aus der Musik- und Kongresshalle Lübeck klingt die Orchesterexposition romantisch-schwelgerisch, beim Einsatz des Blechs, das stark exponiert als einzige Gruppe im Orchester mit Originalinstrumenten spielt, auch wuchtig. Das Tempo erscheint recht gemütlich-gemütvoll, eher schwerblütig. Frau Leonskaja verfügt nach wie vor über einen leichten Anschlag, einen gedeckten Klang mit deutlichen Akzenten auch bei den Läufen. Der Pedaleinsatz erfolgt sparsam. Es ergibt sich ein guter Wechsel von anschmiegsamer Intimität, vor allem wenn die Pianistin alleine spielt und durchaus explosiv-deftigen Tuttis (durch das markante Blech mit den Naturhörnern und -trompeten und die ordentlich dreinschlagende Pauke). Dem Orchesterklang haftet nicht dünnes oder sprödes an, vielmehr wirkt es warm und sehr voll, an Streichern hat man nicht gespart. Ihrem Spiel geht ein wenig die Spritzigkeit, die einen Eindruck von hellwachem Musizieren erwecken könnte, ab. Der Klang des Orchesters wirkt breit und sinfonisch, kaum konfliktorientiert dialogisierend, eher weich-vermittelnd. Orchester und Klavier scheinen sich darin entsprechen zu wollen. Dem entspricht auch die Kadenz, die eher lyrisch-liedhaft wirkt, gedankenvoll, aber kaum konfliktbeladen, kaum aufbegehrend. Die Zerrissenheit durch Tragik und der Mix aus blauem Himmel und dunklen Wolken, so wie die Pianistin den ersten Satz beschreibt haben wir schon kontrastreicher gehört.
Im Larghetto wird die liedhafte Einfachheit unterstrichen. Frau Leonskaja spielt kontemplativ, ruhevoll, der warme Klavierklang kann sich sehr schön entfalten, auch mit den Auszierungen wirkt ihr Spiel nicht überladen. Das Spiel der und mit den Holzbläsern ist mit großer Harmonie eingefangen, klanglich farbig und blühend. Im Detail erscheint das Spiel des Orchesters nicht ganz unerschütterlich.
Im Allegretto, das für die Pianistin ein Wunder an kompositorischer Kunst ist und fassungslos macht wegen des Vermögens Mozarts solche Variationen überhaupt zu erfinden, wirkt der Gestus etwas langsam und gemütlich. Ein Austausch im episch ausgebreiteten Rahmen. Es gibt keine Zuspitzung. Die bei vielen anderen Pianist/innen nicht unübliche kleine „Minikadenz“ vor Mozarts großem Klaviersolo wird bei Frau Leonskaja fast zu einer ausgewachsenen Extra-Kadenz.
Der Klang dieses aktuellsten Mitschnitts in unserer Sammlung wirkt offen, weiträumig, sehr transparent, weich und warm. Die hohe Datenrate macht sich immer wieder bemerkbar, Mit der Sparrate vieler anderer Sender wäre so ein dunkel-seidiger Klang kaum so überzeugend übermittelbar.
3-4
Daniel Barenboim
Wiener Philharmoniker
ORF
2021, live
14:37 7:22 9:38 31:37
Dies ist ein Mitschnitt des Landesstudios Salzburg des ORF während der Mozartwoche (damals zur Feier des 265. Geburtstags des Meisters) im Großen Saal der Stiftung Mozarteum. Es handelte sich um ein sogenanntes „Corona-Konzert“ ohne Publikum.
Der erste Satz verläuft sehr langsam, mit Bedacht, aber subjektiv empfunden fast wie in Zeitlupe. Das kommt sicher daher, dass dem Gestus jede Dramatik und jede Energie fehlt. Die Hörner hört man etwas stärker durch als bei den älteren Barenboim-Aufnahmen, ohne dass man annehmen könnte, dass Barenboim sie bewusst hervorgehoben haben könnte. Barenboim, 78, spielt mit viel Pedal und lässt den Klang weich ausschwingen, er wirkt konzentriert und sicher, kann aber manuelle Missgeschicke nicht ganz vermeiden, so trifft er mal versehentlich eine Nachbartaste mit oder ein Ton kann auch mal ganz ausbleiben. Das Passagenwerk scheint wie von selbst zu laufen, die Philharmoniker spielen sehr klangschön, wirken aber nicht gerade gefordert. Es stellt sich ein seltsam sanftmütiger Gestus ein, den man so von diesem Satz gar nicht kennt. Eine gewisse einschläfernde Wirkung war beim Hören zu bemerken. Eine insgesamt wenig profilierte Phrasierung war nicht wenig daran beteiligt. Das Orchester war dem Pianisten aber auch kein belebender oder gar antagonistisch auftretender Widerpart. Fast schon eine Meditation über den ersten Satz von KV 491. Die Kadenz erscheint nur noch als Schatten dessen, was Barenboim 1971 vorgelegt hat.
Im Larghetto lässt es Barenboim stimmungsvoll strömen. Kleine Verhaspler trüben das ansonsten professionelle Bild kaum.
Während des Allegrettos wird der Klavierklang immer stumpfer. Eine sehr melancholische Deutung in mehrfacher Hinsicht. Fast kraftlos sinnt der Pianist einer ehemals besseren Welt nach. Erstmals in seinen drei von uns gehörten Aufnahmen von KV 491dünnt Barenboim die Streicher an den entsprechenden Stellen solistisch aus.
Das Landesstudio bürgt für guten Klang. Klar, weich, voll und präsent, ausgewogen und farbig und „dank“ Corona völlig störungsfrei.
Wir danken Herrn Bernd Stremmel für das Zur-Verfügung-Stellen einiger sehr interessanter Einspielungen, die unsere Diskographie bereichert haben.
6.6.2025